Werbung

Linkes Volksstimmefest in Wien: Rechter Anschlag knapp verhindert

Der Umgang der Behörden mit einem vereitelten Anschlag auf das Wiener Volksstimmefest spricht Bände, findet Natascha Strobl

  • Natascha Strobl
  • Lesedauer: 3 Min.

Das Volksstimmefest ist ein mehrtägiges großes Fest im Wiener Prater. Es wird von vielen Familien besucht. Nun ist bekannt geworden, dass ein Rechtsterrorist einen Anschlag auf das Fest geplant hat, das im letzten Moment vereitelt werden konnte. Der Umgang der Behörden mit dem vereitelten Angriff spricht Bände.

Es ist dem freien Journalisten Michael Bonvalot zu verdanken, dass dieser versuchte Anschlag überhaupt Thema ist. Er hat den Verfassungsschutzbericht sehr genau studiert und diesen Aspekt an die Öffentlichkeit gebracht. Weder haben die Regierung noch der Staatsschutz von sich aus informiert oder größere Medien dazu recherchiert. Der lapidare Umgang mit einem in letzter Sekunde vereitelten Anschlag (die Explosionsmittel waren längst besorgt) zeigt, wie wenig ernst der Rechtsextremismus in Österreich genommen wird.

Die konservative ÖVP kennt in ihrer medialen Inszenierung vor allem ein Thema: Ausländer. Die Partei bringt diese nur zu gerne in Verbindung mit Sicherheitsproblemen. Stichwort Balkanroute. Stichwort politischer Islam. Stichwort Wiener Märkte, auf denen sich die Wiener ÖVP seit einigen Wochen herumtreibt und diese als Unsicherheitsfaktor darstellt. Wenn real ein Schlag gegen djihadistische Netzwerke (zumindest vordergründig) durchgeführt wird, dann suhlt man sich in der medialen Öffentlichkeit – embedded journalism, Titelseiten, Pressekonferenzen, das volle Programm. Etwa bei der sogenannten Operation Luxor, die sich später als nicht haltbare PR-Aktion herausgestellt hat, die mutwillig Menschen in Verruf gebracht und Ressourcen gebunden hat.

Nun verwundert es die aufmerksamen nd-Leser*innen nicht, dass Rechtsextreme gefährlich sind. Jede neue Aktion wird aber als dümmlicher Einzelfall dargestellt. Waffenfunde werden gar depolitisiert. Doch die extreme Rechte hat sich während der Corona-Proteste neu aufgestellt und weiter radikalisiert. Die Feindbilder sind nochmal konkreter geworden; hinter jeder Unbill wird eine vermeintlich allmächtige Linke gesehen. So erfährt man nebenbei im Verfassungsschutzbericht, dass es konkrete Todeslisten von prominenten Linken gab. Wer darauf steht, bleibt ein Geheimnis, auch für die Betroffenen. So hat man auch den Organisator*innen des Volksstimmefests nicht gewarnt.

Natascha Strobl

Natascha Strobl ist Politikwissenschaftlerin und Autorin aus Wien. Auf Twitter schreibt sie Ad Hoc-Analysen zu rechtsextremer Sprache und faschistischen Ideologien, für »nd« schreibt sie die monatliche Kolumne »Rechte Umtriebe«. Darin widmet sie sich der Neuen und Alten Rechten und allem, was sich rechts der sogenannten Mitte rumtreibt. Alle Texte auf dasnd.de/umtriebe.

Man bekommt fast das Gefühl, dass der Vorfall als business as usual abgetan wird: Ach, ein Rechtsterrorist hortet Sprengstoff, hat Todeslisten und will Familien auf einem linken Sommerfest wegsprengen – nun gut, verhindert, weiter auf der Tagesordnung. Dabei weisen Gewalt und der Umgang damit immer nur auf ein viel tiefsitzenderes Problem hin: die Akzeptanz rechten Denkens in dieser Gesellschaft. Nichts, was der Terrorist denkt oder an Propagandamaterial bei sich hatte, unterscheidet sich groß von dem, was auch in größeren Medien zu finden ist oder von Parteien (teilweise mit Regierungsverantwortung und in Koalition mit progressiven Parteien) gesagt wird. Auch die Identitären, zu denen der verhinderte Rechtsterrorist ein enges Verhältnis hatte, touren wieder durch Österreich und verbreiten ihre rechtsextremen Verschwörungsideen vom »Großen Austausch«.

Es regt nicht wirklich auf. Nicht so, dass man nicht weiter auf der Tagesordnung gehen könnte. Doch die Tagesordnung ist, dass die rechtspopulistische FPÖ aktuell umfragenstärkste Partei ist. Und die konservative ÖVP nach und nach Signale sendet, auch auf Bundesebene mit der FPÖ zu koalieren. Da sind wir noch gar nicht bei der tragischkomischen Posse, dass es geradezu hysterische Aufregung um »Klimakleber« und linke Wahlerfolge gab. Die Rechte ist die wahre Bedrohung. Normalität auf Österreichisch.

Wir-schenken-uns-nichts
Unsere Weihnachtsaktion bringt nicht nur Lesefreude, sondern auch Wärme und Festlichkeit ins Haus. Zum dreimonatigen Probeabo gibt es ein Paar linke Socken von Socken mit Haltung und eine Flasche prickelnden Sekko Soziale – perfekt für eine entspannte Winterzeit. Ein Geschenk, das informiert, wärmt und das Aussteiger-Programm von EXIT-Deutschland unterstützt. Jetzt ein Wir-schenken-uns-nichts-Geschenk bestellen.

Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.

Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.

Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.

Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.