Griechenland: Seit zwei Jahren im Gefängnis

Mahtab Sabetara kämpft für die Freilassung ihres Vaters, der wie Tausende andere wegen »Schmuggels« verurteilt wurde

  • Elisabeth Heinze, Thessaloniki
  • Lesedauer: 4 Min.

Im September 2022 wurde der gebürtige Iraner Homayoun Sabetara wegen »Beihilfe bei der unerlaubten Einreise aus Drittstaaten in die EU« zu 18 Jahren Haft verurteilt. In Haft sitzt der fast 60-Jährige sogar schon seit zwei Jahren, seit er von der Türkei nach Griechenland ein Auto mit sechs weiteren Schutzsuchenden fuhr und in Thessaloniki von der Polizei aufgegriffen wurde. Seine Tochter Mahtab Sabetara kämpft seit Monaten für die Freilassung ihres Vaters und aller Migrant*innen, die in Griechenland wegen »Menschenschmuggels« inhaftiert sind. Die Wahlberlinerin hat eine Kampagne samt Petition gestartet. Am Samstag fand der zweite Aktionstag @freehomayoun statt.

Der Grenzzaun am Fluss Evros, traditioneller Startpunkt der Balkanroute und inzwischen mit High-Tech-Überwachung gesichert, soll verlängert werden. Dies hat der wieder gewählte Premierminister Kyriakos Mitsotakis der rechtskonservativen Nea Dimokratia angekündigt. Mehr als 80 Prozent der Festnahmen von Geflüchteten auf dem Weg in die EU erfolgten im vergangenen Jahr am Evros. Angaben über Verhaftungen wegen Schmuggelverdachts erhält man in Griechenland seit dem Regierungswechsel 2020 nicht mehr. Die Betroffenen stellen seit einigen Jahren die zweitgrößte Gruppe in den überfüllten Gefängnissen dar. Laut der Nichtregierungsorganisation Borderline-Europe waren im Februar dieses Jahres fast 2200 Personen mit dem Vorwurf »Schmuggel« inhaftiert.

In Griechenland verbinden sich europäische sowie nationale Gesetzgebung mit einer restriktiven Migrationspolitik und einer Berichterstattung über »organisierten Schmuggel«, was letztlich in die Kriminalisierung von Geflüchteten mündet. Die Genfer Flüchtlingskonvention, die es jeder Person ermöglicht, ohne vorherige Einreisegenehmigung um Asyl zu ersuchen, wird in der Praxis ausgehöhlt. Asylsuchende, die ein Auto oder Boot steuern, dürfen zwar einen Asylantrag stellen, aber das geschieht in aller Regel aus der Untersuchungshaft heraus. Unterstützer*innen von Geflüchteten berichten, wie zermürbend das Warten sein kann – lässt man die Dysfunktionalität im griechischen Justizsystem außer acht, könnte man es für beabsichtigt halten. Oft führt der bloße Verdacht auf Steuern eines Fahrzeugs mit Geflüchteten zum Schuldspruch, ohne dass die Umstände der Flucht, konträre Zeugenaussagen oder entlastendes Material beachtet werden, wie bei Homayoun Sabetara.

Kürzlich nahm seine Tochter stellvertretend einen Fluchthilfe-Preis für ihn entgegen. Dabei erzählte sie von Fluchthelfer*innen, die historisch als Märtyrer*innen gelten. In der Petition freehomayoun schreibt Mahtab Sabetara über die persönliche Belastung für ihre Familie, wertet ihr Schicksal aber vor allem als Politikum, zumal ihr Vater einer unter vielen ist.

Derzeit habe sie gezwungenermaßen kaum Kontakt zu ihrem Vater, erzählt Sabetara dem »nd«. Vom Gefängnis Korydallos sei er von einem Tag auf den anderen ins 350 Kilometer entfernte Trikala verlegt worden. »Er hat kein Geld mehr, und ich konnte ihm keines schicken«, erklärt sie. Geldzahlungen müssen per Post durch eine in Griechenland angemeldete Person erfolgen. »Ich finde Menschen, die das für mich machen, aber irgendwie kommt das Geld oft zurück.« Ohne Geld aber keine Telefonkarte und kein Kontakt zu den Familienangehörigen. Homayouns Haftbedingungen hätten sich außerdem verschlechtert, als Mann mit einer Krebsgeschichte und Atembeschwerden ist seine medizinische Versorgung bisher unzureichend. Auch Angst vor den anderen Insass*innen scheint an der Tagesordnung: »Er fürchtet, dass die Situation eskaliert, wenn die anderen mitbekommen, wenn er mal Geld hat.« In einem Tagebuch thematisiere er regelmäßig die Haftbedingungen, aber ohne sich in Gefahr zu bringen. »Viel Aufmerksamkeit kann auch nach hinten losgehen«, meint Mahtab Sabetara.

Aufmerksamkeit für ihre Kampagne wünscht sie sich dagegen umso mehr. Im Fall ihres Vaters ist für April 2024 ein Berufungsverfahren angesetzt.

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