Kiews Drohnen schlagen in Moskau ein

Russlands Regierung spricht von Racheangriffen der Ukrainer und spielt die Attacken zugleich herunter

  • Daniel Säwert
  • Lesedauer: 4 Min.

Ab 4.30 Uhr wurde es am Moskauer Stadtrand laut: Die russische Luftabwehr versuchte, ukrainische Drohnen abzuschießen. Erstmals seit Beginn von Russlands Invasion im Nachbarland vor 15 Monaten sind ukrainische Drohnen in Moskau eingeschlagen. Nach unterschiedlichen Angaben sollen es zwischen 25 und 32 unbemannte Luftfahrzeuge bis in die russische Hauptstadt geschafft haben, zehn davon sollen abgeschossen worden sein. Neben der Rubljowka, der Wohngegend der russischen Elite, schlugen die Drohnen auch in drei Wohnhäuser im Moskauer Südwesten ein, ohne jedoch größeren Schaden anzurichten. Nach der zwischenzeitlichen Evakuierung durften die Bewohner gegen Mittag wieder in ihre Wohnungen zurückkehren, ohne Näheres zu den Angriffen zu erfahren. »Im Großen und Ganzen hat man das Gefühl, dass niemand etwas sagt«, beschreibt eine Anwohnerin der »Nowaja Gaseta« die Situation.

Angriffe wurden erwartet

Russische Offizielle sind seit dem Morgen bemüht, den Drohnenangriff herunterzuspielen. Während die Staatsmedien zunächst noch ausführlich berichteten, verschwiegen sie später die Zahl der Drohnen und lobten das Verteidigungsministerium für den »effektiven Schutz« der Hauptstadt.

Andrej Kartapolow, ehemaliger Generaloberst der Armee und aktueller Duma-Abgeordneter, nannte die Attacken »in großen Teilen eine Informationsveranstaltung«. Die Angriffe seien möglich, weil sich in der russischen Weite immer Schlupflöcher finden ließen, so Kartapolow. Alexander Chinschtejn, Scharfmacher und Abgeordneter der Kremlpartei Einiges Russland, sprach von einer neuen Realität, die man anerkennen müsse. Die Angriffe, so Chinschtejn, würden zweifellos zunehmen. Gegenüber dem Exilmedium »Meduza« sprach eine anonyme Quelle aus der Präsidialverwaltung von einem vorhersehbaren Angriff: »Irgendetwas wird sowieso durchkommen und nun ist es durchgekommen.« Noch aber, so die Quelle, sei der Schaden nicht beängstigend und der Effekt eher psychologisch. Vieles hänge von der Reaktion der Staatsführung ab, zitiert »Meduza« weiter.

Kiew weist Verantwortung von sich

Kreml-Sprecher Dmitrij Peskow stellte klar, dass es sich um die Antwort auf russische Angriffe auf Kiew am Wochenende handele. In den vergangenen Tagen flog Russland die massivsten Attacken auf die ukrainische Hauptstadt seit Kriegsbeginn. Moskau behauptet, den Militärgeheimdienst HUR getroffen zu haben. Bei der Abwehr der Fluggeschosse wurden jedoch allein am Sonntag 13 Personen verletzt, eine Frau kam ums Leben. In Moskau habe die Luftabwehr hingegen herausragend gearbeitet, so Peskow. So gut, dass Präsident Wladimir Putin sich nicht mit einer Ansprache an die Bewohner der Hauptstadtregion wenden werde. Bei einem Treffen mit Unternehmen trat Putin dann doch vor die Mikros, wiederholte dabei jedoch nur seine üblichen Behauptungen von der Verteidigung des Donbass und warf Kiew vor, den Russen Angst einjagen zu wollen.

In der Ukraine äußerte sich Präsidentenberater Mychailo Podoljak zum Drohnenangriff auf Moskau. Auf dem Youtube-Channel »Breakfast Show« sagte Podoljak, dass die Ukraine die Angriffe zwar mit Freuden beobachte und auch mit noch mehr Attacken rechne, aber Kiew »natürlich nichts direkt damit zu tun« habe. Er fabulierte vielmehr von einem russischen Angriff auf die eigene Hauptstadt, bei dem künstliche Intelligenz die Drohnen wieder an ihren Ausgangsort gebracht habe. Auch der Sprecher der ukrainischen Luftwaffe, Jurij Ihnat, nannte die Angriffe »interne Probleme« der Russen.

Verteidigungsminister kündigt harte Reaktion an

Trotz des öffentlichen Herunterspielens der Angriffe dürfte Moskau erneut mit massivem Beschuss der Ukraine reagieren. Der ehemalige Chef der Raumfahrtagentur Roskosmos, Dmitrij Rogosin, rief die Moskauer auf, ihre rosa Brille abzulegen und sich gegen die Ukrainer zu erheben. Nach der Kritik von Wagner-Chef Jewgenij Prigoschin daran, dass ukrainische Drohnen die Wohngegend der Elite hätten erreichen können, kündigte Verteidigungsminister Sergej Schoigu eine »maximal rigorose« Reaktion an.

Gegen Mittag eröffnete das staatliche Untersuchungskomitee ein Terrorverfahren. So können angebliche Fake-Aussagen über Drohnenangriffe als Unterstützung von Terrorismus verfolgt und hart bestraft werden. Zuvor hatte der Duma-Abgeordnete Andrej Guruljow gefordert, das Filmen von Drohnen unter Strafe zu stellen, ähnlich wie es in Kiew geplant ist. Durch solche Videos könne der Feind erkennen, ob der Angriff erfolgreich gewesen sei, so die Argumentation. Nach den Drohnenangriffen auf den Kreml in der Nacht zum 3. Mai war in Moskau und vielen anderen russischen Regionen bereits das Starten privater Drohnen verboten worden.

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