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Pep Guardiola von Manchester City: Der Diener der Monster
Scheichklub Manchester City spielt unter Pep Guardiola perfekten Fußball. Nun soll endlich der Henkelpott her
Wie fühlt man sich eigentlich unter Monstern, Señor Guardiola? Der Mann hatte mal einen Ruf als das gute Gewissen des Fußballs, gesegnet mit einer Aura, die einen glauben ließ, seine Leute würden das Spiel nur aus Liebe zum Spiel spielen und das Geld als angenehme Begleiterscheinung einsacken.
Pep Guardiola galt als der ewige Lordsiegelbewahrer des ästhetisch anspruchsvollen Fußballs. Als nun der von ihm angeleitete Manchester City Football Club vor ein paar Wochen den immer noch amtierenden Champions-League-Sieger Real Madrid mit 4:0 aus dem Etihad Stadium schoss, mischte sich in die weltweite Bewunderung über alle Spielkunst auch ein wenig Unbehagen. Der zu martialischen Bildern neigende »Corriere dello Sport« füllte seine Titelseite mit der in dicke rote Buchstaben gegossenen Schlagzeile: »Sono Mostri«, sie sind Monster!
Die Hochfinanz hat aus dem europäischen Fußballzirkus einen Wettbewerb gemacht, bei dem jeder mitspielen darf, aber immer dieselben gewinnen, für gewöhnlich aus Spanien und England, zuweilen auch aus Deutschland und Italien. Der letzte Außenseitersieg einer Mannschaft jenseits der vier großen Ligen datiert von 2004 und hieß FC Porto, aber wer weiß das schon noch. An diesem Samstag steigt die finale Party in Istanbul, es duellieren sich Inter Mailand und Manchester City, aber nicht einmal die Calcio-Patrioten von den Gazzettas und Corrieres erwarten ein offenes Spiel. »Angesichts dieser Mannschaft kann Inter nur zittern«, fürchtet die »Gazzetta dello Sport«.
Der Erfolg hat seinen Preis. Um die zwei Milliarden Euro haben die Scheichs aus Abu Dhabi in den vergangenen 15 Jahren allein an Transfersummen in ihr Projekt Manchester City investiert. »Sie haben die beste Mannschaft der Welt. Egal, was es kostet, sie machen es einfach«, sagt Jürgen Klopp vom ebenfalls nicht minderbemittelten FC Liverpool. Guardiola darf sich seine Mannschaft ohne Rücksicht auf lästige finanzielle Details zusammenstellen.
Als er sich im vergangenen Frühling den Norweger Erling Haaland wünschte, bekam er ihn wie selbstverständlich, mit einer himmelblauen Schleife um die blonde Mähne.
Fünf Meisterschaften und acht Triumphe in allerlei englischen Pokalwettbewerben hat der Katalane seinen Scheichs in den sieben Jahren seines Schaffens in die virtuelle Vitrine gestellt. Die wichtigste Trophäe aber fehlt noch. Zweimal hat Guardiola den für die Champions League ausgelobten Henkelpott schon gewonnen, aber das war zu einer anderen Zeit mit einem anderen Klub, und war nicht auch Guardiola ein anderer? Damals, in Barcelona? Bei seinem Dienstantritt im Camp Nou vor 15 Jahren hatte er noch Haare auf dem Kopf und keine Lust auf große Namen. Die Weltstars Deco und Ronaldinho ließ der Trainer-Novize in einer ersten Amtshandlung wissen, sie mögen sich doch bitte neue Vereine suchen.
Das erste Spiel in Numancia ging 0:1 verloren, und nach dem zweiten, einem 1:1 gegen Santander, schien sich Guardiolas Zeit in Barcelona schon einem frühen Ende zu nähern. Bis dann der kickende Vituose Andrés Iniesta an die Tür zum Trainerzimmer klopfte und Guardiola mitteilte: »Keine Sorge, Señor. Wir sind auf dem richtigen Weg. Wir werden alles gewinnen.« So geschah es dann auch, in Pokal und Meisterschaft und Champions League, mit einem 2:0 im Finale von Rom über Manchester United. Zwei Jahre später wiederholte Guardiola das Kunststück wieder gegen Manchester United, diesmal in Wembley. Und ein Jahr später war er auch schon weg, auf dem Weg zum Sabbatical nach New York.
Kritiker behaupten, Guardiola habe seine Seele in Barcelona gelassen, danach sei es ihm nur noch um Geld und Titel gegangen: In München, wo er dreimal im Halbfinale der Champions League scheiterte und behauptete, drei Jahre seien genug, danach leide die Intensität. Warum gehe er dann in Manchester bald in sein achtes Jahr? Am Charme des nordenglischen Regens könne es kaum liegen, eher an den grenzenlos sprudelnden Petrodollars aus Abu Dhabi. Guardiola lege keinen Wert mehr auf die Romantik des Spiels und züchte lieber Monster heran.
Wer so argumentiert, bleibt an der Oberfläche und übersieht, was er kritisiert, nämlich die Seele Guardiolas. Barcelona hat er nicht als übersättigter Genussmensch verlassen, sondern weil der Druck einfach zu groß wurde, gerade für ihn als Katalanen bei seinem Herzensklub. Und in München fand er eben nur auf den ersten Blick perfekte Bedingungen vor. Auf den zweiten war es alles andere als optimal mit den Koryphäen Rummenigge, Hoeneß oder Sammer, die im Zweifelsfall alles mindestens genauso gut wussten wie Señor Pep und immer den Boulevard auf ihrer Seite hatten.
Guardiola ist ein politisch denkender Mensch, der für die Loslösung Kataloniens vom spanischen Zentralstaat kämpft. Es dürfte ihm bewusst sein, dass die Scheichs von Manchester nicht die beste Reputation genießen. Aber sie reden dem Fußballtrainer Guardiola nicht in die Aufstellung rein, ja haben ihm nicht mal eine zur Imageaufbesserung bestens geeignete Wiedervereinigung mit Lionel Messi angeordnet, als dieser vor zwei Jahren nach der hässlichen Trennung von Barcelona günstig zu haben war. Das zuerst auf sich selbst bezogene Spiel des argentinischen Weltstars erschien nicht systemkompatibel. Also bestellte er bei der Klubführung lieber den kreativen und zugleich mannschaftsdienlichen Freigeist Jack Grealish.
Philipp Lahm hat der »Zeit« mal gesagt: »Pep Guardiola würdigt seine Spieler und erhebt weder sich noch irgendein 4-3-3- oder 3-5-2-System über sie. Er ist ihr Freund, er ist ihr Diener.« Aber keiner von ihnen ist größer als das Spiel, dem Pep Guardiola sein Leben verschrieben hat und dessen Entwicklung er im Labor Manchester mit der ihm eigenen Besessenheit vorantreibt. Mag der Regen auch noch so penetrant auf den Norden Englands fallen. Ja, Pep Guardiola fühlt sich wohl unter Monstern, wenn sie denn als Synonym stehen für perfekte Fußballspieler. Und nichts anderes dürfte der »Corriere dello Sport« mit seinen dicken roten Buchstaben im Sinn gehabt haben.
Früher schlicht Pokal der Landesmeister, heute Champions League: ein inszeniertes Spektakel und Gelddruckmaschine des Fußballs. Und jetzt das große Finale.
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