Antrieb für Airbus und Armee

Der britische Triebwerkhersteller Rolls-Royce feiert 30 Jahre an seinem deutschen Standort in Dahlewitz

  • Andreas Fritsche
  • Lesedauer: 5 Min.

Früher war hier »nüscht als Jejend«, also nichts als Landschaft, wie der Berliner sage, berichtet Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD). Eine Agrargenossenschaft ließ auf der Wiese bei Dahlewitz knapp innerhalb des Berliner Autobahnrings Schafe und Rinder weiden – »eine ehrenwerte Profession, die ich ja selber auch erlernt habe«, sagt der Politiker, der von Hause aus Agraringenieur ist. Dann aber pflanzte der britische Rolls-Royce-Konzern, damals noch in Zusammenarbeit mit den Bayerischen Motorenwerken (BMW), eine Fabrik für Flugzeugtriebwerke in den märkischen Sand.

Los ging es im September 1993 mit ein paar Dutzend Mitarbeitern in einer einzigen Halle. Man rechnete seinerzeit damit, dass die Belegschaft im günstigsten Falle auf 600 Personen anwachsen könnte. Tatsächlich kamen mit den Jahren immer mehr Gebäude und Personal hinzu. Gut 2500 Menschen arbeiten heute hier. Damit hätte niemand in seinen kühnsten Träumen gerechnet, sagt Rolls-Royce-Deutschlandchef Dirk Geisinger am Freitag bei einem etwas vorgezogenen Festakt zum 30-jährigen Bestehen des Standorts.

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»Happy Birthday Rolls Royce«, gratuliert Ministerpräsident Woidke. Er ist happy, dass es diesen Betrieb gibt und wünscht ihm noch viele runde Geburtstage. Anfang der 90er Jahre sei diese Investition ein »Mutmacher«, ein »Lichtblick« gewesen, nicht bloß ein Hoffnungsschimmer, sondern ein Hoffnungs-Scheinwerfer. Denn Woidke erinnert sich noch gut an die schweren Zeiten. Es waren Jahre der Firmenpleiten und des Plattmachens von Industriebetrieben durch die Treuhandanstalt, Zeiten der Massenarbeitslosigkeit und der Existenzängste. »Es mangelte nicht an Flächen, sondern an Investoren«, bedauert Woidke im Rückblick. Heute sei es andersherum. Damals lag die Arbeitslosenquote in Brandenburg bei 15 Prozent und stieg später sogar auf 18,7 Prozent, wobei die Statistik mit allerlei Tricks geschönt wurde. Heute liegt die Quote bei 5,8 Prozent, und kein deutsches Flächenland sei wirtschaftlich stärker gewachsen, rühmt Landesvater Woidke.

Einst hungerte sein Bundesland nach Industrie. Daher kommt der Appetit auf immer neue Ansiedlungen wie die Tesla-Autofabrik in Grünheide oder das Bahnwerk in Cottbus. Auch die Turbinenfabrik in Dahlewitz möchte Woidke nicht mehr missen. Hier sei »märkischer Sand in fruchtbare Muttererde umgewandelt worden«. Weil in dem Betrieb Menschen aus 50 Nationen arbeiten, verspricht Woidke, dass sich alle Zugezogenen wohlfühlen sollen. Er sagt dazu einen Satz, für den er spontan sehr viel Applaus erhält: »Rechtsextremismus und Rassismus dürfen wir nicht dulden. Sie sind die größten Feinde der wirtschaftlichen Entwicklung.«

Mit der deutschen Vergangenheit hat sich Rob Watson, Präsident der Sparte Zivile Luftfahrt, gerade erst befasst. Er sollte seinen 16-jährigen Sohn für eine Geschichtsprüfung zum Kalten Krieg abhören. Im Gespräch kamen sie auf die deutsche Wiedervereinigung. Er sei stolz, für ein Unternehmen zu arbeiten, das vor 30 Jahren entschied, in Brandenburg zu investieren, bekennt Watson, der seine Rede auf Englisch hält. Es war der erste multinationale Konzern, der sich in Ostdeutschland ansiedelte. Heute sei angeblich alles gleich Weltklasse, Kaffee zum Beispiel, sagt Watson. Aber das hier sei wirklich Weltklasse.

