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Amazon Tower in Berlin: Kiez gegen Konzern
In Friedrichshain haben Aktivisten den Kampf gegen den Amazon Tower noch nicht aufgegeben
Der große Tower gegenüber dem S-Bahnhof Warschauer Straße in Friedrichshain ragt über die S-Bahnbrücke. Dort sollen Beschäftigte des Amazon-Konzerns einziehen. »Der genaue Termin ist uns noch nicht endgültig bekannt«, sagt Max vom Bündnis Berlin versus Amazon, das seine Arbeit am Montagabend in einer Neuköllner Kneipe vorstellte. Etwa 30 Menschen, vornehmlich aus der akademischen Linken, sind gekommen. »Wir sind schon die zweite Generation der Amazon-Kritiker*innen in Berlin«, sagt Max.
Schon vor Baubeginn des Towers hatte sich ein Anti-Amazon-Bündnis mit ambitionierten Plänen gegründet. Doch dann bremste die Corona-Pandemie die Aktivist*innen aus, und der Turm wuchs in die Höhe. Das neue Bündnis ist mit unterschiedlichen politischen Methoden aktiv. Zu diesen gehört auch ein kurzes Video, in dem Amazon-Boss Jeff Bezos vermeintlich auf die Forderungen von Berlin versus Amazon eingeht, die Löhne der Beschäftigten erhöht und auch endlich kräftig Steuern nachzahlt. Doch schnell merkt man, dass es sich bei dem Video um eine Satire handelt.
Berlin versus Amazon hat 14 Forderungen aufgestellt, die der Konzern erfüllen soll, bevor er in den Tower einzieht. Mit Lohnerhöhungen, verkürzten Arbeitszeiten und dem Stopp der Überwachungsmaßnahmen der Beschäftigten in den Lagerhallen finden sich viele gewerkschaftliche Forderungen in dem Katalog. Tatsächlich kooperiert das neue Bündnis mit der Dienstleistungsgewerkschaft Verdi und ruft zu Solidaritätsaktionen auf, wenn die Amazon-Beschäftigten für einen Tarifvertrag in den Streik treten.
Auf der Veranstaltung hielten verschiedene Menschen aus den unterschiedlichen Gruppen des Bündnisses kurze Vorträge. Gabriel, der an der FU Berlin zu Arbeitsbedingungen in großen Techkonzernen forscht, berichtete über die Organisierung von Amazon-Beschäftigten in den USA. »Darunter sind auch Wissenschaftler*innen und Forscher*innen, die sich in der Amazon Techworkers Coalition zusammengeschlossen haben«, erzählte der junge gewerkschaftlich orientierte Wissenschaftler.
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Dorothea von der Stadtteilinitiative »Wir bleiben alle Friedrichshain« hält Amazon für einen weiteren Antreiber der Verdrängung von Altmieter*innen im Bezirk. Sie berichtete über eine Reform aus Barcelona. »Dort muss Amazon für jedes ausgelieferte Paket eine Abgabe von 2 Euro bezahlen als Ausgleich für die Schäden, die durch das vermehrte Paketgeschäft entstehen. Dazu gehören ein größeres Verkehrsaufkommen und verstopfte Straßen«, beschrieb die Stadtteilaktivistin ein Modell, das durchaus für andere Städte interessant sein könnte. »Was Barcelona kann, ist auch in Berlin möglich«, schloss Dorothea ihre Ausführungen mit einem optimistischen Ausblick.
Doch wie kann in Berlin ein solcher Druck in den nächsten Monaten aufgebaut werden? Diese Frage stand am Montagabend bei der Veranstaltung im Raum. Die Aktivist*innen waren sich der Schwierigkeiten bewusst. »Wer will gegen einen Turm kämpfen, der fast fertig ist?«, umriss eine Frau das Problem. »Und dann fragen immer wieder Leute: Warum soll ich gegen Amazon auf die Straße gehen? Ich bestelle doch dort meine Ware«, schilderte sie die Reaktionen von Passant*innen bei einer Kundgebung gegenüber dem Tower vor einigen Monaten.
Das Bündnis Berlin versus Amazon will die nächsten Monate zur Mobilisierung nutzen und gönnt sich keine Sommerpause. Am 31. Juli lädt es zu einem offenen Treffen in einen Stadtteilladen in der Warschauer Straße. »Willkommen sind alle, die sich gegen Amazon engagieren wollen«, sagte Max. Geplant seien weitere Informationsveranstaltungen in unterschiedlichen Berliner Stadtteilen. »Dort wollen wir verdeutlichen, warum Amazon kein guter Nachbar ist und warum es sinnvoll ist, sich gegen den Konzern zu positionieren«, so Aktivistin Monika.
Im Oktober ist in der Nähe des Towers eine große Musikperformance geplant. Die Organisator*innen wollen dort auch die Frage stellen, ob wir alle die Gegenstände brauchen, die Amazon und Co. uns liefern.
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