Fabian Wolff und das verschobene Kräfteverhältnis

Über (falsche) Identität im deutschen Diskurs

Wer sich im deutschen Diskurs über Israel äußert, dem kann eine jüdische Identität mehr Gewicht verleihen. (Abgebildet: der Strand von Tel Aviv)
Wer sich im deutschen Diskurs über Israel äußert, dem kann eine jüdische Identität mehr Gewicht verleihen. (Abgebildet: der Strand von Tel Aviv)

Vielleicht ein mutiger Schritt: Fabian Wolff, jahrelang als junger deutsch-jüdischer Intellektueller in zahlreichen Medien präsent, outet sich in einem »Zeit Online«-Essay als ganz gewöhnlicher Goj. Er habe selbst lange an sein eigenes Jüdischsein geglaubt, sei dann aber bei Recherchen zu seiner Familienbiografie auf die Wahrheit gestoßen. Wohlgemerkt waren diese Recherchen, wie sich den Zeilen ebenfalls entnehmen lässt, erst durch Druck aus der jüdischen Community ausgelöst worden.

Brisant ist die Sache, weil Wolff in politischen Debatten oft explizit als Jude seine Argumente vortrug. So zweifelte er aus dieser Position heraus etwa die Antisemitismus-Definition der International Holocaust Remembrance Alliance an, die betont, dass sich Erscheinungsformen von Antisemitismus auch gegen den Staat Israel richten können. Man kann natürlich einwenden: Sowohl jüdische als auch nichtjüdische Menschen kommen in dieser Frage zu unterschiedlichen Positionen und können zum Beispiel zionistisch oder antizionistisch sein. Doch Wolffs vermeintlich jüdische Stimme, die in Deutschland als solche viel zählt, hat dieses Kräfteverhältnis verschoben. Das ist insofern problematisch, als dass Wolff – wie man seinem Text nun entnehmen kann, was er jedoch vorher anders darstellte – nicht jüdisch sozialisiert wurde. Sein Verhältnis zu Israel und Antisemitismus ist damit von anderen Faktoren geprägt als das der meisten Jüdinnen und Juden in Deutschland.

Werde Mitglied der nd.Genossenschaft!
Seit dem 1. Januar 2022 wird das »nd« als unabhängige linke Zeitung herausgeben, welche der Belegschaft und den Leser*innen gehört. Sei dabei und unterstütze als Genossenschaftsmitglied Medienvielfalt und sichtbare linke Positionen. Jetzt die Beitrittserklärung ausfüllen.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft

Das »nd« bleibt gefährdet

Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.