In einer mit Stuhlreihen zum Festsaal umdekorierten Testzelle, in der sonst Flugzeugtriebwerke auf Herz und Nieren geprüft werden, sprechen Ministerpräsident Woidke sowie die Manager Watson und Geisinger ihre Grußworte. Es wird dazu ein Film zur Entwicklung des Standorts gezeigt. Die Zuschauer sehen Halle um Halle entstehen, ein Logistikzentrum, das Testzentrum und so weiter. »Wir haben 30 Jahre Luftfahrtgeschichte geschrieben«, wird in englischer Sprache eingeblendet. Von Anfang an dabei war Konstruktionsleiter Uwe Schoth. Mittlerweile ist er 60 Jahre alt und will bis zur Rente bleiben.

»Sie können sich gern kneifen. Es ist kein Märchen, es ist Realität«, verkündet Geisinger stolz. 30 Millionen D-Mark seien zunächst investiert worden. Inzwischen steckte der Konzern 5,4 Milliarden Euro in den Standort. Das zahlte sich aus. Im vergangenen Jahr betrug der Jahresumsatz von Rolls-Royce in der Bundesrepublik – es gibt hier noch andere deutsche Standorte – 1,6 Milliarden Euro.

8500 Triebwerke wurden bislang in Dahlewitz montiert. Neun Typen sind zum Jubiläum ausgestellt, darunter ein ab 2013 produziertes Triebwerk Trent XWB, verbaut in großen Passagiermaschinen vom Typ Airbus A350. Aber auch Triebwerke der Pearl-Serie zeigt Rolls-Royce stolz vor. Sie kamen und kommen in Geschäftsfliegern von Bombardier und Gulfstream zum Einsatz. Das sind Maschinen, etwas größer als Privatjets. Mit dem Triebwerk Pearl 15 von 2018 erreichen solche Geschäftsflieger eine Spitzengeschwindigkeit von mehr als 1000 Kilometern in der Stunde und damit fast Schallgeschwindigkeit. 200 Stück wurden ausgeliefert. Mit Perl 15 fliege man schneller, sauberer und ruhiger, lautet eine Werbebotschaft. Doch mit dem Pearl 700 aus dem Jahr 2022 ist Rolls-Royce schon einen Schritt weiter. Dieses Triebwerk, 80 Stück sind ausgeliefert, sei noch einmal fünf Prozent effizienter, heißt es. Und mit Pearl 10X befindet sich schon das nächste Triebwerk im Entwicklungsstadium.

Geschäftsflieger seien »moderne Zeitmaschinen«, schwärmt Dirk Geisinger. Bei den Triebwerken dafür sei Rolls-Royce Weltmarktführer und wolle es bleiben. Wie 1993, als die damals wie heute einzige komplette Triebwerksproduktion in Deutschland aufgebaut wurde, »liegen wieder viele Herausforderungen vor uns«, blickt Geisinger nach vorn. Klimaneutralität ist das Zauberwort auch in der Luftfahrt – und in Cottbus tüftelt der Konzern gemeinsam mit der dortigen Technischen Universität an hybridelektrischen Flugzeugantrieben.

In Dahlewitz werden ausschließlich Triebwerke für die zivile Luftfahrt montiert. Sie werden aber auch in den Passagiermaschinen verbaut, mit denen die Flugbereitschaft der Bundeswehr Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) und seine Minister zu Terminen in aller Welt fliegt. Damit nicht genug, werden in Dahlewitz auch Systeme für Militärtransporter und -hubschrauber entwickelt und gewartet. »Fast an jedem fliegenden System der Bundeswehr ist Rolls-Royce beteiligt«, erklärt Geisinger. Folgerichtig feiert die Bundeswehr den 30. Geburtstag des Standorts mit. Die Herren erscheinen allerdings nicht in Uniform. Dass sie da sind, ist allein an den vor dem Firmengelände geparkten Fahrzeugen mit dem verräterischen Y im Kennzeichen zu erkennen. Mit der beschlossenen Aufrüstung der Bundeswehr winken einträgliche Geschäfte.

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