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- Fußball: U21-EM 2023
Ooh, du gruseliger DFB-Fußball!
Die U21 vergeigt die Olympiaqualifikation. Für den Trainer wird es eng, die eigentlich Schuldigen aber dürfen bleiben
Der 20-jährige Sohn unserer Pensionswirtin hat große Träume. Er spielt an der Uni Fußball und möchte schon bald in Deutschland kicken und arbeiten, weil er hörte, der Lohn betrage in der BRD 15 Euro die Stunde, was etwa dem Tageslohn eines georgischen Bauarbeiters entspricht. Er hält Bonn für die deutsche Hauptstadt und spricht weder Deutsch noch Englisch.
Die deutschen U21-Nationalkicker verdienen natürlich mehr. Auf dem Weg zu ihrem dritten EM-Spiel in Georgien kommt uns aber erst mal ein Jogger mit einer Ukrainefahne entgegen. Beim Flanieren durch Batumi fallen auch immer wieder antirussische Tags ins Auge. Weil viele Russen seit Jahren Geld in der Schwarzmeermetropole investieren, ist man ansonsten aber eher verhalten kritisch. Georgien muss sich verbiegen, um nicht vom russischen Bären vertilgt zu werden. Die russische Bedrohung ist täglich präsent, die EU das Ziel. Auch wir geraten in einer Hafenpinte in Kontakt mit einem russischen Scherzbold, der uns für eine Niere pro Person bis zur Krim schippern will. Barbecue, Bier und Frauen inklusive.
Frank Willmann blickt auf den Fußball zwischen Leipzig, Łódź und Ljubljana.
Vorm entscheidenden Spiel gegen England nutzt ein Teil der Reisegruppe die Zeit, um den aufregenden Verkehr via Dauerlauf zu erkunden. Die legendäre, acht Kilometer lange Promenade am Schwarzen Meer sucht ihresgleichen. Auffällig sind die vielen Bitcoin-Automaten, in Georgien werden fleißig Bitcoins geschürft und der Bevölkerung feilgeboten. Weil am Vortag ein Megagewitter die Stadt durchgurgelte, zeigt sich das Meer von seiner weniger verlockenden Seite. Der Schmutz Batumis dümpelt auf dem türkisblauen Wasser, Dieselgeruch wabert über die wenigen tolldreisten Schwimmer.
Vorm Spiel bevölkern zumeist deutsche Fans die Restaurants ums Stadion. Rotgesichtige Engländer »mit ohne Haare« sieht man leider keine, auch während des Spiels lagern wenige Fans im Stadionrund. Ein englischer Schlachtenbummler meint: »Die Leute haben keinen Bock mehr auf die Nationalelf. Karten zu teuer, keine Identifikation mit den abgehobenen RichBitchKids«. Demzufolge hängen zwar ein paar englische Fahnen im Stadion, doch wenn mal jemand während des Spiels laut wird, ist es der 50-köpfige deutsche Minimob, der sich hinter einem der Tore eingefunden hat.
Schon vor dem Spiel gibt es viel zu lachen. »Ihr seid zu blöd, aus dem Bus zu steigen«, ruft ein Fan, als statt des Tores beim Einschießen mehrfach der Kopf eines georgischen Ordners getroffen wird. Als Entschädigung bekommt der vom Nietenschützen ein Trikot geschenkt.
Die deutsche Mannschaft kassiert gegen England schnell zwei Gegentreffer und entledigt sich souverän der Sorge, im Viertelfinale gegen Gastgeber Georgien spielen zu müssen. Unter den Fans macht sich ob der quälend peinlichen Nichtleistung der Nachwuchs-Nationalelf schnell Unmut breit, der in Gesängen finalisiert wird: »Wir sind nur zum Saufen hier, ihr Wichser«. »Völler rein«, »Völler raus«, »Völlerei!«, »Rudi, ich will ein Kind von dir«. »Ost-, Ost-, Ostdeutschland«, »Hoch sollt ihr leben, dreimal hoch«. Ich sah leider auch einen Hitlergruß von einem deutschen Fan, der kurz »Bomben auf Engelland« anstimmte, aber zum Glück keine Mitsänger fand.
Antonio Di Salvo steht zumeist verloren in seiner Coachingzone und erforscht die große Leere. Das Stadion füllt sich jedoch während des Spiels, vor allem Kinder kommen mit freiem Eintritt ins Rund und bestaunen die in wahnwitzigem Tempo Bier trinkenden deutschen Fans und ihr Gegröle.
DFB-Sportdirektor Rudi Völler, der Schindluderschreck, ist tatsächlich anwesend und blaustrumpft: »… Das ist eine Qualitätsfrage, die müssen wir wieder hinbekommen. Das fängt im Jugendbereich an … Aber das ist nicht nur der DFB, da sind auch die Vereine mit im Boot. Die haben zuletzt nicht so ausgebildet, wie sich das gehört …« Auch orakelt Rudi, dass beispielsweise die Franzosen rückwärts schneller laufen können als die meisten Deutschen vorwärts.
Moukoko verletzt, Wirtz, Adeyemi und Musiala vom Bundeshansi weg von der U21 in die A-Nationalelf gehievt, dem armen Trainer Di Salvo und seiner exorbitanten Beraterschar blieben nur die Krümel vom ohnehin nicht sonderlich gut bestückten Jungspielerkuchen. Di Salvos brave Trabertruppe darf nun noch ein paar Tage die Vorzüge Batumis genießen, beispielsweise im botanischen Garten Morgenluft schnuppern.
Der Stellenwert der U21 wurde anschaulich ausgeleuchtet, die Olympiaqualifikation vergeigt. Weil irgendwer die Schuld tragen muss, kann es für Trainer Di Salvo eng werden. Seine Entlassung würde gut zur peinlichen DFB-Spitze passen, deren oberster Bonze Neuendorf sich in Batumi nicht blicken ließ bzw. sich gut versteckte. Die traurige Großkopfertentruppe der DFB-Wagenlenker um Watzke, Rummenigge, Sammer, die uns das Dilemma nebst in Ungnade gefallenem Bierhoff eingebrockt hat, darf weiter den katzengoldigen Suppenlöffel der Pein rühren.
Ooh, du gruseliger DFB-Fußball, angeführt vom Bundeshansi, dem am besten bezahlten Nationaltrainer der Welt (über 6 Millionen Gage pro Jahr – wurde letzte Woche »durchgesteckt«). Welchen Grund kann es für ihn geben, diesen Posten freiwillig zu räumen?
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