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Protest gegen Abschiebung nach Tadschikistan
Unterstützer fordern, Betroffenen wieder einreisen zu lassen
Es ist ein besonders dramatischer Fall, der im Januar seinen vorläufigen Höhepunkt erfuhr: Abdullohi Shamsiddin wurde in sein Heimatland Tadschikistan abgeschoben. Der Sohn eines ranghohen tadschikischen Oppositionellen der seit Herbst 2015 verbotenen Partei der Islamischen Wiedergeburt (PIW) lebte zuvor etwa 13 Jahre in Dortmund. Wie Cornelia Suhan vom Unterstützerkreis für Abdullohi Shamsiddin im Gespräch mit »nd« berichtet, sei Shamsiddin direkt nach seiner Abschiebung verhaftet und im März zu sieben Jahren Strafhaft verurteilt worden – aus politischen Gründen.
Der zweifache Vater von Kleinkindern soll nach seiner Ankunft in seinem Heimatland zunächst verschwunden sein. Dann sei er in einem Gefängnis der Sicherheitsbehörden gefunden und schließlich verurteilt worden. Suhan kennt den Abgeschobenen persönlich und steht mit den Angehörigen, die Flüchtlingsschutz in der EU erhalten, im Austausch. Den Flüchtlingsschutz wollten die deutschen Behörden Abdullohi Shamsiddin aber nicht gewähren. »Die deutschen Asylbehörden bewerteten den Schutzbedarf von Shamsiddin als nicht glaubwürdig«, sagt Suhan. Und das, obwohl die Opposition in Tadschikistan nicht geduldet wird, was auch in einem Report der Bundeszentrale für politische Bildung (bpb) über Tadschikistan nachzulesen ist. Shamsiddins Vater hingegen ist anerkannter Flüchtling und lebt in Aachen.
Mahnwachen von Unterstützern
Shamsiddin ist einer von vielen Abgeschobenen. Allein im vergangenen Jahr hat NRW laut der NGO »Abschiebungsreporting NRW« 3118 Menschen abgeschoben. Aber der Fall des Tadschiken irritiert besonders – wegen der dramatischen Konsequenzen für ihn in seinem Heimatland.
Suhan und ihre Mitstreiter, darunter auch Shamsiddins Frau Sumaya samt ältestem Sohn, setzen sich seit Monaten mit Mahnwachen in Dortmund für den abgeschobenen Tadschiken ein. Jüngst organisierte der Unterstützerkreis eine Mahnwache mit etwa 30 Unterstützern vor dem Landtag in Düsseldorf. Dort tagte nämlich der Integrationsausschuss des Landtages und besprach auch Abschiebungen aus dem berüchtigten Abschiebegefängnis im ostwestfälischen Büren.
Auch Abdullohi Shamsiddin wurde dort vor der Abschiebung über Wochen inhaftiert, berichtet Suhan. Er und seine Anwälte erfuhren laut Suhan nicht einmal den Abschiebetermin, sodass eine Verabschiedung von den engsten Angehörigen, die verteilt in Europa leben, nicht stattfinden konnte. »Das ist unmenschlich und die Abschiebepraktiken, nicht nur in NRW, müssen dringend überdacht werden«, so Suhan. Suhan kritisiert explizit den Landtag. Dieser überwacht die schwarz-grüne Landesregierung, die diese Abschiebung nicht verhindert hat, obwohl Menschenrechtsorganisationen wie Human Rights Watch eindringlich davor gewarnt hatten.
Autoritäres Regime verfolgt Kritiker
Tadschikistan ist ein zentralasiatischer Staat, der früher zur UdSSR gehörte. Das Land gilt als eines der repressivsten Regime der Welt. Machthaber Emomalij Rahmon regiert autoritär seit 1994. Suhan spricht angesichts dessen von einer Diktatur.
Seit dem Zusammenbruch der Sowjetunion befindet sich Tadschikistan in einer politischen und ökonomischen Dauerkrise. Besonders dramatisch war die Situation zwischen 1992 und 1997, als das Land in einem Bürgerkrieg versank. In den letzten fünf Jahren hat sich die autoritäre Entwicklung laut bpb nochmals verschärft. Mitglieder der Partei der Islamischen Wiedergeburt wurden zu langen Haftstrafen verurteilt, Familienangehörige, Rechtsanwälte und Unterstützer massiv eingeschüchtert. Unabhängige zivilgesellschaftliche Gruppen und Journalisten, die über die Entwicklungen berichten, werden unter Druck gesetzt, ins Ausland geflohene Politiker und Dissidenten verfolgt und bedroht.
Dennoch wurde Shamsiddin abgeschoben – und es seien weitere Abschiebungen aus NRW nach Tadschikistan geplant, beklagt Suhan: »Im März 2023 war erneut eine tadschikische Delegation bei der Zentralen Ausländerbehörde Essen zu Gast, um Abschiebungen vorzubereiten.«
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