- Berlin
- Anton-W.-Amo-Straße
Mohrenstraße wird umbenannt: Niederlage für alte weiße Männer
Klagen gescheitert: Die Mohrenstraße in Berlin-Mitte kann wie geplant in Anton-W.-Amo-Straße umbenannt werden
Sieben Kulturkämpfer müssen am Donnerstag vor dem Berliner Verwaltungsgericht eine Niederlage einstecken: Das Gericht hat ihre Klagen gegen die Umbenennung der Mohrenstraße in Mitte zu Anton-W.-Amo-Straße abgewiesen. Damit steht der Namensänderung nichts mehr im Wege. Seit 2020 bemühen sich antikolonialistische Aktivist*innen um einen neuen Namen für die Straße und die dortige U-Bahnstation.
Unter den älteren Männern, die für den Erhalt eines rassistischen Straßennames vor Gericht gezogen waren, befand sich der bekannte Historiker Götz Aly. Er und seine Mitstreiter nutzten das Verfahren, um sich über die in ihren Augen geschichtsvergessene Änderung zu empören. Noch mehr galt ihr Ärger jedoch dem Entscheidungsverfahren des Bezirks. Denn das Bezirksamt hatte im Vorfeld alle 237 Widersprüche abgelehnt. Es habe zudem kein Partizipationsverfahren gegeben, ärgerten sich die Kläger.
Schon zu Beginn machte Richter Wilfried Peters deutlich, dass er die Erfolgschancen der Klage für gering hält. Denn rein rechtlich gesehen handele es sich bei Straßenbenennungen um eine ordnungsrechtliche Frage. Sie richte sich deshalb nicht nach individuellem, sondern dem öffentlichen Interesse, Grundstücke lokalisieren zu können. Nur wenn eine Benennung »außerhalb jeder sachlichen Erwägung« liege, also willkürlich sei, müsse man »einen Riegel vorschieben«. Doch: »Das drängt sich hier nicht auf«, so Peters. Unabhängig von persönlichen Meinungen habe sich das allgemeine Sprachempfinden gewandelt. Peters verwies etwa auf rassistische Bezeichnungen für Schokoküsse, deren Gebrauch mittlerweile heftig umstritten sei. »Eine weite Einschätzung geht in die Richtung, dass das einfach nicht mehr zeitgemäß ist.«
Auch die übrigen Argumente der Kläger ließ der Richter nicht gelten. Die geplante Änderung zu Anton-W.-Amo-Straße schien ihm »geeignet, die Ordnungsfunktion zu erfüllen«. Der Name des aus Westafrika stammenden Philosophen Amo, der im 18. Jahrhundert als Kind nach Europa verschleppt wurde und in Deutschland forschte und lehrte, stehe im sinnvollen Zusammengange zur kolonialen Herkunft des aktuellen Straßennamens. Eine relevante Verwechslungsgefahr mit der angrenzenden Wilhelmstraße, wie von den Klägern befürchtet, sah er nicht. Die Beschwerde, der Bezirk Mitte habe die Anwohnenden nicht am Entscheidungsprozess beteiligt und deshalb undemokratisch verfahren, wies er ebenfalls ab. Anders als bei Bebauungsplänen oder anderen Grundsatzfragen erfordere eine Straßenumbenennung nicht zwingend die Beteiligung der Bürger*innen.
Trotz der schlechten Aussichten ließ es sich der Kläger Götz Aly nicht nehmen, seine gesammelten Argumente gegen die Umbenennung vorzutragen. Als Historiker, wie Aly mehrmals seine Deutungshoheit betonte, könne er leichtfertige Straßenumbenennungen nicht hinnehmen. »Das hat immer etwas Totalitäres gehabt«, erinnerte er etwa an Umbenennungen in der DDR oder nach der Wende.
Aly lehne zwar Namensänderungen nicht prinzipiell ab: »Wir sind alle der Meinung, dass die Umbenennung der Petersallee im Wedding richtig war. Und auch Wissmann hat es verdient, aus dem Straßenbild zu verschwinden«, bezog er sich auf zwei Beispiele für ursprünglich nach Kolonialverbrechern benannten Straßen. Bei der Friedrichstraße und Umgebung handele es sich aber um ein historisches Gesamtkonzept: »Es gibt so etwas wie Respekt vor der Vergangenheit«, so Aly. Die Mohrenstraße müsse als Ehrung von Schwarzen Menschen am preußischen Hof verstanden werden, als Denkmal, »an dem man sich nicht so einfach vergreifen sollte«.
Aly und seine Mitstreiter behaupteten mehrmals, das Bezirksamt habe die Anwohner*innen der Straße vor vollendete Tatsachen gestellt und lediglich auf die Aktivist*innen hinter der Umbenennungsinitiative gehört: »Wir sind die alten weißen Männer, mit denen man nicht reden muss«, so Aly. Der Vertreter des Bezirksamtes widersprach: »Das Verfahren ist nichts anderes als Ausdruck repräsentativer Demokratie.« Außerdem habe die Diskussion um den Straßennamen seit Jahren in der Öffentlichkeit stattgefunden: »Es wurden Artikel veröffentlicht, es gab mehrere Veranstaltungen, es wurden speziell Vereine gegründet. Was wir hier vermissen, ist die eigene Initiative.«
Regina Römhild hält die Darstellung der Kläger für einseitig. Die Professorin am Institut für europäische Ethnologie der Humboldt-Universität engagiert sich in der Nachbarschaftsinitiative Anton-Wilhelm-Amo-Straße. »Wir haben immer signalisiert, dass wir gerne einen Dialog wollen. Es hätte jede Chance zur Beteiligung gegeben«, so Rämhild zu »nd«. Doch stattdessen habe sie diffamierende Briefe unter anderem von einem der Kläger erhalten.
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Weil ihr Institut in der »M-Straße« liege, wie Römhild den rassistischen Straßennamen umschreibt, bekomme sie zudem viele negative Reaktionen mit. »Ich arbeite eng mit Leuten aus Südafrika zusammen, die wundern sich schon. Das ist schädlich für die Stadt Berlin als internationale Metropole.« Alys Argumente kann sie nicht nachvollziehen: »Es gibt keine objektive historische Wahrheit.« Vielmehr müsste sich eine Gesellschaft immer wieder neu fragen, an wen und wie sie erinnere.
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