Juwelenraub in Dresden: Gefängnis für fünf Gewölbe-Einbrecher

Prozess um spektakulären Juwelenraub in Dresden vom November 2019 ist zu Ende

  • Hendrik Lasch
  • Lesedauer: 3 Min.

In das Grüne Gewölbe bricht niemand ein – dieser festen Überzeugung waren die Verantwortlichen der Schatzkammer im Dresdner Schloss. Die dort ausgestellten historischen Kunstgegenstände, so ihre Begründung, seien schlicht unverkäuflich. In der Nacht des 25. November 2019 wurde diese Annahme brutal widerlegt. Im Morgengrauen stiegen Einbrecher bei einem binnen weniger Minuten durchgeführten Coup durch ein vergittertes Fenster ein, zertrümmerten brachial eine Vitrine und entkamen mit 21 Schmuckgarnituren aus dem 18. Jahrhundert, deren Versicherungswert auf 113,8 Millionen Euro beziffert wurde und deren immaterieller Wert sich nicht beziffern lässt. CDU-Landespolitiker sprachen danach von einem »Anschlag auf die kulturelle Identität aller Sachsen«.

Dreieinhalb Jahre nach der Tat sind jetzt fünf Männer dafür verurteilt worden. Am Ende eines Prozesses vor dem Landgericht Dresden, der im Januar 2022 begonnen hatte, wurden die Mitglieder einer Berliner Großfamilie der besonders schweren Brandstiftung in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung, Diebstahls mit Waffen, Sachbeschädigung und vorsätzlicher Brandstiftung für schuldig befunden. Das Gericht verhängte Haftstrafen zwischen sechs Jahren und drei Monaten sowie vier Jahren und vier Monaten Jugendstrafe. Ein sechster Angeklagter wurde aufgrund eines Alibis freigesprochen. Neben dem eigentlichen Einbruch wog besonders schwer, dass die Täter bei ihrer Flucht in der Tiefgarage eines Wohnhauses ihr Auto in Brand gesetzt und dabei nicht nur hohen Sachschaden angerichtet, sondern auch Menschen gefährdet hatten.

Dem Prozess, der in einem Hochsicherheitssaal durchgeführt wurde und auf enormes mediales Interesse stieß, waren akribische Ermittlungen einer Sonderkommission »Epaulette« vorausgegangen. Wertvolle Spuren waren dabei in dem zunächst als Taxi getarnten zweiten Fluchtauto entdeckt worden, das die Polizei in Berlin sichergestellt hatte. Ein Jahr nach der Tat gab es eine groß angelegte Razzia mit 1700 Beamten in Berlin, bei der drei Täter gefasst wurden. Der anderen wurde man bis August 2021 habhaft. Spuren in die Hauptstadt hatte es früh gegeben, vor allem wegen auffälliger Parallelen zu einem Raub im Jahr 2017. Dabei war eine Goldmünze im Wert von 3,75 Millionen Euro aus dem Bode-Museum Berlin gestohlen worden. An dieser Tat waren zwei der jetzt Verurteilten beteiligt.

Dem Dresdner Richterspruch war ein sogenannter Deal, also eine Verfahrensabsprache zwischen allen Beteiligten, vorausgegangen, in deren Folge es im Dezember 2022 zum Dresdner »Weihnachtswunder« kam: der unverhofften Rückgabe eines Teils der geraubten Kunstgegenstände. Allerdings wiesen diese teils starke Schäden auf. Die Hoffnung, sie könnten in absehbarer Zeit wieder ausgestellt werden, erwies sich als trügerisch. Die »Sächsische Zeitung« zitiert Marion Ackermann, Chefin der Staatlichen Kunstsammlungen Dresden (SKD), mit der Aussage, man habe noch nicht einmal mit der Restaurierung beginnen können, weil im Zusammenhang mit Schadenersatzforderungen zuvor ein weiteres Gutachten angefertigt werden müsse. Von den drei wertvollsten der geraubten Schmuckgarnituren, darunter die Epaulette mit einem »Sächsischer Weißer« genannten, knapp 50 Karat schweren Diamanten, fehlt jede Spur. Der Prozess zog sich auch nach Übergabe der Schmuckgegenstände in die Länge. Grund dafür waren problematische Modalitäten der Beantwortung von Fragen durch die Angeklagten. Unter anderem hatten diese zwei weiteren, bislang unbekannten Tatbeteiligten die Verantwortung zugeschoben. Zeitweise drohte die Staatsanwaltschaft deshalb mit einem Scheitern des Deals.

Mit Ende des Prozesses ist die juristische Aufarbeitung abgeschlossen. Nicht aufgearbeitet ist nach Ansicht der Linken im Landtag die Frage, warum den Einbrechern ihr Coup durch mangelnde Sicherheitsvorkehrungen erleichtert wurde und wer dafür die Verantwortung übernehmen soll. Fraktionschef Rico Gebhardt spricht von »Tatbegünstigung« und merkt an, keiner der Verantwortlichen im Finanzministerium, beim Staatsbetrieb Immobilien- und Baumanagement oder der SKD habe sich entschuldigt, »vom Anerkennen eigener Versäumnisse ganz zu schweigen«. Der Schutz des Grünen Gewölbes, sagte Gebhardt, »war keiner – trotz anderslautender Erklärungen von Verantwortlichen«.

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