Große Schäden am U-Bahnhof Alexanderplatz in Berlin

Schäden am U-Bahnhof Alexanderplatz wohl noch größer als bekannt

  • Nicolas Šustr
  • Lesedauer: 5 Min.
Wird langsam zur Tropfsteinhöhle: U5-Bahnsteig am Alexanderplatz
Wird langsam zur Tropfsteinhöhle: U5-Bahnsteig am Alexanderplatz

Es tropft aus der Decke am Bahnsteig der U5 am Alexanderplatz. Mit Baustellenabsperrungen sind ein paar Quadratmeter am ungenutzten Bahnsteiggleis abgeteilt, das für die einst geplante U-Bahn aus Weißensee gebaut wurde. Der Bereich ist mit Textilbahnen und Spanplatten abgedeckt. Darauf dicke Krusten des Materials, das das sickernde Wasser bei seinem Weg durch den Beton mitgetragen hat. Auch auf den Fliesen der Wand sind weiße Ablagerungen zu erkennen. An der Decke haben sich kleine Tropfsteine gebildet.

Das, so sagen Informierte, ist kein Oberflächenwasser, das durch porös gewordene Außenabdichtungen des Tunnelbauwerks sickert, wie es an vielen Stellen im in die Jahre gekommenen Berliner U-Bahn-Netz passiert. Es soll Grundwasser sein. Dass es hier in den Tunnel sickert, soll mit der direkt benachbarten Baugrube des Covivio-Hochhauses zu tun haben.

Auf nd-Anfrage teilt BVG-Sprecher Jannes Schwentu zu dem Schaden am Montag mit: »Die Ursachenklärung ist noch nicht abgeschlossen. Der U-Bahnbetrieb oder die allgemeine Sicherheit sind durch den Wasserschaden nicht beeinträchtigt.« Nach nd-Informationen ist der Schaden im zeitlichen Zusammenhang mit den Covivio-Baugrubenarbeiten entstanden.

Am 7. Oktober 2022 mussten die Berliner Verkehrsbetriebe (BVG) am Alexanderplatz das Gleis für die Züge der U2 in Richtung Pankow sperren. Die Messfühler im Tunnel hatten einen alarmierenden Wert gemeldet: Um 3,8 Zentimeter war das Bauwerk dort abgesackt. Grundwasser hatte wohl die Wand der 20 Meter tiefen Baugrube für das direkt neben dem U-Bahn-Tunnel im Bau befindliche Hochhaus so weit eingedrückt, dass Erdreich unter dem U-Bahn-Gleis wegrutschte.

Covivio hat noch nicht juristisch anerkannt, dass die Bauarbeiten für den 130-Meter-Turm für den Schaden verantwortlich sind. Doch wegen einer vor Baubeginn geschlossenen sogenannten nachbarschaftlichen Vereinbarung übernimmt das Unternehmen die Sanierungsarbeiten. Das Konzept lag im Februar vor, damals waren die Kosten auf rund 10 Millionen Euro geschätzt worden. Mit Zementinjektionen wird zunächst der Boden stabilisiert und anschließend der Tunnel wieder angehoben, so der Plan, der seit März umgesetzt wird.

Ende August, so die Hoffnung, soll der Pendelverkehr ein Ende haben und die U2 wieder wie gehabt fahren. Seit Oktober 2022 fährt ein Pendelzug im Viertelstundentakt zwischen Senefelderplatz und Klosterstraße. Die Fahrgastzahlen sind eingebrochen. Am vergangenen Mittwoch berichtete Verkehrs-Staatssekretärin Britta Behrendt (CDU) laut »Berliner Morgenpost«, dass die Arbeiten planmäßig vorankämen. Eine Garantie, dass Ende August die Züge wieder fahren können, gebe es aber nicht.

Die Schäden am U-Bahnhof Alexanderplatz könnten weitaus größer sein als bisher öffentlich bekannt. Ein langjähriger Kenner der U-Bahn sagt, dass die Beschädigung des Tunnels schlimmer sei als durch Bombentreffer im Zweiten Weltkrieg. Damals sei zwar die Tunneldecke zerstört worden, aber nicht das Fundament, wie nun durch die Absackung. Auch die »Berliner Zeitung« berichtet aktuell von größeren Schäden und einem möglichen »Totalschaden«.

Laut nd-Informationen soll die Verbindungsfuge zwischen dem 1913 eröffneten Bahnhof der U2 und dem 1930 fertiggestellten Bahnsteig der U5 gerissen sein. Das könnte die Ursache für das einsickernde Wasser sein. Denn der Bereich liegt direkt unter der U2. Dauerhaft abdichten ließe sich so ein Schaden nur von außen, heißt es. »An dieser Stelle bedeutet das Abriss und Neubau«, sagen Experten.

Fraglich soll auch sein, ob der Tunnel der U2 einfach so wieder angehoben werden kann. Zur Bauzeit wurde der Beton noch nicht armiert, also mit den von heutigen Baustellen bekannten Stahlgittermatten versehen, die dem spröden Baustoff eine größere Tragfähigkeit verleihen. Ohne die Stahlgitter gibt es nichts, was einmal gebrochenen Beton noch zusammenhalten würde. Bei der Anhebung droht ein weiteres Zerbröseln.

Covivio hat ein großes finanzielles Interesse, die bis zur abgeschlossenen Sanierung ruhenden Bauarbeiten für das Hochhaus wieder aufzunehmen. Schon jetzt ist der Fertigstellungstermin von 2025 auf 2026 verschoben worden. Der finanzielle Schaden durch den Baustopp dürfte höher sein als die bisher genannten Reparaturkosten am Tunnel der U2.

Sollte der Schaden am U-Bahnhof Alexanderplatz wesentlich größer sein als bisher bekannt, dürfte das Risiko des geplanten Hines-Towers, der auf dem Tunnel der U5 am Alexanderplatz wachsen soll, noch einmal neu bewertet werden. Erst vor ein paar Tagen antwortete die Senatsbauverwaltung auf eine Schriftliche Anfrage der Linke-Stadtentwicklungspolitikerin Katalin Gennburg, dass die daraus für die U-Bahn resultierenden »Risiken weitest möglich ausgeschlossen« sein.

Die BVG hielt sich Anfang Juni noch sehr bedeckt. Auf nd-Anfrage ließ sie sich sechs Tage Zeit, um zu erklären, dass Covivio der Ansprechpartner für Fragen zur Reparatur des Tunnels der U2 sei.

Auch Covivio hat diesen Montag geantwortet. Aufhorchen lässt folgender Satz der Stellungnahme: »Nach der erfolgreichen Stabilisierung erfolgt nun in Abstimmung mit den Gutachtern, der Technischen Aufsichtsbehörde und der BVG die Feinplanung, ob eine Anhebung noch erforderlich ist und wenn ja in welchem Umfang«, teilt Sprecherin Barbara Lipka mit. Ob die möglichen Probleme mit dem Bauwerk insgesamt dazu führen, dass auf eine Anhebung möglicherweise verzichtet wird, bleibt offen.

Immerhin erklärte die BVG vergangene, dass ein durch einen stillgelegten Kanal verursachter Wasserschaden in der Nähe des beschriebenen Bereichs inzwischen abgedichtet ist. Die Arbeiten seien »an der Oberfläche abgeschlossen. Aktuell werden nur noch letzte Renovierungsarbeiten wie Putz- und Malerarbeiten im U-Bahnhof durchgeführt.«

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