Griechenland: Tsipras’ Nachfolger laufen sich warm

Griechische Linkspartei Syriza versucht den Neustart

  • John Malamatinas, Thessaloniki
  • Lesedauer: 4 Min.

Die Niederlage sitzt tief, doch die griechische Linkspartei Syriza demonstriert Geschlossenheit. Nach der haushohen Niederlage der Partei bei den Parlamentswahlen Ende Juni mit 20 Prozent gegenüber den 40 Prozent der Regierungspartei Nea Dimokratia wird an einer Erneuerung gearbeitet. Trotz aller Differenzen hat das Zentralkomitee mit großer Mehrheit den Zeitplan für die Wahl einer neuen Führung angenommen. Den Startschuss dafür gab der Rücktritt des langjährigen Vorsitzenden und ehemaligen Premierministers Alexis Tsipras. Letzterer hat den kometenhaften Aufstieg der einstigen kleinen Partei inmitten der griechischen Finanzkrise in den 2010er Jahren geprägt wie kein anderer Politiker. Die Wahl des Parteivorsitzenden soll am 10. und 16. September stattfinden, nach einem turnusmäßigen Parteitag am 3. September. Außerdem soll im November ein außerordentlicher Parteitag stattfinden.

Festzuhalten ist, dass die Komiteemitglieder, die mit dem konkreten Zeitplan nicht einverstanden waren, einen Gegenvorschlag eingereicht hatten, der die Wahl des Vorsitzenden erst am 26. November vorsah. Während der Sitzung wurde diese Verschiebung von wichtigen Parteipersönlichkeiten unterstützt, unter anderem von Dionysis Teboneras, Pavlos Polakis, Rena Dourou, Nikos Pappas und Katerina Notopoulou. Die beiden Erstgenannten ließen sogar die Möglichkeit offen, für den Vorsitz zu kandidieren, sollte dieser Plan angenommen werden. Teboneras gilt als neuer Shootingstar der Partei. Er ist Sohn des im Januar 1991 erschossenen Mathematiklehrers Nikos Temponeras – Täter war ein Politiker der Nea Dimokratia während der Studierendenproteste. Polakis gilt als umstrittener Kritiker der Fraktion Tsipras.

Namhafte Persönlichkeiten der Partei haben schon in den Tagen vor der entscheidenden Sitzung ihre Kandidatur angemeldet. Allen voran steht Efi Achtsioglou, die aktuelle Parlamentsabgeordnete und Ex-Arbeitsministerin im Kabinett Tsipras. Sie könnte laut vielen Kommentatoren mit ihren 38 Jahren exemplarisch für den Erneuerungsdrang der Partei stehen. Achtsioglou wurde 1985 in Giannitsa geboren und studierte in Thessaloniki Rechtswissenschaften. In den folgenden Jahren schloss sie eine Doktorarbeit im Arbeitsrecht ab und leistete einen aktiven Beitrag zur internationalen wissenschaftlichen Debatte über Arbeitsrechte in Europa. Vor ihrer eigenen Zeit als Arbeitsministerin war sie als Direktorin des politischen Büros des Arbeitsministers für die Verhandlungen der Regierung mit den Institutionen über Fragen des Austeritätskurses bei der Arbeitsmarktpolitik und der sozialen Sicherheit zuständig.

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Achtsioglou wies bei ihrer Erklärung vor der Presse darauf hin, dass es bei ihrer Kandidatur nicht nur um sie selbst oder die Opposition gehe, sondern um »Griechenland« und »die Gesellschaft«, »die Linke und die Bewegungen der neuen Ära«, aber auch um »jeden demokratischen fortschrittlichen Bürger«. Sie signalisierte in ihrer Rede eine Öffnung sowohl zum Zentrum als auch zur Linken hin.

Die zweite Bewerbung kommt von Ekflidis Tsakalotos. Bekannt wurde er als Nachfolger des Finanzministers Yanis Varoufakis nach dessen Rücktritt wegen des Streits um den Austeritätskurs mit Tsipras. Tsakalotos wurde 1960 in Rotterdam geboren und wuchs in London auf. Er studierte Wirtschaft, Politik und Philosophie an der Universität Oxford. Sein neuestes Buch auf Griechisch, zusammen mit Christos Laskos, ist »Keine Rückkehr: Kapitalistische Krisen, soziale Bedürfnisse, Sozialismus«. Der aktuelle Abgeordnete von Syriza betonte, dass seine Kandidatur die Dichotomie von »Kontinuität und Bruch« beinhalte und erklärte, dass »Kontinuität« das Erbe von Alexis Tsipras sei. Gleichzeitig sprach er auch von einem »Bruch« und merkte an, dass »wenn man so klar verloren hat, es offensichtlich Dinge gibt, die man nicht verstanden und nicht gut gemacht hat« und fügte hinzu, dass »wir vielleicht nicht mit unseren Vorschlägen überzeugend waren«. Er zeigte unter anderem die Bereitschaft, sich von der Plattform von Efi Achtsioglou abzugrenzen, indem er klarstellte, dass »Syriza ein Teil der Linken bleiben muss«, und um im selben Zug klarzustellen, dass »ich mir keine Linke vorstellen kann, die sich nicht öffnen will«.

Ein weiterer einflussreicher Bewerber ist Nikos Pappas, jahrelanger Vertrauter von Alexis Tsipras. Der Ex-Minister für Digitalisierung war schon in den frühen 90ern in der Parteijugend der Vorgängerpartei Synaspismos engagiert. Sein Ziel lautet, »die Überzeugungsarbeit (zu leisten), die wir bisher nicht leisten konnten: Dass die uns auferlegte sehr harte Memorandumspolitik nicht unser Programm war«. Und Vierter im Bunde, mit 77 Jahren bisher ältester Kandidat, ist Stefanos Tzoumakas, Gründungsmitglied der sozialdemokratischen Pasok, der ebenfalls Regierungserfahrung mitbringt. Das Rennen um die Tsipras-Nachfolge ist eröffnet und offen.

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