- Kultur
- Ulrike Demmer
Neue RBB-Intendantin Ulrike Demmer: Fern von Staat und Zuschauern
Die ehemalige Vize-Regierungssprecherin Ulrike Demmer wurde zur neuen RBB-Intendantin gewählt
Der Rundfunk Berlin-Brandenburg (RBB) ist bekannt für sein ausgesprochen mäßiges Fernsehprogramm. Am Freitagabend bot er jedoch großes Kino, allerdings bedauerlicherweise nicht in der Glotze, sondern hinter verschlossenen Türen in seinem Rundfunkrat. Dieser wählte unbeirrt eine neue Intendantin, obwohl das Auswahlverfahren zu einer Farce verkommen war. Nachdem andere bereits im Vorfeld das Handtuch geworfen hatten, zog nach dem zweiten Wahlgang mit der früheren Vodafone-Managerin Heide Baumann auch noch die letzte Mitbewerberin ihre Kandidatur zurück. Nun gänzlich ohne Konkurrenten erhielt Ulrike Demmer im Rundfunkrat 16 Stimmen und damit die erforderliche Zwei-Drittel-Mehrheit. Von 30 Mitgliedern des Rundfunkrats waren 25 erschienen, von denen einer die Sitzung auch noch vorzeitig verließ.
Ulrike Demmer ist für fünf Jahre zur Intendantin bestimmt. Wann genau sie ihr Amt als neue Senderchefin antritt, »steht noch nicht fest«, informierte der RBB exklusiv, was ihm in diesem Fall nicht schwer gefallen sein dürfte. »In den kommenden Tagen soll ein Arbeitsvertrag ausgehandelt werden«, hieß es. »Zuständig dafür ist der RBB-Verwaltungsrat, der den Sender in wirtschaftlichen und finanziellen Fragen berät und kontrolliert.«
Hierbei dürfte auch die leidige Gehaltsfrage eine Rolle spielen. Die nach Anschuldigungen der Vetternwirtschaft am 22. August vergangenen Jahres rausgeworfene Intendantin Patricia Schlesinger hatte zuletzt nach einem Aufschlag von 16 Prozent stolze 303 000 Euro im Jahr kassiert. RBB-Verwaltungsratschef Benjamin Ehlers spricht jetzt von einem Korridor für die Höhe des künftigen Intendantenlohns, der sich zwischen 180 000 und 230 000 Euro bewegt. Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) hatte wenige Tage vor der Intendantenwahl in einem Brief an Ehlers eine Deckelung der Bezüge bei 180 000 Euro angeregt. Woidke musste sich deswegen eine ungehörige Einmischung in die Angelegenheiten des Senders vorwerfen lassen. Nun hielt sich die SPD auffällig zurück und verschickte im Gegensatz zu anderen Parteien nicht einmal eine Pressemitteilung mit einer Reaktion zur Wahl von Ulrike Demmer.
Nicht via Pressemitteilung, sondern mündlich äußerte sich am Samstag Alexander King, der zur Linksfraktion im Berliner Abgeordnetenhaus gehört. »Das ganze Auswahlverfahren war chaotisch und stand unter keinem guten Stern«, bedauerte King. »Viele Akteure haben daran mitgewirkt, dass es so ungut gelaufen ist. Ich hätte es gut gefunden, das Verfahren an einem bestimmten Punkt abzubrechen und neu aufzusetzen.« Spätestens, als nur noch zwei Bewerberinnen übrig waren, hätte man das tun sollen, meinte der Abgeordnete. Die Einmischung von Ministerpräsident Woidke bezeichnete King als unpassend, auch wenn er das Anliegen, die hohen Intendantenbezüge zu begrenzen, durchaus teile. Die Wahl von Demmer möchte King keineswegs »delegitimieren«, wie er versicherte. Er wünsche ihr viel Glück bei der schwierigen Aufgabe, den von Patricia Schlesinger hinterlassenen Scherbenhaufen wegzuräumen. Dazu gehört bei dem hoch defizitären Sender ein 49-Millionen-Euro-Sparprogramm.
Auch Petra Budke, Fraktionschefin der Grünen im Brandenburger Landtag, wünscht Demmer »viel Erfolg, Ausdauer und eine kraftvolle Herangehensweise«. Denn es gelte, die Strukturen und Prozesse aufzulösen, die zu Verschwendung geführt haben, erklärte Budke. Wichtig ist nach Ansicht der Politikerin auch, die freien Mitarbeiter des Senders »angemessen einzubinden«. Die Vertretung der Freien hatte noch unmittelbar vor der Wahl von Demmer ein neues Bewerbungsverfahren gefordert.
Ihre Kandidatur zurückgezogen hatten Juliane Leopold, die einen Chefredakteursposten bei der ARD einnimmt, und Jan Weyrauch, Programmdirektor von Radio Bremen. Weyrauch befürchtete, dass es bei Vertragsverhandlungen mit ihm keine Einigung gegeben hätte, auch wenn er bereit gewesen wäre, Abstriche in Kauf zu nehmen. Der Nachrichtenagentur dpa sagte Weyrauch dazu, es seien Vorstellungen zur Gehaltsspanne des Intendanten ins Spiel gebracht worden, »bei denen ich auch aus strategischen Überlegungen für die Folgewirkung auf das gesamte Gehaltsgefüge im RBB bei allem Verständnis für den sorgsamen und sparsamen Umgang mit Beitragsgeldern nicht mitgehen kann«.
