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Kachowka-Stausee: »Es wird nicht wieder wie vor dem Stausee sein«
Der Umweltschützer Mychailo Mulenko über die Folgen von Bau und Zerstörung des Kachowka-Staudamms in der Südukraine
Nach der Zerstörung des Kachowka-Staudamms und dem Leerlaufen des Stausees ist der Wasserspiegel des Dnipro bei Saporischschja um fünf Meter gefallen. Was sind die Folgen?
Jetzt sehen wir ein Bild des Dnipro, wie er vor dem Bau des Wasserkraftwerks Kachowka 1957 aussah. Wir sehen Inseln und Felsen in der Nähe des Wasserkraftwerkes Dniprohes, die vorher unter dem Wasser verborgen waren.
Und wie sieht es am Ufer aus?
Da haben sich sandige Ablagerungen gebildet. Aus der Ferne sehen sie wie reiner weißer Sand aus, aber in Wirklichkeit handelt es sich um die Überreste von Muscheln. Sie kamen irgendwie vor 1957 mit Handelsschiffen hierher. Und hier fühlen sie sich wohl, weil sie keine natürlichen Feinde haben. Und wenn sie sterben, bleiben ihre Schalen zurück und bilden Sedimente. Und die sind erst seit der Zerstörung des Damms sichtbar.
Wie hat der Bau des Staudammes damals die Region verändert?
Der Bau des Kachowka-Stausees war in vielerlei Hinsicht eine Katastrophe: Die Menschen wurden aus den Dörfern vertrieben, viele Bäume im Naturpark Welykij Luh wurden abgeholzt oder gingen in den Fluten unter, das ganze Gebiet wurde geflutet.
Und wie hat sich das auf den Fischbestand ausgewirkt?
Als es noch keine Stauseen am Dnipro gab, wurden in der Nähe der Insel Chortyzja 77 Fischarten gezählt. Jetzt sind es nur noch etwa 20. Früher hatten wir auch eine reiche Fauna an wirbellosen Bodenlebewesen.
Der Fluss steht jetzt fünf Meter tiefer, ist das nicht gut für die Zukunft?
Schwierig zu sagen, wie sich der Dnipro entwickeln wird. Die Zerstörung des Wasserkraftwerks Kachowka bedeutet nicht, dass wir bald wieder einen Zustand und eine Artenvielfalt haben werden, wie wir sie vor dem Bau des Staudammes hatten.
Können Sie als Umweltschutzbehörde auf die Entwicklung Einfluss nehmen?
Für unsere Abteilung für Umweltschutz und Bewahrung des Naturparkes Chortyzja ist es wichtig, dieses historische Erbe zu bewahren und weiterzuentwickeln. Weder der Krieg noch die Zerstörung des Stausees geben uns das Recht, damit aufzuhören. Unsere Aufgabe ist es also zu untersuchen, wie sich diese Ereignisse auf die Entwicklung der Ökosysteme ausgewirkt haben. Wir hatten die sogenannte Chortyzia-Aue. Das war ein etwa 500 Hektar großes Feuchtgebiet mit Seen, Bächen, Auenwäldern und Wiesen. Sie sind einfach verschwunden. Allesamt. Nun, es gibt dort fast nur noch kleine Wassermengen, die keine Verbindung mehr zum Dnipro haben. Früher hatte sich dieses Gebiet regelmäßig mit Wasser gefüllt. Das heißt, während der Überschwemmungen kam Wasser herein, es bildeten sich temporäre Seen, in denen sich einige wirbellose Fische entwickelten.
Was ist mit dem Boden?
Wir hoffen, dass sich die Natur so entwickelt, dass sie diese historischen Landschaften wiederherstellt. Wir haben noch Wasserpflanzen, die mit dem Boden verbunden sind. Wir haben immer noch Muscheln. Erst gestern war ich in den Auen, und dort blüht alles. Vor einem Monat, als ich dort war, war es noch eine Wüste. Ich habe das Gebiet nicht wiedererkannt, das Gras stand schon zwei Zentimeter hoch. Das heißt, dort wächst wieder etwas. Die Natur duldet keine Leere. Unsere Aufgabe ist es jetzt, dafür zu sorgen, dass die Pflanzen, die dort zu wachsen beginnen, der natürlichen Flora angehören. Sonst breiteten sich aggressive Pflanzen wie das Jakobs-Kreuzkraut aus.
Wie sieht Ihre Arbeit im Alltag konkret aus?
Mit Patrouillen versucht unser Wasserschutzdienst, Wilderer und illegale Archäologen zu vertreiben. Es gibt genug Leute, die meinen, hier müssten verborgene Schätze begraben sein und sich auf Suche begeben.
Das Naturreservat Chortyzja ist eines der bekanntesten in der Ukraine. Welche Bedeutung hat es?
Wir sind ein geologisches Reservat von nationaler Bedeutung. Es gibt die Dnipro-Stromschnellen und Granitaufschlüsse, die dreieinhalb Milliarden Jahre alt sind. Sie zeigen die Struktur der Erdoberfläche und wie sie entstanden ist. Und wir haben archäologische Stätten. Außerdem leben hier seit 70 Jahren ganze Kolonien von Wasservögeln. Bisher hatten sie keinen Kontakt zu Menschen. Die Vögel haben sich daran gewöhnt, dass sie in einem Gebiet leben, in dem sie keine Feinde haben. Und natürlich ist es für sie störend, wenn sich ihnen nun Menschen nähern, um sie zu fotografieren. Auf ein paar Felsen nistet bei uns der Kormoran, ein großer Vogel, der an manchen Orten in Europa geschützt ist.
Und was machen Sie für die Kormorane?
Kormorane sind wichtig und schützenswert. Man muss aber auch darauf achten, dass sie nicht das natürliche Gleichgewicht stören. Wenn Kormorane in Bäumen nisten, trocknen sie die Vegetation mit ihrem Kot einfach aus. Es bilden sich Dickichte aus vertrockneten Bäumen. Eine Wüste, in der nichts lebt, weil alles stinkt. Wenn nun Menschen auf die Felsen kommen, um spazieren zu gehen, stören sie diese Kolonie. Sie erschrecken die Vögel, hindern sie an der Nahrungssuche und am Bau von Nestern. Und so könnte es sein, dass sie einfach weiterziehen, woanders ihre Nester bauen. Oberhalb des Dniprohes-Staudamms liegt die Sahaidatschnyj-Insel mit einem wunderschönen Wald. Dieses Gebiet dürfte dem Kormoran gefallen. Aber wir wollen sie nicht an eine andere Gegend verlieren. Wir arbeiten daran, die Natur im Gleichgewicht zu halten, damit es nicht zu einer größeren Katastrophe kommt.
Mychailo Mulenko ist wissenschaftlicher Mitarbeiter und Leiter der Abteilung Umweltschutz im Naturreservat Chortyzja bei Saporischschja.
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