Bahnstreik: Aufs Umsteigen kommt es an

Die Klima-Emissionen im Verkehr werden nur zu einem Bruchteil auf der Schiene verursacht

  • Jörg Staude
  • Lesedauer: 4 Min.
Idyllisch, umweltfreundlich und entspannt: Reisen mit der Bahn könnte ideal sein.
Idyllisch, umweltfreundlich und entspannt: Reisen mit der Bahn könnte ideal sein.

Die Bahngewerkschaft EVG gehört – neben Verdi – zu den wenigen Gewerkschaften im DGB, die mit Fridays for Future und anderen Klimaaktivist*innen gemeinsame Sache machen, kürzlich Ende März beim Klima-Aktionstag. In der EVG gibt es auch eine Gruppe der »Eisenbahner*innen & Busfahrer*innen for Future«. Eine sozial-ökologische Verkehrswende hält die EVG für einen wirksamen Klimaschutz für unabdingbar. Dafür sei das seit Anfang Mai geltende 49-Euro-Deutschlandticket ein wichtiger Schritt, schreibt sie.

Die Bahn ist das umweltfreundlichste motorisierte Verkehrsmittel, betont ihrerseits die Lobbyorganisation Allianz Pro Schiene. Werde mehr Verkehr auf die Schiene verlagert, sänken Emissionen und Ressourcenverbrauch. Tatsächlich aber hat der Schienenverkehr einen nur »sehr kleinen« Anteil an den Klima-Emissionen des Verkehrs, stellt das Umweltbundesamt nüchtern fest.

Und der ist wirklich sehr klein: Zum Verkehr rechnet das geltende Klimagesetz die Emissionen der zivilen Inlandsflüge, von Schiene, Binnenschiff und nationalem Seeverkehr – sowie die des Straßenverkehrs. Letzterer verursacht aber laut Umweltbundesamt gut 98 Prozent der inländischen Treibhausgas-Emissionen im Verkehr – die restlichen zwei Prozent teilen sich Bahn, Flugzeug und Schiff.

Ob die Klimaziele im Verkehr eingehalten werden, hat so fast nichts mit der Bahn zu tun. Insgesamt wurden in Deutschland letztes Jahr knapp 52 Millionen Tonnen Kraftstoffe (Benzin und Diesel) in Motoren verbrannt. Davon gingen nur 75 000 Tonnen, also anderthalb Promille, aufs Konto der Bahn.

Die Promille lassen sich mittelfristig leicht ersetzen – durch Batterie- oder Wasserstoffzüge oder einen Ausbau elektrifizierter Bahnstrecken. 2030 will die Deutsche Bahn zu 80 Prozent mit Ökostrom fahren. Kein Kunststück, wo doch die Regierung in dem Jahr den Anteil des grünen Stroms ohnehin auf die 80 Prozent steigern will. Die Bahn braucht sich da nur einzustöpseln.

Wer ernsthaft Klimaschutz im Verkehr betreiben will, muss den Pkw- und Lkw-Verkehr an die Kandare nehmen. 2014, knapp ein Jahrzehnt zuvor also, verbrauchte der gesamte Inlandsverkehr noch rund 54 Millionen Tonnen Kraftstoffe. Seitdem wurden also vier Prozent der Kraftstoffmenge eingespart. Das ist klimapolitisch so gut wie nichts.

Einsparungen, die in dem Zeitraum durch effizientere Motoren erzielt werden konnten, wurden vor allem durch mehr PS und die steigende Anzahl von Autos zunichtegemacht. Von 2014 bis heute nahm allein die Anzahl der Pkw um fünf Millionen von 43 auf 48 Millionen zu – und nur eine Million davon sind aktuell E-Autos, die für das Klima unwirksamen Hybride auch noch mitgezählt.

Unter den acht Klima-Bausteinen, die das Umweltbundesamt für den Bereich Verkehr auflistet, befasst sich denn auch nur ein einziger mit der Stärkung der Schiene. Ziel ist dabei, die Fahrgastzahlen auf der Schiene bis 2030 zu verdoppeln. Geschehe das zulasten der Straße und des Luftverkehrs, könnte so eine CO2-Minderung von drei bis fünf Millionen Tonnen im Jahr 2030 erreicht werden, meint das Umweltbundesamt.

Klingt nach viel, insgesamt aber müssen die CO2-Emissionen des Verkehrs laut Klimagesetz von aktuell 148 Millionen auf 84 Millionen Tonnen jährlich sinken. Den Löwenanteil muss hier der Straßenverkehr erbringen. Das Problem ist dabei eben nicht, die Bahn selbst klimaneutral zu stellen, sondern die Leute zum Umsteigen auf die Schiene zu bewegen. Auch mit hohem Aufwand lässt sich da bisher kaum Zählbares erreichen.

So untersuchte der Expertenrat für Klimafragen jüngst, wie sich 2022 das dreimonatige 9-Euro-Ticket auf das Mobilitätsverhalten auswirkte. Zwar habe das preiswerte Ticket dafür gesorgt, dass in dem Zeitraum der Anteil der Schiene an der Mobilität um etwa 40 Prozent zunahm – die Verkehrsleistung der Pkw ging aber parallel nicht in derselben Größe zurück. Gegenwind gab es hier nicht nur vom ebenfalls geltenden Tankrabatt – das 9-Euro-Ticket habe auch dazu animiert, mehr Fahrten zu unternehmen und weitere Strecken zurückzulegen, sagt der Expertenrat. So erzeugte das 9-Euro-Ticket letztlich ein Mehr an Mobilität – bei Kosten von 2,5 Milliarden Euro.

Auch der Thinktank Agora Verkehrswende untersuchte kürzlich, ob das 9-Euro-Ticket als kurzfristige Klimaschutzmaßnahme Sinn macht. Ergebnis: Die Abonnent*innen würden ihre Tickets vor allem für Freizeitaktivitäten nutzen. Die Nachfrage habe zu einer Mobilitätsausweitung geführt, bilanziert auch der Thinktank. Autofahrten seien nur geringfügig ersetzt worden. Agora Verkehrswende sieht aber auch positive Aspekte beim Ticket. Die komplexen deutschen Tarifsysteme seien vereinfacht worden und das Ticket sei auch so etwas wie ein Türöffner gewesen: Einige Leute hätten zum ersten Mal seit längerer Zeit wieder oder zum ersten Mal überhaupt öffentliche Verkehrsmittel genutzt. Ob dieser Effekt beim jetzigen 49-Euro-Ticket anhält, wird sich zeigen müssen.

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