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Adam und Simon Yates sorgen für Premiere bei Tour de France
Die britischen Radsport-Zwillinge setzen dem Tour-Auftakt ihren Stempel auf
»Das geschieht dir nicht allzuoft im Leben, dass du mit deinem Bruder als 1. und 2. bei einer Tour de France ins Ziel kommst«, sagte Adam Yates und grinste breit. In 119 Jahren Tour de France schafften das überhaupt erst zwei Brüderpaare. 2011 fuhren Andy und Fränk Schleck der kompletten Konkurrenz auf dem Col du Galibier davon. 1919 gelang den Gebründern Francis und Henri Pelissier sogar der Doppelcoup: Einmal siegte Henri vor Francis, das andere Mal tauschten sie die Positionen. Die Yates-Brüder haben also noch etwas abzuarbeiten im Geschwisterringen.
Als Zwillinge allerdings sind sie einmalig. Ihr Coup zauberte dann auch ein Lächeln auf fast jedes Gesicht in Bilbao. »Für uns ist es natürlich bitter-süß«, sagte Garry Ryan dem »nd«. Der australische Milliardär ist Hauptsponsor des Rennstalls Jayco Alula. Für den fährt der diesmal unterlegene Zwilling Simon Yates seit mittlerweile zehn Jahren. Aber auch Adam fuhr sieben Jahre lang für die von Ryan finanzierten Rennställe. »Adam gehört weiter zur erweiterten Familie. Wir haben ihn wachsen sehen. Auf Dauer konnten wir aber nicht beide finanziell halten«, blickte Ryan zurück.
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Er hofft jetzt, dass der weiter von ihm finanzierte Yates-Bruder Simon in Sachen Etappensieg noch nachlegt und am besten gleich das Gelbe Trikot holt. »Dann stelle ich seinen Eltern auch einen Camper zur Verfügung«, versprach der Radsportpatron fröhlich. Ihm gehört schließlich der Wohnwagenhersteller, der auch Namenssponsor des Teams ist. Die Eltern der Zwillinge folgen der Tour tatsächlich in einem Camper. Es sei aber keiner seiner Marke, teilte Ryan mit.
Das kuriose Etappenfinale mit der Zwillingsfahrt war einerseits Resultat der formidablen Teamleistung von UAE Emirates, das für Topfavorit Tadej Pogačar das Rennen schwer machte und in dem auch Etappensieger Adam Yates fährt. Andererseits steuerte auch die Entschlossenheit von Bruder Simon ihren Teil dazu. Adam befand sich nur vor dem Feld, weil er im Auftrag für seinen Kapitän Pogačar das Tempo auf den steilen Rampen des Baskenlands enorm hoch hielt. Er fuhr so schnell, dass hinter ihm plötzlich eine Lücke klaffte. Und in die stieß dann Bruder Simon hinein.
»Ich wusste, in einem solchen Etappenfinale habe ich keine Chance gegen Männer wie Pogačar oder Jonas Vingegaard. Gemeinsam mit meinem Bruder auszureißen, bot da eine gute Gelegenheit«, erzählte Simon später. Ganz perfekt war die Gelegenheit dann doch nicht. Denn Bruder Adam arbeitete nicht wirklich mit am Tempo der Ausreißer. »Ich durfte ja nicht. Hinter mir war mein Kapitän, deshalb konnte ich nur mitfahren«, erklärte er später. »Aber Simon wusste das. Er ist Profi, ich bin Profi, da war die Sache klar«, sagte er. Erst wenige Kilometer vor dem Ziel erteilte Pogačar seinem Helfer die Freigabe. Und Adam nutzte seine Chance. Er profitierte freilich auch von den Krämpfen, die seinen Bruder auf dem letzten Kilometer nach all der Führungsarbeit plagten.
Die Krämpfe verhinderten auch, dass beide fast zeitgleich und mit gemeinsam ausgestreckten Armen die Ziellinie überquerten. Für solch ein Bild hatten sie vor genau zehn Jahren gesorgt, als sie bei einer Bergankunft des Nachwuchsrennens Tour de l’Avenir als Erster und Zweiter den Zielstrich überquerten. Doch auch ohne Krämpfe hätten sie sich jetzt wahrscheinlich bis zum Ende duelliert. Schließlich ging es um einen Etappensieg bei der Tour de France und zusätzlich um das Gelbe Trikot. »Auch wenn es um weniger geht, konkurrieren wir schon sehr miteinander. Wir schenken uns nichts. Und ich bin sicher, Simon wird es mir in den nächsten Tagen so schwer wie möglich machen«, blickte Adam auf die nächsten Tage voraus.
Prominente Hilfe im Brüderkampf könnte er haben. »Wir wollen den Fahrer ehren und auch das Gelbe Trikot. Deshalb werden wir einige Kräfte in seine Verteidigung investieren«, verprach UAE-Boss Mauro Gianetti dem »nd«. Gut möglich also, dass sogar Tadej Pogacar für seinen Helfer Yates ein paar karftvolle Tritte in die Pedalen setzt, sollte ein Konkurrent zu Entfliehen versuchen. Er selbst will das Gelbe möglichst noch vermeiden. »Das gibt nur Stress«, winkte der Slowene ab. Die Schultern seines Teamkollegen aber schmückt es ganz vortrefflich.
Ein gutes Omen für die Yates-Brüder ist, dass unter den historischen Brüderpaaren auch jeweils einer steckt, der sogar einmal die Tour de France gewann. Henri Pelissier gelang dies vor genau 100 Jahren, Andy Schleck war 2010 erfolgreich. Ein paar historische Meilensteine sind also noch zu erreichen für die Protagonisten dieses Grand Departs.
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