- Kultur
- Ausstellung »Freimaurer und Mysterien Ägyptens in Gotha«
Nicht nur die Revolution am Himmel
Eine Ausstellung in Gotha spürt dem Einfluss der Freimaurer in der Residenzstadt nach
Merkwürdige Mythen durchdringen die Meinungen über die Freimaurer und den Illuminatenorden. Oft werden die Vereinigungen als mysteriöse »Geheimbünde« bezeichnet. Nun hat das Herzogliche Museum in Gotha der Freimaurerei und ihrem Einfluss auf die Residenzstadt, vor allem während der Regentschaft Ernsts II. von Sachsen-Gotha-Altenburg von 1772 bis 1804, eine Ausstellung gewidmet.
Die Grußworte zur Eröffnung kamen mit Stefan Sarrach von einem Freimaurer selbst. Sarrach ist Mitglied der Großen National-Mutterloge »Zu den drei Weltkugeln«. Er pries den Ansatz der Schau, das Streben der Freimaurer nach Freundschaft, Weltoffenheit, Toleranz, Brüderlichkeit und Humanität der Öffentlichkeit zugänglich machen zu wollen. Nach Geheimniskrämerei klang das nicht. Seine Loge, die die Schirmherrschaft der Ausstellung übernahm, bereicherte jene auch um einige Leihgaben, wie etwa die »Schwedenkiste« mit einmaligen Illuminatendokumenten.
Offen, modern und vielseitig ist die Schau, die Kuratorin Uta Wallenstein, unter fachlicher Mitarbeit des Forschungszentrums Gotha der Universität Erfurt, des Instituts für Ägyptologie der Universität München und des Kestner-Museums Hannover erarbeitet hat. Dass die Freimaurer in Gotha Wurzeln schlagen konnten, liegt nicht nur daran, dass Herzog Ernst II. selbst zu ihnen zählte, sondern auch andere wichtige Persönlichkeiten wie Conrad Ekhof, in Gotha erster Hoftheater-Leiter Deutschlands, oder Gustav Adolf Reichsgraf von Gotter aus Molsdorf. Selbst Johann Wolfgang von Goethe kam nach Gotha, um an Sitzungen der Freimaurer-Loge teilzunehmen.
In den Museumsräumen schlüsseln Texttafeln das Freimaurertum für die Besucherinnen und Besucher differenziert und verständlich auf. Es sind kostbare ägyptische Statuen, Ritualgegenstände, Gemälde, Grafiken, Porzellanfiguren, Fotos von den Veränderungen der Stadtgestalt, Bücher, Dokumente und Zeichnungen zu sehen, darunter auch eine Grundrisszeichnung des englischen Landschaftsgartens in Gotha. Dieser war 1765 wegen der verwandtschaftlichen Beziehung zum britischen Königshaus angelegt worden. Der Hofgärtner Christian Heinrich Wehmeyer machte ihn dann zum Mysteriengarten freimaurerischer Prägung.
Die Freimaurer sahen sich vielfach als Erben der Kultur des Alten Ägyptens. Ihre Faszination für Mumien und Ägyptika zeigt sich zum Beispiel an der Ägypten-Expedition des Forschers Ulrich Jasper Seetzen, der selbst Freimaurer war und von der Vereinigung gefördert wurde. Objekte, die er in Ägypten erwarb und nach Gotha brachte, sind gerade im Herzoglichen Museum ausgestellt.
Insofern ist es auch passend, dass das Erkennungszeichen das Emblem der Freimaurer, Zirkel und Winkelmaß, im Auge einer ägyptischen Hieroglyphe zeigt. Die beiden Werkzeuge stehen für ein geradliniges Leben, mit dem Anspruch, den eigenen Umkreis zu reflektieren und seine Elemente miteinander zu verbinden. Von mittelalterlichen Steinmetzbruderschaften stammen Hammer, Stein und Kelle, deren die Freimaurer sich ebenfalls symbolhaft bedienen. Der unbehauene Stein steht dabei für den Lehrling, der behauene, kubische Stein für den Gesellen, der Hammer für den Meister. Jeder soll nach Überzeugung der Vereinigung das eigene Selbst, seinen »Stein«, schrittweise vervollkommnen, erst dann könnte ein »Tempel« entstehen. Religiös nicht festgelegt, wurde spirituell an die kosmische Macht eines »Baumeisters aller Welten« geglaubt. Von den Baumeistern der Kathedralen rührte dabei das Gebot der Verschwiegenheit. Weil es im 18. und 19. Jahrhundert in Deutschland keine Demokratie, aber Spitzelwesen, die Geheimpolizei und die Kirche gab, war es gefährlich, öffentlich eine freie Welt zu fordern und Geheimnisse nach außen zu tragen.
Vor allem als der neu angestellte Mathematiker und Astronom Franz Xaver von Zach mit seiner Sternwarte ein Gothaer Astronomentreffen durchführte, fiel der Verdacht auf die Residenzstadt, sich nicht nur mit der Revolution am Himmel befassen zu wollen. In ihrem Buch »Goethes Freunde in Gotha und Weimar« fragt die Literaturwissenschaftlerin Sigrid Damm, ob im internationalen Netzwerk der Freimaurer der Keim einer europäischen Gelehrtenrepublik lag. Sie zitiert Johann Gottfried Seume, der in Gotha die Lebensleistung Ernsts II. im »höhern Grad von Wohlstand« sieht: »Nicht das Predigen der Humanität, sondern das Tun hat Wert.« Vielleicht kann die Rückbesinnung auf die Grundideale der Freimaurerei in Gotha, mit Johannes dem Täufer gesprochen, tatsächlich eine Stimme in der Wüste sein.
»Freimaurer und Mysterien Ägyptens in Gotha«, bis zum 15. Oktober, Herzogliches Museum, Gotha
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