Wahl in Griechenland: Mitsotakis obenauf, Tsipras am Boden

Der unerwartete klare Wahlsieg der rechtskonservativen Nea Dimokratia schockt die griechische Linksspartei Syriza

  • John Malamatinas
  • Lesedauer: 5 Min.

Ein Großteil der Wahlanalysten, Journalisten und wohl auch der griechischen Bevölkerung traute seinen Augen nicht, als die Ergebnisse der Parlamentswahl am Sonntagabend eintrudelten. Die Umfragen vor dem Wahltag haben sich als falsch erwiesen, nicht zugunsten der Opposition, sondern bezogen auf die Breite des Vorsprungs der rechtskonservativen Nea Dimokratia (ND).

Schon die erste Prognose des Abends zeigte einen Vorsprung der Regierungspartei auf die zweitplatzierte Linkspartei Syriza von etwa elf Prozentpunkt. Später vergrößerte sich dieser Vorsprung sogar noch auf sagenhafte 20 Prozentpunkte. Das Ergebnis stellt neue Gegebenheiten in der politischen Realität Griechenlands dar.

Die ND, die Partei des Ministerpräsidenten Kyriakos Mitsotakis, hat 40,8 Prozent der Stimmen erhalten. Sie verfehlte jedoch die für eine Ein-Parteien-Regierung erforderliche Mehrheit, so dass es in den nächsten Wochen zu einem weiteren Urnengang kommen dürfte.

Syriza von Alexis Tsipras erreichte lediglich 20 Prozent. Die anderen Oppositionsparteien haben ihre Anteile erhöht; die sozialdemokratische Pasok mit 11,46 Prozent der Stimmen (2019: 8,1 Prozent), die kommunistische Partei KKE liegt bei 7,23 Prozent (2019: 5,3 Prozent) und die rechtsextreme Griechische Lösung kam auf 4,45 Prozent (2019: 3,7 Prozent). Die linke Partei Mera25 des früheren Finazministers Yanis Varoufakis flog überraschenderweise aus dem Parlament. Die linke Partei »Kurs der Freiheit« der Ex-Parlamentspräsidentin Zoi Konstantopoulou und die patriotische »Niki«, die bis dato kein Analyst auf den Schirm hatte, haben ebenfalls den Einzug verpasst, obwohl ihr Ergebnis überraschend hoch ausfiel.

»Ich danke von ganzem Herzen den Millionen griechischer Frauen und Männer, die ND zum großen und unangefochtenen Sieger gemacht haben. Mit ihrer Stimmabgabe haben sie gezeigt, dass sie die wichtigen Zeichen des Fortschritts erkennen«, erklärte Mitsotakis bei seiner Siegesrede. »Die ND hat die Zustimmung des Volkes, mit Kraft und Macht zu regieren – für ein starkes und sicheres Griechenland in einem unsicheren internationalen Umfeld.« Nach Auffassung von Mitsotakis wollen die Bürger »eine starke Regierung mit einem Vierjahreshorizont«.

Mitsotakis hat wenig Auswahl an Partnern. Die sozialistische Pasok-Partei galt als der einzige realistische Kandidat. Doch das Eingeständnis von Mitsotakis im vergangenen Jahr, dass der griechische Geheimdienst den Pasok-Vorsitzenden Nikos Androulakis ausspioniert hatte, belastete die Beziehungen zwischen den beiden Parteien und warf einen Schatten auf die Aussichten einer Zusammenarbeit.

Tsipras wies ebenfalls darauf hin, dass eine neue Abstimmung wahrscheinlich sei, denn »der Wahlzyklus ist noch nicht vorbei«. Die nächste Schlacht, so Tsipras, werde »entscheidend und endgültig« sein. Das nicht eindeutige Ergebnis wird die Grundlage für einen neuen Urnengang bilden, falls die Bemühungen um die Bildung einer Koalitionsregierung wie erwartet scheitern. Die zweite Wahlrunde, die für den 25. Juni oder 2. Juli erwartet wird, findet nach einem verstärkten Mehrheitswahlrecht statt, das der ersten Partei 50 zusätzliche Sitze gewährt, wenn sie mindestens 40 Prozent der Stimmen erhält.

Der Parteivorsitzende der Konservativen sagte, er sei bereit, das von Präsidentin Katerina Sakellaropoulou übergebene Mandat schon am Montagnachmittag zurückzugeben und bezeichnete den überwältigenden Sieg seiner Partei bei den gestrigen Parlamentswahlen als einen »Schritt zur Reife der Demokratie«.

»Es ist ein großer Abend für die Pasok, ein großer Abend für die demokratische Fraktion« verkündete Androulakis von Pasok. Er betonte, dass »die Sonne der Hoffnung und der Perspektive für alle Griechen aufgeht« und dass seine Partei »wieder ein führender Akteur auf der politischen Bühne des Landes ist«.

Bis zum nächsten Urnengang wird Alexis Tsipras wohl nach ersten Aussagen von Syrizas Funktionären nicht in Frage gestellt. Es werden nun alle wichtigen Parteiorgane tagen, um »die Kräfte neu zu gruppieren«. Der Syriza-Politiker Dimitris Papadimoulis betonte am Montagmorgen im Fernsehsender SKAI, dass es »keine Frage der Führung gibt, wenn in einem Monat Wahlen anstehen« und dass die Partei bereit ist, »bei den Wahlen unter der Führung von Tsipras Veränderungen, Anpassungen und Korrekturen vorzunehmen, um besser abzuschneiden«.

Im Gespräch mit dem Staatsfernsehen ERT machte der Pressesprecher von Pasok, Dimitris Mantzos, Syriza, die er als »Sponsor von ND« bezeichnete, für den spektakulären Anstieg der Stimmen für die Konservativen verantwortlich. »Es hat keine glaubwürdige Opposition von Syriza gegeben«, sagte er und warf Syriza Populismus, Spaltung, inkohärente politische Vorschläge und abenteuerliche politische Planung vor. Die KKE stellt indes fest, dass »die Annäherung der Programme der Parteien, vor allem von Syriza und Pasok an das von ND zu einer Konservatisierung der Wählerschaft geführt hat«.

Schließlich beschuldigte Yanis Varoufakis am Wahlabend die Syriza-Führung, »das einfache Verhältniswahlrecht zu begraben, indem sie unseren Vorschlag für eine Konvergenz für zwei Jahre nicht akzeptierte«. »Infolgedessen ist dieser unglaubliche Tsunami, entstanden«, betonte der Sekretär der Mera25. »Die Mitsotakis AG hat einen Erdrutschsieg errungen. Die Erdoganisierung und Orbanisierung des Landes ist abgeschlossen.«

Diese Wahl hat bewiesen, dass die Skandale der letzten Jahre Mitsotakis nichts Entscheidendes anhaben konnten. In Griechenland gibt es mittlerweile zwei Realitäten: In der ersten profitiert ein Teil der Mittelklasse vom Klientelismus und lebt in einer Medienwelt, wo der König immer recht hat, und in der zweiten leben die Menschen, die in einem scheinbar wirtschaftlich aufsteigenden Land, ums tagtägliche Überleben kämpfen. Vier weitere Jahre ND bedeuten in Augen vieler Linken weitere autoritäre Formierung, mehr Polizei und Privatisierungen im großen Stil.

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