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»Judensau« im Brandenburger Dom: Aufklären statt verdrängen

Bischof Christian Stäblein über die Verhüllung der »Judensau« im Brandenburger Dom

  • Interview: Ralf Fischer
  • Lesedauer: 3 Min.

Warum wurde die judenfeindliche Plastik im Kreuzgang des Doms von Brandenburg/Havel nicht gänzlich entfernt?

Zuweilen wird mit Blick auf andere Schmähplastiken gefordert, diese abzunehmen und im Museum auszustellen. Nach Feststellungen der zuständigen Architekten muss bei einer Abnahme der Plastik, die aus Terrakotta gefertigt wurde, damit gerechnet werden, dass diese zerstört wird, schlicht zerbröselt. Zudem ist sie Teil eines Pfeilers, der für die Statik des Kreuzgangs eine wesentliche Rolle spielt. Die Entfernung kann deshalb zu bleibenden Schäden des denkmalgeschützten Kreuzgangs führen. Schließlich ist die Darstellung auf dem Relief Teil eines Bildprogramms, das sich – ohne erkennbaren antisemitischen Inhalt – auf den Nachbarpfeilern fortsetzt. Mit der Entfernung der Schmähplastik würde dieses Programm auseinandergerissen und damit nicht mehr erkennbar sein.

Im vergangenen Jahr hatte der Bundesgerichtshof mit der Begründung entschieden, dass die judenfeindliche Plastik »seit 1988 in ein Gedenkensemble eingebunden sei«, dass an der Stadtkirche der Lutherstadt Wittenberg die Plastik nicht entfernt werden müsse. Wieso haben Sie sich im Falle des Doms St. Peter und Paul entschieden, die »Judensau« zu verhüllen?

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Bei der Entscheidung, sie nicht zu entfernen, sondern zu verhüllen, sie sozusagen »visuell zu beseitigen«, spielte es eine wesentliche Rolle, dass sie sich nicht im oder an der Außenwand des sakralen Raumes befindet, sondern in dem ehemaligen Kreuzgang. Nachdem vor über 500 Jahren die Ordensregel des seinerzeit am Brandenburger Dom ansässigen Prämonstratenser-Ordens aufgehoben wurde, hat sich die frühere Funktion des Kreuzgangs als Teil einer klösterlichen Anlage entscheidend gewandelt. Er ist heute Teil des Dommuseums. Die Verhüllung ermöglicht beides: Die Plastik ist nicht ohne Weiteres mehr zu sehen, so als wäre sie abgenommen. Wer sich aber für sie interessiert, der kann sie im Original an dem ursprünglichen Ort betrachten. Die Verhüllung wird zudem mit einer detaillierten Darstellung und Informationen über Inhalt und Kontext versehen werden, sodass über die Geschichte aufgeklärt wird, anstatt dass sie durch Entfernung ihrer Zeugnisse verdrängt wird.

Die Maria-Magdalenen-Kirche in Eberswalde ist mit mehreren stereotypen Judendarstellungen versehen. Am Eingang des Gotteshauses sind zwei erkennbar als Juden dargestellte Figuren als Teil des Portalschmucks zu sehen, einer der beiden schlägt Jesus. Wie wollen Sie mit diesen diskriminierenden Darstellungen zukünftig verfahren?

Interview

Bischof Christian Stäblein ist der geistliche Leiter der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz. Er sitzt dem Domkapitel vor, dem Aufsichtsgremium des Brandenburger Doms, das im Mai einstimmig der Empfehlung des Expertengremiums folgte und die Schmähplastik verhüllen ließ.

Wir haben uns über viele Jahre mit der Brandenburger Schmähplastik befasst und dabei auch gelernt, dass jede dieser Plastiken individuell in ihrem jeweiligen historischen, geografischen und lokalen Kontext verstanden werden muss und dass der Umgang mit der jeweiligen Schmähplastik sich aus diesem Kontext ableitet. In anderen Worten: Was in Wittenberg oder in Eberswalde für richtig befunden wird, muss deshalb nicht für Brandenburg passen und umgekehrt. Wir können deshalb auch nur für die Plastik am Brandenburger Dom sprechen.

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