- Berlin
- Ausbau der Straßenbahn
Tram zur Berliner Turmstraße erst im Herbst?
Probleme beim Ampelbau bremsen Inbetriebnahme der neuen Strecke aus
»Die Gleisbauarbeiten sind abgeschlossen. Im Mai 2023 erfolgen noch die
Begrünungsarbeiten in den Bereichen der ›Grünen Gleise‹ und die Ausstattung der Haltestellen. Die Fahr- und Bahnstromleitungen sowie das neue Gleichrichterwerk für die Strecke werden ebenfalls noch im Mai 2023 fertiggestellt«, heißt es von den Berliner Verkehrsbetrieben (BVG) in der »nd« exklusiv vorliegenden Antwort auf eine Schriftliche Anfrage des Linke-Verkehrsexperten Kristian Ronneburg.
Die rund 2,2 Kilometer lange Neubaustrecke der Straßenbahnlinie M10 vom Hauptbahnhof zum U-Bahnhof Turmstraße in Moabit steht also kurz vor der Fertigstellung. Und trotzdem wird es nichts mit dem bisher verkündeten Eröffnungstermin am 30. Juni. Nach »aktueller Lage« werde eine Eröffnung im dritten Quartal »angestrebt«, so die BVG. Gewiss ist nichts und auch der intern vor Wochen angepeilte neue Eröffnungstermin am letzten August-Wochenende scheint bedenklich zu wackeln. Erst im Spätsommer wird mit der Aufnahme des Probebetriebs gerechnet. Fahrgäste könnten somit erst im Herbst von der neuen attraktiven Anbindung profitieren.
Noch klaffen links und rechts der Gleise Löcher im Straßenland. Alles hängt nun vom weiteren Fortschritt der Arbeiten an den Ampeln und der Straßenbeleuchtung ab, wie die BVG in der parlamentarischen Anfrage mitteilt. Durchgeführt werden die Arbeiten von den rekommunalisierten Unternehmen »infraSignal« und »Stromnetz Berlin BerlinLicht«.
»Durch Behinderungen bei Umverlegungen von Leitungen im Untergrund mussten für diese Arbeiten zusätzliche Bauphasen in den Bauablauf eingearbeitet werden. Dies führte zu Bauzeitverlängerungen«, heißt es. Entscheidend sind für die BVG die Ampeln »inklusive der verkehrsabhängigen Steuerung für die Beschleunigung des ÖPNV«. Das Landesunternehmen erklärt: »Die BVG steht hierzu im direkten Austausch mit der ›infraSignal‹ als Generalübernehmer für die Lichtsignalanlagen, um schnellstmöglich einen gesicherten Eröffnungstermin festlegen zu können.«
Aller Wahrscheinlichkeit nach dürften die Verzögerungen bei den Ampeln nicht nur mit verspäteten Leitungsarbeiten zusammenhängen. Bundesweit häufen sich die Berichte, dass sich wegen Lieferkettenproblemen Ampel-Bauarbeiten über Monate oder gar Jahre verzögern.
»Trotz aller Verzögerungen geht der konkrete Bau von Straßenbahnstrecken deutlich schneller als die Planung«, sagt Linke-Verkehrsexperte Kristian Ronneburg zu »nd«. »Deswegen darf der neue Senat bereits weit fortgeschrittene Planungen für wichtige Verbindungen wie auf der Leipziger Straße oder zum Hermannplatz nicht stoppen für irgendwelche U-Bahn-Träume, die in 20 Jahren nicht realisiert sein werden.«
Die schwarz-rote Koalition bekennt sich allerdings in ihrem Bündnisvertrag zum Weiterbau der M10 von der Turmstraße zum Bahnhof Jungfernheide mit Anschluss an S-, U- und Regionalbahn. Jedoch gibt es Verzögerungen bei der 3,8 Kilometer langen Strecke.
War im Mai 2022 noch davon die Rede, dass dieses Jahr das Planfeststellungsverfahren eingeleitet werden soll, heißt es nun: »Der Antrag zur Planfeststellung soll im Jahr 2024 eingereicht werden.« Als gemeinsames Ziel von BVG und Verkehrsverwaltung werde eine Inbetriebnahme im Jahr 2028 »avisiert«.
Es muss sich zeigen, ob der Termin noch zu halten ist. Denn die Einwände der Stadtteilvertretung Turmstraße zur Planung sind offenbar bisher nicht berücksichtigt worden. »Eine Änderung der Streckenführung ist nicht beabsichtigt«, heißt es in der Antwort der BVG auf die Schriftliche Anfrage.
Die Stadtteilvertretung will, dass die Straßenbahn im weiteren Verlauf der Turmstraße keine abgetrennte eigene Trasse bekommt, sondern mit einer sogenannten Pförtnerampel vor dem Autoverkehr in den Abschnitt einfahren kann, mit dem sie sich die Spur teilt. »Wir wollen die Baumstandorte auf den Bürgersteigen erhalten«, sagt Wulf Heineking. Er ist Mitglied der Vertretung sowie der ehemalige Straßenbahn-Chefplaner der BVG. Durch die Anordnung der Haltestellen auf dem verbreiterten Mittelstreifen können diese auch auf ganzer Länge einen barrierefreien Einstieg in die Züge gewährleisten und man vermeide Konfliktpunkte mit dem Radverkehr.
Doch obwohl es Ende letzten Jahres so aussah als würde sich die Verwaltung bei der Planung bewegen, änderte sich nichts. »Wir sind verhältnismäßig frustriert und entschieden, dass wir im Planfeststellungsverfahren etwas tun müssen«, sagt Heineking.
Aus Verwaltungskreisen vorgebrachte Argumente, dass die Bäume am Straßenrand sowieso nicht mehr viel Lebenszeit vor sich hätten, hält die Vertretung für nicht stichhaltig. »Uns geht es um die Standorte, wo dann eben auch wieder neue Bäume gesetzt werden können. In den Hitzesommern muss es eine Beschattung der Bürgersteige geben. Wir haben schon die Erfahrung gemacht, dass es wegen zahlreicher unterirdischer Leitungen und Bauwerke kaum noch möglich ist, in Moabit neue Baumstandorte zu finden«, erläutert Heineking.
Er kündigt an, dass die Argumente dann eben »substantiiert in das Planfeststellungsverfahren eigebracht« werden. Man habe im Vorfeld alles versucht, um Gehör zu finden, um Verzögerungen im Planfeststellungsverfahren zu vermeiden. »Uns geht es um ein tatsächliches Miteinander statt dem Gegeneinander«, unterstreicht der Planungsexperte.
Derzeit werde ein Baumgutachten für die Turmstraße und Huttenstraße erstellt, erklärt die BVG. »Nach Vorlage des Gutachtens werden je nach Erfordernis Ersatzpflanzungen vorgenommen«, so das Landesunternehmen.
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