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Region Belgorod: Jetzt auch Krieg in Russland
Russische Freiwillige in ukrainischen Diensten sind in die südrussische Region Belgorod einmarschiert
Der Angriff kam überraschend. Während alle Augen auf die seit Monaten umkämpfte Stadt Bachmut und die immer wieder angekündigte Gegenoffensive der Ukrainer gegen die russischen Invasoren gerichtet waren, marschierten am Montag rund 80 Männer mit gepanzerten Fahrzeug in die Region Belgorod ein und verschanzten sich in mehreren Dörfern nahe der Grenze. Kurz darauf reklamierten das Russische Freiwilligenkorps (RDK) und die Legion Freiheit Russlands die Attacke für sich, zwei Gruppen von Russen, die für die Ukraine kämpfen.
Das politische Kiew gab sich am Montag bedeckt. Der Militärnachrichtendienst HUR bestätigte zwar, dass sich Kämpfer der beiden Einheiten in der Region befänden, um »einen Sicherheitsstreifen zum Schutz ukrainischer Zivilisten zu errichten«. Eine direkte Verbindung wies das Präsidentenbüro aber von sich. »Die Ukraine verfolgt die Geschehnisse in der russischen Oblast Belgorod mit Interesse, hat aber keine direkte Verbindung. Es ist bekannt, dass man Panzer in jedem russischen Militärladen kaufen kann und die Untergrundpartisanenverbände aus Russen bestehen«, schrieb der Präsidentenberater Mychajlo Podoljak auf Twitter. Glaubhaft ist das nicht. Mehrfach haben ukrainische Offizielle durchblicken lassen, dass Kiew hinter allen Aktionen in Russland steht. Zudem zeigten die Kämpfer der Legion Freiheit Russlands Bilder von gepanzerten Fahrzeugen aus US-amerikanischer Produktion (von einer VW-Tochter) mit ukrainischen Markierungen, die es wohl kaum in russischen Militärläden gibt.
Russisches Freiwilligenkorps griff im März schon an
Bereits am 2. März waren nach eigenen Angaben 45 Mitglieder des RDK in das Gebiet Brjansk eingedrungen und hatten sich Gefechte mit den Grenztruppen geliefert. Auch damals dürfte Kiew hinter der Aktion gestanden haben, ist das RDK doch dem ukrainischen Verteidigungsministerium unterstellt. Im Kampf gegen Wladimir Putins Invasion scheint das Haus von Oleksij Resnikow gerne darüber hinwegzusehen, dass das RDK ein Sammelbecken russischer Nationalisten und Rechtsradikaler ist, die im Ausland leben.
Bekanntester Name: Denis Nikitin. Der 26-Jährige kam 2001 als jüdischer Kontingentflüchtling nach Köln und machte sich in der deutschen und russischen Naziszene einen Namen, bevor er vermutlich 2018 in die Ukraine ging. Wie viele andere russische Nazis verließ Nikitin Russland, nachdem der Staat immer härter gegen Rechtsradikale vorgegangen war. Glaubt man den Aussagen verschiedener Vertreter des RDK, hat die Organisation seit ihrer Gründung im August 2022 an vielen Kämpfen im Süden der Ukraine teilgenommen.
Legion Freiheit Russlands bisher Internetphänomen
Überraschender ist der Auftritt der Legion Freiheit Russlands, die ihr Vordringen auf Telegram mit »Die Legion kommt nach Hause« kommentierte. Bisher ist die Gruppe, die nach eigenen Angaben aus russischen Kriegsgefangenen besteht, die sich entschieden haben, gegen Putin zu kämpfen, für Beobachter ein Mysterium.
Russische Sicherheitsorgane gehen davon aus, dass der ehemalige Duma-Abgeordnete Ilja Ponomarjow hinter der Legion steht. Ponomarjow stimmte 2014 als einziger Abgeordneter gegen die Krim-Annexion und verließ daraufhin Russland Richtung Ukraine. Gegenüber dem Online-Medium »Waschnyje istorii« bestritt ein Sprecher der Legion, dass Ponomarjow viel zu sagen habe. Vielmehr sei der ehemalige Duma-Abgeordnete der politische Arm der Legion.
Bis zuletzt zeigten sich selbst Journalisten, die sich mit der Legion befassen, skeptisch, was deren Schlagkraft betrifft. Im März sprach Irina Dolinina, die zur Legion recherchiert hatte, in einem Podcast davon, dass die Männer nicht den Eindruck erweckten, richtig zu kämpfen. Zudem bezweifelte sie, dass es möglich sei, aus Kriegsgefangenen eine effektive Kampfgruppe aufzustellen. Vielmehr, so Dolinina, erhärte sich der Eindruck, dass die Legionäre »Tiktok-Krieger« seien, die außer professionellen Videos nicht viel produzierten. Der Angriff auf die Dörfer bei Belgorod ist die erste Aktion, mit der die Legion außerhalb sozialer Medien auffällig geworden ist.
Blamage für Russland
Für das russische Verteidigungsministerium ist der Angriff in mehrfacher Hinsicht eine Blamage. Schließlich wurden in der Region Belgorod sage und schreibe zehn Milliarden Rubel (115 Millionen Euro) für Befestigungsanlagen ausgegeben, die keinerlei Wirkung zeigen. Zudem, so berichtet »Sota«, soll sich in der Gegend ein Lager für Teile von Atomwaffen befinden, das in aller Eile geräumt wurde. Gouverneur Wjatscheslaw Gladkow ließ zudem neun Orte mit 6000 Einwohnern evakuieren. In der Gebietshauptstadt Belgorod, die in der Nacht von Drohnen angegriffen wurde, ergriffen viele Einwohner die Flucht.
»Das ruft tiefe Besorgnis hervor und verlangt von uns große Anstrengungen«, äußerte sich Kreml-Sprecher Dmitri Peskow am Dienstagmorgen. Kurz darauf sprach die Armee von 70 Kämpfern, die sie getötet habe. Der Rest sei über die Grenze getrieben worden, so der Militärsprecher Igor Konaschenkow. Unbestätigten Quellen zufolge hielten die Gefechte jedoch mindestens bis zum Nachmittag an. Am frühen Abend hob Gladkow den Notstand für das Gebiet Belgorod auf.
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