Nach Einschätzung der Freien Wähler befindet sich der RBB in einer »Glaubwürdigkeitskrise unvorstellbaren Ausmaßes«. Im RBB-Untersuchungsausschuss des Landtags seien am Freitag unhaltbare Zustände bekannt geworden. So habe eine Referatsleiterin der Potsdamer Staatskanzlei einräumen müssen, dass der Sender Weihnachtsfeiern veranstaltete, zu denen die Rechtsaufsicht eingeladen worden waren und für die Geschenke bereitgelegt worden sind. Es liege auf der Hand, dass so eine kritische Kontrolle nicht funktionieren könne. Fraktionschef Péter Vida schlug vor, dass die neue Intendantin ihr erstes Monatsgehalt an eine Antikorruptionsorganisation spendet. »Das wäre mal ein zeitgemäßer Schritt«, sagte er.
Matti Karstedt von der brandenburgischen FDP wünscht Demmer indessen ebenfalls »gutes Gelingen bei allen nun anstehenden Aufgaben«. Er erwartet von ihr, »dass sie nun die gesamte Struktur des RBB in der bestehenden Form hinterfragt und einen Kurs umfassender Reformen einschlägt«. Von diesen Überlegungen dürfe ihre eigene Funktion nicht ausgenommen sein. »Opulente Strukturen, zweifelhafte Programmentscheidungen und ein ausufernder Finanzbedarf führten in der Vergangenheit dazu, dass immer mehr Menschen das Vertrauen in den RBB verloren haben«, sagte Karstedt. »Als Intendantin trägt Demmer nun eine besondere Verantwortung dafür, dieses wieder zurückzugewinnen.«
Die Ablösung der früheren Intendantin Patricia Schlesinger ins Rollen gebracht hatte das Magazin »Business Insider«. Vorgeworfen wurde ihr beispielsweise ein teurer Dienstwagen mit Massagesitzen, der gewöhnlich 145 000 Euro kostet. Dazu neun Einladungen an drei bis elf Gäste zum Essen in ihre Privatwohnung, abgerechnet als Spesen beim Sender. Außerdem stehen fragwürdige Beraterverträge und ein laxer Umgang mit den Regeln zur Kollision privater und beruflicher Interessen in der Kritik. In der Mitteilung des RBB zur Wahl der neuen Intendantin Ulrike Demmer liest sich das jetzt so: »Schlesinger steht im Verdacht, als Intendantin öffentliche Gelder veruntreut zu haben, zudem wird ihr eine unseriöse Finanzplanung vorgeworfen. Die Berliner Staatsanwaltschaft ermittelt in der Sache gegen Schlesinger und weitere Beschuldigte.« Schlesinger selbst bestreitet die Vorwürfe. Einstweilen gilt die Unschuldsvermutung.
Bis Ulrike Demmer spätestens am 15. September loslegt, führt die Interims-Intendantin Katrin Vernau die Geschäfte weiter. Vernau hatte zwar ihre Bereitschaft bekundet, noch viel länger weiterzumachen, sich aber nicht förmlich darum beworben – und war damit aus dem Rennen um den Intendantenposten.
Dass mit der neuen Intendantin eine Frau übernimmt, die von 2016 bis 2021 von der SPD eingesetzte stellvertretende Sprecherin der schwarz-roten Bundesregierung unter Kanzlerin Angela Merkel (CDU) gewesen ist, trägt nach Ansicht des Linke-Abgeordneten Alexander King nicht dazu bei, den Anspruch des öffentlich-rechtlichen Rundfunks auf Staatsferne zu stärken. Das müsse Ulrike Demmer jetzt beweisen, dass sie die Staatsferne hinbekomme, sagte er.
Die neue Intendantin selbst erinnerte: »Ich war vorher 20 Jahre Journalistin, ich habe kein Parteibuch, ich habe nie eins gehabt.« Das Zwischenspiel als Vize-Regierungssprecherin bezeichnete die 50-Jährige als »sehr bereichernden Ausflug auf die andere Seite«, bei dem sie viel gelernt habe und den sie deshalb auch nicht bereue. Sie stehe aber ganz sicher für kritischen und unabhängigen Journalismus. »Der RBB ist staatsfern und unabhängig und soll auch staatsfern und unabhängig berichten«, versicherte Demmer laut dpa. »Das wird mit mir als Intendantin auch so bleiben.«
Mit Radioeins, Inforadio und Radio Fritz strahlt der RBB gute Radioprogramme aus. Um sein Fernsehprogramm ist es dagegen schlecht bestellt. Kein anderes drittes Programm der öffentlich-rechtlichen Sender hat schlechtere Einschaltquoten in seinem Sendegebiet. Vergangenes Jahr erreichte der RBB im Durchschnitt nur einen Marktanteil von 5,6 Prozent und im laufenden Jahr steht er mit 5,9 Prozent kaum besser da. Zum Vergleich: Der bei seinen Zuschauern beliebte Mitteldeutsche Rundfunk (MDR) kommt aktuell auf 10,0 Prozent. Der RBB jedoch schafft selbst durch die Ausstrahlung der vom MDR übernommenen Arztserie »In aller Freundschaft« keine besseren Quoten. Die Folge am Freitag um 16.14 Uhr erreichte einen Marktanteil von 3,0 Prozent. Damit hatten lediglich 22 000 Berliner und Brandenburger zugeschaut – in einer Region mit immerhin 6,6 Millionen Einwohnern. Einzige Ausnahme sind die Nachrichtensendungen »Abendschau« und »Brandenburg aktuell«, die es regelmäßig auf rund 30 Prozent Marktanteil oder mehr bringen.
Der RBB entstand im Mai 2003 durch die Fusion der Sender Freies Berlin (SFB) und Ostdeutscher Rundfunk Brandenburg (ORB).
Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.
Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.
Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.
Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.