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Pistorius und Stoltenberg in Flensburg: Posieren vor Kriegsgerät
Nato-Chef und Bundesverteidigungsminister besuchen Panzerbauer
Wenn es um Visiten bekannter Politiker ging, war Flensburg bislang nie erste Wahl. Nun aber macht die Stadt an der Förde von sich reden: Die Flensburger Fahrzeugbau-Gesellschaft, kurz FFG, ist aktuell der wichtigste europäische Lieferant von »Kampffahrzeugen für die Ukraine«. Das stellte Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg persönlich am Dienstagnachmittag bei einem Werksbesuch fest. Gemeinsam mit Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) schaute er sich an, wie Fachleute der FFG aus alten Panzern (fast) neue zusammenschrauben.
Hinter der unscheinbaren grauen Häuserfassade in der Werftstraße stehen die Fabrikhöfe voller Kisten. Inhalt: Motoren, Getriebe, Wärmetauscher für diverse Panzermodelle. In den Hallen wird geschweißt, gehämmert, getestet. Vor einem der Rolltore wird eine Auswahl der hier montierten Maschinen drapiert: ein Brückenleger »Biber«, die Pioniermaschine »Dachs«, ein Kampfpanzer »Leopard«, ein Trägerfahrzeug »Wisent« mit einem gigantischen Minenräumgerät am Bug.
Obwohl alles nagelneu wirkt, handelt es sich um altes Gerät. Es wurde wieder funktionsfähig gemacht für den Krieg in der Ukraine. Der Kampfpanzer »Leopard 1A5« – von dem Typ werden dieses Jahr 80 Stück in die Ukraine geschickt –, sei zwar »alt, aber noch immer ein außerordentlich wertvolles System«, so Pistorius. Da es offenbar gelungen ist, die rar gewordene Munition für die alten »Leos« zu beschaffen, werden 2024 weitere 30 an Kiew geliefert.
Bei FFG freut man sich über die Anerkennung. Jahrelang habe man die Panzer unter Planen versteckt. Man sei gemieden worden, »als ob wir Pornos drehen oder mit Drogen handeln«, klagte ein Mitarbeiter aus der Chefetage über die nun vergangenen Zeiten. Obwohl der Betrieb seit Jahrzehnten getreulich Aufgaben für die Bundeswehr erledige, habe man um jeden Auftrag betteln müssen. Das ist Geschichte. Jetzt kommt man kaum noch hinterher mit dem Abarbeiten der Bestellungen; Delegationen aus dem In- und Ausland geben sich die Klinke in die Hand.
Auch Pistorius und Stoltenberg zeigen sich beeindruckt von der Militärtechnikparade. In Jeans und mit aufgekrempelten Hemdsärmeln stellen sie sich vor einen »Wisent«. Mit dem können Soldaten Gassen in Minenfelder schneiden, geschützt durch Flensburger Wertarbeit – wenn sie Glück haben.
Die Fahrzeuge aus Flensburg hälfen den Ukrainern, »Leben zu retten, Territorium zurückzugewinnen und die russische Aggression zurückzudrängen«, sagte Stoltenberg. Das Geschehen auf den Schlachtfeldern in Osteuropa nannte er offen einen »Abnutzungskrieg«. Der werde nun »zum Krieg der Logistik«. Wolle man langfristig auf neue Herausforderungen vorbereitet sein, müsse man »Unternehmen wie der FFG und der deutschen Verteidigungsindustrie vertrauen«, so der Nato-Chef. Bereits jetzt kämpften ukrainische Soldaten mit Fahrzeugen, die in Flensburg kriegstauglich gemacht wurden. Auf Fotos von den Fronten sind freilich auch zahlreiche Panzerwracks zu erkennen.
Die gepanzerten Fahrzeuge werden aus einem 5,4 Milliarden Euro schweren Paket bezahlt, das Deutschland der Ukraine in diesem Jahr für Ausrüstung und Waffen bereitstellt. Die FFG hatte 2010 vom dänischen Militär ausgemusterte »Leo 1« zum Stückpreis von 13 000 Euro aufgekauft. Nun berechnet man ein Vielfaches für die »Auffrischung«.
Stoltenberg und Pistorius suchten das FFG-Werk unmittelbar nach einer Visite auf dem Fliegerhorst Jagel, 45 Kilometer südlich von Flensburg, auf. Dort hatten sie sich bei den Militärs über den Fortgang des multinationalen Großmanövers »Air Defender 23« informiert. Es findet im deutschen Luftraum statt und dauert noch bis zum Freitag. Pistorius bezeichnete das Manöver als »großen Erfolg« und betonte, es sei notwendig, »weil Freiheit und Sicherheit hart erarbeitet und im Zweifel auch verteidigt werden müssen«.
Ähnlich äußerte sich Stoltenberg. Der Nato-Generalsekretär dankte Deutschland für seine »Führungsrolle« bei der Lieferung militärischer, finanzieller und humanitärer Hilfe an die Ukraine. Er begrüßte erneut die Selbstverpflichtung der Bundesregierung, ab 2024 das von der Nato vorgegebene Ziel zu erreichen, zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts für die Verteidigung auszugeben. Zugleich betonte er, er sehe die zwei Prozent eher als Untergrenze an.
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