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Donald Trump: Kriegspläne auf dem Klo
Die Anklageschrift gegen Donald Trump im Dokumentenskandal ist vernichtend. Der Ex-Präsident könnte aber Glück im Unglück haben
Es ist eine klassische Trump-Geschichte: eigentlich viel zu absurd, um wahr zu sein. Sollten die Anklagepunkte, die am Dienstag in Miami vorgetragen wurden, zutreffen, hat der Ex-Präsident offenbar nicht nur Militärgeheimnisse in großem Umfang aus dem Weißen Haus mitgenommen. Er hat sie auch vor seinen eigenen Anwälten versteckt, die sie eigentlich auf Aufforderung der Bundesregierung zurückgeben wollten. Und zwar auf einer Toilette seines Landsitz Mar-a-Lago in Südflorida.
Eine vollständige Liste der entwendeten Dokumente liegt nicht vor, auch wissen die Bundesbehörden aller Wahrscheinlichkeit nach noch gar nicht, ob sie das entwendete Material vollständig zurückerhalten haben. Doch handelt es sich offenbar um einige der wichtigsten US-Militärgeheimnisse, etwa Details zum Atomprogramm und einen vollständig ausgearbeiteten Plan des Pentagon für den Fall eines Kriegs mit dem Iran. Ausländische Regierungen hätten ein enormes Interesse daran, solches Material zu erbeuten. Bereits 2019 war eine chinesische Staatsbürgerin bei einem Einbruchsversuch in Mar-a-Lago ertappt worden, in ihrem Hotelzimmer wurden elektronische Geräte zum Aufspüren von Überwachungskameras gefunden.
Die Anklage des Sonderermittlers Jack Smith stützt sich auf eine Fülle von Beweismaterial, unter anderem zahlreiche Zeugenaussagen von Personen in Trumps Umfeld, aber auch Audio- und Videoaufnahmen. Auf einer Tonaufnahme gibt der Ex-Präsident offen zu, dass das Material weiterhin geheim sei: »Als Präsident hätte ich die Geheimhaltung aufheben können, aber jetzt nicht mehr«, so Trump in der Aufnahme, die dem Fernsehsender CNN als Transkript vorlag. Beobachter*innen des Verfahrens werten dies als starkes Indiz dafür, dass er sich der Rechtswidrigkeit seines Handelns bewusst war. Bei einer Verurteilung droht Trump eine lange Haftstrafe – er könnte den Rest seines Lebens im Gefängnis verbringen.
Trumps Verhalten in dem Fall wirkt auch deshalb so bizarr, weil seine Motive möglicherweise weder finanziell noch politisch sind. Smiths Anklageschrift nennt dazu keine explizite Theorie, deutet aber eine an: Ein Rachefeldzug gegen Generalstabschef Mark Milley, von dem sich Trump offenbar in seiner Autorität als Präsident untergraben fühlte. Trump soll Informationen aus den Geheimdokumenten verwendet haben, um Milley in der Presse bloßzustellen.
Kopfzerbrechen macht sowohl der Staatsanwaltschaft als auch den Demokraten der Umstand, dass für den Fall die konservative Richterin Aileen Cannon zuständig ist, die bereits zu einem früheren Zeitpunkt im Ermittlungsverfahren für Trump sehr günstige Entscheidungen gefällt hatte. Dabei berief sie sich auf angebliche Sonderrechte von Ex-Präsidenten, für die es aber keine gesetzliche Grundlage gibt (das US-amerikanische Rechtssystem basiert auf dem britischen Common Law, in welchem Präzedenzfälle und die richterliche Interpretation der Gesetzgebung eine größere Rolle spielen als etwa im deutschen). Das Bundesberufungsgericht im 11. Bezirk, das ebenfalls als sehr konservativ gilt, hatte sie für dieses Vorgehen gerügt, eine Entscheidung, wie von zwei von Trump ernannten Richtern gefällt wurde. Ein von George W. Bush ernannter Kollege pflichtete ihnen bei.
