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Versuchter Mord unter Nazis
Im Prozess gegen Peter Werner S. kommen neue Details zum Vorschein
Der Mann auf dem Zeugenstuhl schluchzt, seine Anwältin beugt sich zu ihm und versucht, ihn zu beruhigen. »Das ist alles Vergangenheit«, flüstert sie. »Der kann Ihnen nichts mehr tun.« Gerade hat der 48-Jährige erzählt, was ihm passiert sein soll, als er sich vor mehr als einem Vierteljahrhundert aus der Neonazi-Szene von Saarlouis verabschiedet hatte. Er habe ermordet werden sollen, so der Zeuge. Und zwar von jenem Mann, der nur wenige Meter von ihm entfernt auf der Anklagebank im Koblenzer Oberlandesgericht sitzt: Peter Werner S., ehemaliger Aktivposten der neonazistischen Skinhead-Szene im Saarland und wegen des rassistischen Mordes an Samuel Yeboah vor fast 32 Jahren angeklagt.
Seine Beteiligung am Brandanschlag auf eine Geflüchtetenunterkunft in Saarlouis am 19. September 1991, bei der Samuel Yeboah starb, hat der Angeklagte mittlerweile gestanden. Doch wenn es stimmt, was der um Fassung ringende Zeuge am Dienstag berichtet, dann hat Peter Werner S. später noch einmal versucht, einen Menschen zu ermorden.
Stiefeltritte und Ignoranz der Polizei
Eine Gruppe von Neonazis, darunter der heute 52 Jahre alte Angeklagte, sei eines Nachmittags in der Wohnung seiner Freundin in Dillingen aufgetaucht, berichtet der Zeuge. Dorthin habe er sich nach einem anonymen Drohanruf geflüchtet. Die Neonazi-Gruppe habe randaliert, Möbel umgeworfen und mit Springerstiefeln auf ihn eingetreten. Und Peter Werner S. habe versucht, ihn über die Balkonbrüstung zu stoßen. Aus dem dritten Stock. Warum? »Ich weiß es nicht«, sagt der Mann. »Ich vermute, weil ich mich von der Szene distanziert hatte.« All dies soll sich 1996 abgespielt haben.
Nach dieser Zeugenaussage betritt ein Mann den Gerichtssaal, der damals zu den Angreifern gehörte – und bestätigt die Geschichte. »An dem Tag hieß es, dass er eine Packung bekommen soll«, sagt der 46-Jährige aus Merzig, der während seiner Zeit als Neonazi, wie er offen zugibt, auch selbst gerne zugeschlagen hat. Doch der Angriff auf den früheren Kameraden habe ihn »stark geschockt«, beteuert er. »Herzzerreißend«, sagt er, habe der Mann geschrien. »Das habe ich noch nie in meinem Leben erlebt.«
Ermittelt wurde nach diesem mutmaßlichen Mordversuch jedoch offenbar nie. Die von Nachbarn gerufene Polizei soll sich damit zufriedengegeben haben, dass der Angegriffene – »aus Angst«, wie er erklärt – keine Anzeige erstatten wollte. Die Polizei zog daraufhin wieder ab. Dabei hätten die Beamten bei einem derart gravierenden Tatverdacht von Amts wegen ein Verfahren einleiten müssen. Ungewöhnlich wäre eine derartige Ignoranz zu jener Zeit jedoch nicht: Auch nach dem Brandanschlag in Saarlouis hatte die Polizei nur sehr halbherzig in der rechten Szene ermittelt.
Mit diesem Anschlag wollen die beiden Zeugen jedoch selbst nichts zu tun gehabt haben. Beide wollen erst nach dieser rassistischen Tat in die Szene gekommen und recht schnell wieder ausgestiegen sein. Sie erinnern sich aber an Treffen der Saarlouiser Skinheads in den frühen 90er Jahren, bei denen Zeitungsartikel über den Brandanschlag hervorgekramt worden seien – begleitet von »zynischem Grinsen« oder »schelmischem Lachen« des Angeklagten. »Die Vermutung war immer, dass er was damit zu tun hatte«, sagt der 48-jährige Zeuge. Doch war es Peter Werner S. allein?
Weitere Ermittlungen zu Brandanschlag
Die Bundesanwaltschaft ermittelt noch gegen zwei weitere Männer: gegen Heiko S., einen wenige Jahre nach dem Anschlag aus der Szene ausgestiegenen Ex-Neonazi, den der Angeklagte in seinem Geständnis zum Haupttäter erklärt hat. Und gegen Peter St., den langjährigen Anführer der Saarlouiser Neonazis, den er von jeglicher Mitwisserschaft oder gar Tatbeteiligung freizusprechen versucht hat. Die Anklagebehörde aber glaubt, dass der Chef der Kameradschaft seinen Freund zu der mörderischen Tat aufgefordert haben könnte. Daher hat sie den 54-Jährigen kürzlich sogar in Untersuchungshaft genommen.
Dass der Angeklagte den Anschlag gegen den Willen von Peter St. begangen haben könnte, erscheint nach diesem 34. Prozesstag indes noch einmal unwahrscheinlicher geworden zu sein. »Alle haben sich ihm untergeordnet, ihm wurde auch nicht widersprochen«, sagt einer der beiden Zeugen über den Neonazi-Führer. Und der andere findet für das Verhältnis des Angeklagten zum Kameradschaftsboss ein plastisches Bild: »Er ist immer der Hund gewesen, der hinterhergelaufen ist.«
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