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JVA Ravensburg: Unhaltbare Zustände?
Gefangene der JVA Ravensburg äußern in einem offenen Brief heftige Kritik an ihren Haftbedingungen
Schikanen, eingeschränkte Dusch- und Besuchszeiten und unzureichende medizinische Versorgung: Es sind harte Vorwürfe, die jüngst 34 Gefangene der Justizvollzugsanstalt (JVA) Ravensburg in einem offenen Brief erhoben haben. »Das wichtigste Ziel des Justizvollzugs sollte es sein, bei jedem Gefangenen die Grundlage für ein straffreies Leben nach der Haft zu schaffen«, erklärten die Gefangenen in ihrem Schreiben, das dem »nd« vorliegt. »Wir sind der Meinung, dass sich die Anstalt, beziehungsweise ihre Mitarbeiter, auf unterschiedliche Weise diesem Ziel in den Weg stellen.«
Was werfen die Insassen der Anstalt in der schwäbischen Kleinstadt vor? Zunächst sei die Telekommunikation mit bestimmten Ländern nicht möglich. Betroffen seien mindestens Serbien, Bosnien, Kroatien, Slowenien und Albanien. Für eine erfolgreiche Resozialisierung sei jedoch der Kontakt zu Familie und Freund*innen sehr wichtig, so die Gefangenen. Zudem sei es ihnen nicht mehr erlaubt, nach der Arbeit, an Wochenenden oder vor Besuchen zu duschen. »Es geht nicht um Luxus, sondern um allgemeine Hygiene«, heißt es weiter im Brief. Auch bei den Besuchsregeln gebe es Einschränkungen. Während in der Gesellschaft alle Corona-Maßnahmen aufgehoben wurden, würden sie in der JVA weiterhin gelten. Bei Besuchen sei es nötig, eine Maske zu tragen. Körperlicher Kontakt sei auf eine kurze Umarmung bei Begrüßung und Verabschiedung beschränkt. Zudem sei die Besuchsdauer »von bis zu viermal 3 Stunden auf zweimal 1 Stunde im Monat reduziert worden. Auch die Besuche an den Wochenenden wurden abgeschafft«, so die Gefangenen.
Die JVA Ravensburg prüfe die Vorwürfe »im Rahmen der Dienst- und Fachaufsicht eingehend«, teilt Christiane Möller, die stellvertretende Anstaltsleiterin, auf »nd«-Nachfrage mit. Bei den Telefonverbindungen macht sie »Kapazitätsengpässe beim externen Dienstleister für die Gefangenentelefonie« verantwortlich. Es werde »auf eine schnelle Beseitigung gedrungen«. Die Duschzeiten seien aufgrund von »Maßnahmen zur Energieeinsparung« reduziert worden, eine »allgemeine Beschränkung« bestehe jedoch nicht mehr. Auch bezüglich der Besuchszeiten widerspricht Möller den Gefangenen. Eine Maskenpflicht bestehe nicht mehr und die Besuchsmöglichkeiten würden »im Rahmen der personellen Möglichkeiten erweitert«, so die stellvertretende Anstaltsleiterin.
Ein Unterzeichner des offenen Briefs ist der Stuttgarter Antifaschist mit dem Pseudonym Jo. Er sitzt seit August 2022 eine viereinhalbjährige Haftstrafe in Ravensburg ab, zu der ihn das Oberlandesgericht Stuttgart verurteilt hat. Er soll im Mai 2020 bei einer »Querdenken«-Demonstration in Stuttgart Neonazis angegriffen haben. Im selben Prozess wurde der Antifaschist Dy zu fünfeinhalb Jahren verurteilt. Das Verfahren sei ein »Lehrbuchbeispiel für politische Justiz« gegen Antifaschist*innen gewesen, kritisierte damals Anja Sommerfeld vom Bundesvorstand der Roten Hilfe. Es weise Parallelen zum »Antifa Ost«-Verfahren gegen Lina E. und drei Männer auf, die kürzlich zu mehrjährigen Haftstrafen verurteilt wurden.
Jo und Dy werden weiterhin von einer Solidaritätsgruppe unterstützt. »Antifaschistisch zu kämpfen bedeutet für uns auch, hier solidarisch gegen Repression zu stehen«, heißt es in einer Stellungnahme der Gruppe. »Es ist klar, dass wir unsere Genoss:innen im Knast nicht im Stich lassen und gemeinsam auf beiden Seiten der Knastmauer weiterkämpfen.« Der offene Brief scheint nun eine solche Möglichkeit zu sein, um auch in Haft weiter aktiv zu sein. Bereits kurz nach Antritt seiner Strafe hatte Jo über die Haftbedingungen in Ravensburg geschrieben. Schon damals waren die Gefangenen von Sparmaßnahmen betroffen: Die Duschzeiten wurden beschränkt und nachts die Raumtemperatur auf 16 Grad gesenkt.
In der Kritik stand die JVA Ravensburg mit rund 370 Gefangenen auch da nicht zum ersten Mal. Bereits 2011 wurde ein Gefangener rechtswidrig in ein »Kellerverlies« ohne frische Luft und ohne Tageslicht gebracht. 2016 nahmen sich binnen einer Woche zwei Häftlinge das Leben, und 2017 soll ein JVA-Bediensteter Datenträger mit rechtsradikalem Inhalt an Häftlinge verteilt haben.
Die Gefangenen haben ihre Beschwerde auch an den baden-württembergischen Landtag und das Justizministerium geschickt. Anfragen bei der Anstaltsleitung hätten nicht zu einer Verbesserung der Situation geführt. Den Gefangenen gehe es, wie sie selbst schreiben, nicht darum, »im Vollzug verwöhnt« zu werden. Sie stellten nur Mindestanforderungen an menschenwürdige Haftbedingungen.
Die Solidaritätsgruppe hat für Samstag um 13 Uhr eine Kundgebung vor der JVA angekündigt. Sie soll noch einmal öffentlich auf die Haftbedingungen aufmerksam machen, so die Gruppe.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft
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