Es bleibt abzuwarten, ob Richterin Cannon sich dazu entschließt, den Fall wegen Befangenheit abzugeben. Sollte sie sich dagegen entscheiden, könnte Sonderermittler Smith versuchen, dies einzuklagen, was aber als schwierig gilt. Die Wahrscheinlichkeit, dass sich die konservative Richterin am Ende mit dem Fall beschäftigen wird, ist nicht gering. Sie müsste durch Verfahrensverzögerungen lediglich dafür sorgen, dass es vor dem Wahltermin im November 2024 zu keiner Verurteilung kommt. Sollte Trump die Wahl gewinnen, greift dann die Immunität für amtierende Präsidenten. Das Verfahren würde dann für die gesamte vierjährige Amtszeit von Trump ruhen, es sei denn, der Präsident tritt zurück oder der Kongress strengt ein Amtsenthebungsverfahren an. Eine erneute Wiederwahl von Trump 2028 schließt die Verfassung aus, da US-Präsidenten nur für maximal zwei Wahlperioden regieren dürfen.
Denkbar ist sogar, das sich Trump nach gewonnener Wahl selbst begnadigt, hierbei ist irrelevant, ob das Verfahren bereits abgeschlossen ist. Was genau in einem solchen Fall geschehen würde, ist unklar. »Wir befinden uns dann auf unbekanntem (juristischem) Gebiet«, so der Jurist Eugene Mazo gegenüber dem Magazin »Politico«.
Trump könnte im Extremfall sogar aus dem Gefängnis herausgewählt werden – es gibt keine Regeln auf Bundesebene, die dies verhindern würden, und die Bundesstaaten dürfen in das passive Bundeswahlrecht nicht eingreifen. Die meisten Verfassungsexpert*innen gehen davon aus, dass in einem solchen Fall das öffentliche Interesse daran, dass ein gewählter Präsident sein Amt antritt, vor den Interessen der Strafverfolgung Vorrang genießen würde.
Im Lager der Republikaner hält man sich entweder bedeckt oder kritisiert das Verfahren offen. Vor allem die Anklage nach Spionageparagrafen trifft hier auf Widerspruch. Tatsächlich üben viele Jurist*innen seit Langem Kritik am »Espionage Act« – das Gesetz, welches sich unter anderem mit dem Umgang mit Staatsgeheimnissen beschäftigt, lade geradezu dazu ein, für politische Zwecke missbraucht zu werden. Bei Trumps Vergehen handle es sich um administrative Fehler, mehr nicht, betonen die Konservativen.
»Manche mögen ihn abgrundtief hassen, aber er ist kein Spion«, so der republikanische Senator Lindsey Graham aus South Carolina gegenüber CNN. Durch die »lächerliche« Anklage werde ein falscher Eindruck erweckt. »Schauen Sie sich doch nur an, wer sonst noch unter dem Espionage Act angeklagt worden ist: Julian Assange, Edward Snowden, Chelsea Manning – Leute, die geheime Informationen an die Medien weitergegeben haben, um dem Land zu schaden oder sie einer ausländischen Regierung zuzuspielen. Das ist hier nicht der Fall«, so Graham.
Die Konservativen monieren ebenfalls, das Verfahren gegen Trump beruhe auf doppelten Standards. Auch bei Präsident Biden seien Geheimdokumente in Privatwohnungen aufgetaucht. Doch es besteht ein gewichtiger Unterschied: Biden hat allem Anschein nach mit den Behörden vollumfänglich kooperiert und das Material zurückgegeben, bei Trump erfolgte dies nur teilweise, er behielt kistenweise Dokumente. Dass Trump dabei vorsätzlich handelte, muss die Anklage nun beweisen – doch die Audioaufnahmen des Ex-Präsidenten sprechen eine deutliche Sprache.
Auf die Umfragen zu den republikanischen Vorwahlen hatte das neuste Verfahren gegen Trump bisher noch keine deutlichen Auswirkungen. Der Ex-Präsident führt immer noch deutlich und kann in den meisten Erhebungen die absolute Mehrheit der Wähler*innen hinter sich versammeln. Die Basis der Republikaner sieht das Verfahren gegen Trump als politisch motiviert – und geht mit ihm durch Dick und Dünn.
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