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Stuttgarts Volleyballerinnen wollen Titel für kranken Trainer
Im Finale kann Tore Aleksandersen nicht mehr coachen. Doch er tut alles, um noch mal die Meisterschale zu holen
Tore Aleksandersen mag gerade nicht über seinen Gesundheitszustand sprechen. Verständlich, denn das Thema ist ohnehin omnipräsent und raubt zusätzlich Kraft. Der schwer an Krebs erkrankte Trainer des Volleyball-Bundesligisten MTV Stuttgart will den Fokus mit aller Energie, die ihm gerade zur Verfügung steht, lieber auf die Vorbereitung der maximal drei verbleibenden Finalspiele um die Deutsche Meisterschaft gegen den SC Potsdam richten, schreibt er per Kurznachricht. An diesem Mittwoch (20.15 Uhr/Sport1) wird das dritte Match der Endspielserie ausgetragen. Sowohl Stuttgart als auch Potsdam haben ihre bisherigen Spiele zu Hause jeweils überzeugend mit 3:1 gewonnen. Es ist also alles offen im spannenden Duell um den Titel.
Doch über den umkämpften und emotionalen Duellen liegt der Schatten von Aleksandersens Erkrankung. Der 55-Jährige hat Prostatakrebs im Endstadium, der bereits in umliegende Körperregionen gestreut hat. Seit Beginn der Playoffs schafft es der Norweger nicht mehr, die Mannschaft an der Seitenlinie zu betreuen. Das übernimmt Co-Trainer Faruk Feray (29) gemeinsam mit dem zweiten Assistenten Wojciech Kurczynski (33). Auswärtsspiele verfolgt Aleksandersen per Video und hält über die Physiotherapeutin telefonischen Kontakt mit dem Trainerteam. Doch im dynamischen Präzisionssport Volleyball sind die Einflussmöglichkeiten per Telefon begrenzt. Bei Heimspielen sitzt der dreimalige deutsche Meister gemeinsam mit Sportdirektorin Kim Renkema hinter der Bande auf einem Scouting-Platz. »Allein seine Anwesenheit macht etwas aus. Wir wissen, dass es für solche Finalserien Tore mit seiner Autorität braucht«, betont Renkema. »Alles, was er beisteuern kann, nehmen wir gern an und ist gut für die Mannschaft.«
Die Niederländerin geht reflektiert und offensiv mit der Situation um und versucht auch nicht, das Drama wegzudiskutieren. Denn natürlich hat das persönliche Schicksal Aleksandersens auch Einfluss auf die Verfassung und Leistung des Teams. »Dieses Chaos ist natürlich nicht gut für das Team. Vor allem, wenn es nicht läuft, fehlt seine Kreativität im Coaching. Das ist so, als würde eine wichtige Spielerin fehlen. Das ist nicht zu unterschätzen, aber eben nicht zu ändern«, sagt Renkema und bekennt: »Ich muss ehrlich sein: Das ist eine neue und emotional schwierige Situation, mit der wir alle überfordert sind. Niemand hat Erfahrung damit und das richtige Rezept, wie man damit umgeht.«
Aleksandersen sei weiter nah an der Mannschaft dran, so gut wie jeden Tag in der Halle, berichtet Mittelblockerin Marie Schölzel. »So weit es geht, ist er irgendwie bei uns. Wir konnten uns daran gewöhnen, dass er nicht da ist, aber trotzdem ist das nicht der Normalzustand. Das merkt man auch«, erklärt die Nationalspielerin.
Einen Mentaltrainer, der das Team in der Ausnahmesituation begleiten könnte, haben die Stuttgarterinnen nicht. Im Volleyball fehlt für eine kontinuierliche sportpsychologische Betreuung oft das Geld. »Es ist emotional belastend für die Spielerinnen und wir versuchen, offen damit umzugehen. Das Wichtigste ist, dass Tore selbst sehr offen mit ihnen über seine Situation spricht. Er lässt Raum für Fragen«, berichtet Renkema. »Allerdings stellt er das nie in den Vordergrund«, betont sie. Im Gegenteil: »Tore ist ein mental unfassbar starker Mensch. Er ist immer positiv, gibt nie auf. Ich vergesse seine Krankheit teilweise, weil er damit so locker umgeht«, schildert die Managerin.
Bereits bevor Stuttgart den ehemaligen Schweriner Meistertrainer Ende 2020 verpflichtete, war dieser erkrankt und hatte nach einer zunächst erfolgreichen Chemotherapie überraschend zugesagt, bevor er den Ligaprimus in seiner zweiten Saison zu Meisterschaft und Pokalsieg führte. Nun tut er alles dafür, noch einmal die Meisterschale zu holen. Aktuell scheint es nicht realistisch, dass Aleksandersen die kommende Saison als Cheftrainer angehen kann. »Wir wissen nicht, wie es mit Tore weitergeht, und er selbst weiß es auch nicht«, sagt Renkema. Der bisherige Erfurter Konstantin Bitter wurde bereits als Trainer für die neue Saison verpflichtet. Ob als Co-Trainer oder Chef ist noch unklar und wird wohl erst im August beschlossen. »Wir wollen nicht zu früh entscheiden, sondern das vor allem Tore überlassen. Er weiß selbst am besten, wie es ihm geht.«
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