Brandenburg: Große Jagdreform ist abgeblasen

Naturschützer kritisieren völlig verwässerten Gesetzentwurf von Umweltminister Axel Vogel

  • Andreas Fritsche
  • Lesedauer: 4 Min.

Selbst in der klassischen Kiefernmonokultur verjüngt sich der Wald zuweilen automatisch zum natürlichen Mischwald. Es werden Samen anderer Baumarten durch Tiere oder den Wind herangetragen. Das klappt aber nicht, wenn Rehe alle frischen Triebe abknabbern. Den Rehen schmecke nun einmal eine junge Eiche »besonders lecker«, sagt Peter Schendel. Wenn das so weitergehe, werde es bald keine Eichen mehr geben und damit seien rund 200 Arten von Großschmetterlingen bedroht, für die Eichen Lebensraum sind. Schendel weiß, wovon er spricht. Er ist im Umweltverband Grüne Liga aktiv und besitzt selbst ein Waldstück.

Im waldreichen Brandenburg gilt die Wilddichte als derzeit viel zu hoch. Der Forst kann sich nur noch entwickeln, wenn er eingezäunt und damit gegen Verbiss gesichert ist. Es müsste also mehr Wild geschossen werden. Um dieses Ziel zu erreichen, will Umweltminister Axel Vogel (Grüne) das brandenburgische Jagdgesetz ändern. Auch Besitzer kleinerer Waldstücke sollten das Jagdrecht erhalten. Das würde bedeuten, dass sie selbst auf die Pirsch gehen könnten, wenn sie denn einen Jagdschein haben, oder die Jagd an einen Jäger verpachten dürfen, der auch wirklich so viel Wild schießt, wie notwendig ist. So manche Jagdgenossenschaft freut sich über eine hohe Wilddichte. Genau hier liegt der Konflikt.

Zwei Gesetzentwürfe hat das Ressort von Minister Vogel vorgelegt und nun als Kompromisslösung einen dritten. Mit jeder Variante wurde das ursprüngliche Anliegen verwässert. Naturschützer sind damit unzufrieden und machen am Montag ihrem Ärger Luft. Am deutlichsten wird dabei Eckhard Fuhr vom Ökologischen Jagdverband. »Man kann diesen dritten Entwurf nicht als einen halbwegs gelungenen Kompromiss bezeichnen«, schimpft Fuhr. Er nennt ihn einen »zerfledderten Entwurf« und spricht von einer »Kapitulation vor den Hobbyjägern«. Der vernünftige Rechtsanspruch der Waldbesitzer auf die sogenannte Eigenjagd sei mit dem dritten Entwurf »abgeschmettert« worden. Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) habe Verbesserungen gekippt. »Damit ist vom eigentlichen Anliegen nichts übrig geblieben.«

Völlig zahnlos sind die noch geplanten Neuregelungen dann aber doch nicht. Fuhr selbst nennt ein Beispiel: Immerhin sollen die Forstbetriebsgemeinschaften, in denen sich Waldbesitzer zusammenschließen, künftig Eigenjagdbezirke bilden dürfen. »Das ist nicht nichts. Aber es ist viel zu wenig«, urteilt Fuhr. Auch werde die Dauer der Verpachtung der Jagd leicht auf neun Jahre gesenkt. Die Naturschützer hätten sich allerdings fünf Jahre gewünscht, damit die Waldbesitzer einen nicht so fleißigen Jagdpächter schneller wieder loswerden.

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»Wir begrüßen natürlich die Regelung für Forstbetriebsgemeinschaften«, sagt Enno Rosenthal vom Waldbauernverband. Er beteuert, sein Verband lehne den dritten Gesetzentwurf nicht völlig ab. Aber: »Das Ziel, für Mensch und Natur einen Fortschritt zu erzielen, wird damit nicht erreicht.« Auch Peter Schendel von der Grünen Liga meint: »Dieser Entwurf bringt nur punktuell Vorteile.«

Björn Ellner vom Naturschutzbund erläutert noch einmal, wozu die überhöhten Wildbestände aus seiner Sicht führen. Ihm zufolge trifft es nicht nur Schmetterlinge, sondern auch Pilzarten, die vom Aussterben bedroht sind und die den Wald als Lebensraum benötigen. »Noch« – dieses Wort betont Ellner – seien nicht die Hitze und die Trockenheit das größte Problem für die Forstwirtschaft, sondern die Schäden durch den Verbiss. »Die Jagd ist der entscheidende Faktor«, sagt Ellner. Er demonstriert das durch einen Vergleich von eingezäunten Flächen mit nicht eingezäunten. Wo das Wild ferngehalten werde, entwickle sich selbst in der für Brandenburg seit mehreren hundert Jahren typischen Kiefernmonokultur langsam ein Mischwald, wie er eigentlich für die Region charakteristisch sei – mit einer Vielzahl von Baumarten, darunter die Birke. Auch in den nicht eingezäunten Wäldern von Matthias Graf von Schwerin funktioniere das, weil dort »sehr stark« gejagt werde.

Nach Angaben Ellners sind die Kiefernmonokulturen mit Gras auf dem Boden auch anfälliger für Waldbrände. Wenn ein Wanderer eine noch glimmende Zigarette achtlos wegwerfe, züngelten schneller Flammen auf als in einem Mischwald. »Waldumbau ist auch Waldbrandvorsorge«, sagt Ellner.

Für den ökologisch denkenden Jäger Eckhard Fuhr ist mit dem so arg verwässerten Gesetzentwurf aber noch nicht alles verloren. »Jetzt soll der Landtag einmal die Sache in die Hand nehmen und nicht diszipliniert kuschen«, fordert er. Die Abgeordneten sollten sich nicht einreden lassen, sie müssten den Kompromiss so wie vorgelegt akzeptieren und dürften das Paket nicht noch einmal aufschnüren und Verbesserungen vornehmen.

Wenigstens der Oppositionsabgeordnete Thomas Domres (Linke) ist dazu bereit. Er hatte am 4. Juli auf den Kompromiss reagiert: »Nun ist also die Katze aus dem Sack: Die große Reform des Jagdrechts ist abgeblasen.« Ob aber der »kleinste gemeinsame Nenner geeignet ist, überhaupt Verbesserungen zu erreichen, werden wir im parlamentarischen Verfahren genau prüfen«. Für den SPD-Abgeordneten Wolfgang Roick hingegen ist der Kompromissentwurf »durchaus rund«.

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