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  • Rad-WM 2023 in Glasgow

Deutsche Sprinterinnen rasen bei Rad-WM allen davon

Die deutschen Bahnsprinterinnen sind auch in Glagow eine Medaillenbank. Die Männer kämpfen dagegen um Anschluss

  • Thomas Juschus, Glasgow
  • Lesedauer: 5 Min.
Auf der Überholspur: Die deutsche Bahnradsprinterin Emma Hinze (l.) ist für ihre Kontrahentinnen derzeit kaum einzuholen.
Auf der Überholspur: Die deutsche Bahnradsprinterin Emma Hinze (l.) ist für ihre Kontrahentinnen derzeit kaum einzuholen.

»Ich denke, wir haben die Machtverhältnisse wieder zurechtgerückt«, sagte eine strahlende und selbstbewusste Emma Hinze nach ihrem zweiten WM-Gold im Sir-Chris-Hoy-Velodrom von Glasgow in die Mikrofone. Nach dem Auftakt-Erfolg zum Start der »Super-WM« in Schottland im Teamsprint zusammen mit ihren Cottbuser Trainingskolleginnen Pauline Grabosch und Lea Sophie Friedrich raste die 25-Jährige am Freitagabend auch im 500-Meter-Zeitfahren zu Gold.

Nachdem im Vorjahr bei der WM in Saint-Quentin-en-Yvelines die gastgebenden Französinnen durch Mathilde Gros und Marie-Divine Kouamé Taky mit ihren Siegen im Sprint und Zeitfahren die seit 2020 währende deutsche Dauer-Dominanz im Kurzzeitbereich durchbrechen konnten, scheinen jetzt die Kräfteverhältnisse bei den Frauen wiederhergestellt. Von 14 WM-Entscheidungen seit 2020 konnten Hinze, Friedrich und Grabosch zwölf gewinnen. Das Trio aus Cottbus dominiert derzeit fast nach Belieben die Spitze.

Gleich zum Auftakt der größten Rad-WM aller Zeiten mit mehr als 200 Entscheidungen in sieben Disziplinen raste der »Brandenburg-Express« in neuer Weltrekord-Zeit zum Titel im Teamsprint. Bei 45,848 Sekunden stoppte die Uhr, Gastgeber Großbritannien blieb nur der zweite Platz. Nach 2020, 2021 und 2022 ging der Titel damit erneut an die drei Sprinterinnen aus Cottbus. »Es zum vierten Mal hintereinander zu schaffen, ist so cool. Und dann mit Weltrekord«, sagte Hinze.

Knapp 24 Stunden später durfte Hinze gleich ihre zweite Goldmedaille in Empfang nehmen, als Siegerin im 500-Meter-Zeitfahren. Als Dritte holte Ex-Weltmeisterin Lea Friedrich mit Bronze ebenfalls das zweite Edelmetall. Pauline Grabosch fuhr auf Platz fünf. »Ich freue mich, dass ich jetzt in allen Sprint-Disziplinen ein Regenbogentrikot gewonnen habe«, sagte Hinze nach ihrem Siegerlauf. Zuvor hatte dieses Kunststück nur die elffache Weltmeisterin Anna Meares aus Australien geschafft. Nach WM-Siegen im Teamsprint (2020, 2021, 2022, 2023), Sprint (2020, 2021) und Keirin (2020) komplettierte die 25-Jährige mit ihrem Sieg im Kampf gegen die Uhr und ihrem achten WM-Erfolg insgesamt ihre herausragende Bilanz und rückte den beiden Rekord-Weltmeisterinnen Meares und Kristina Vogel (beide je elf WM-Titel) ein großes Stück näher.

Wobei Hinze Quervergleiche nicht mag: »Jeder Mensch, jeder Weg ist unterschiedlich.« In der Zeitfahrqualifikation gelang Hinze mit 32,850 Sekunden die Bestzeit, deshalb ging sie im Finale als letzte Starterin auf die Bahn und verbesserte dort die bis dahin gültige Bestmarke. »Ich bin sehr glücklich. Wenn es nächstes Jahr so läuft, das wäre echt super«, wagte die Vorjahreszweite einen Blick in Richtung Olympia 2024. Die Cottbuserin legte die zwei Runden in 32,820 Sekunden zurück und war 0,13 Sekunden schneller als die Australierin Kristina Clonan. Lea Friedrich, die nach der Qualifikation auf dem vierten Platz lag, steigerte sich und erkämpfte die Bronzemedaille.

Im Keirin am Sonntag (n. Red.) und im Sprintturnier, das am Mittwoch zu Ende geht, sind Hinze und Friedrich nun die Topfavoritinnen. Nach den Leistungen aus Teamsprint und Zeitfahren wäre es keine Überraschung, wenn sie wie 2020 in Berlin und 2021 in Roubaix erneut alle vier möglichen Titel unter sich ausmachen. Damit wären die Rollen für die in einem Jahr stattfindenden Olympischen Spiele klar verteilt.

Ein Selbstläufer wird Paris 2024 dennoch nicht. Das haben die Spiele 2021 in Tokio gelehrt, als Hinze und Friedrich trotz starker Vorleistungen mit »nur« einer Silbermedaille zurückkamen. »Die Ergebnisse von Glasgow sagen nichts darüber aus, wie es im nächsten Jahr laufen wird. Es ist einfach noch ein Jahr hin, aber natürlich geben einem die Ergebnisse Selbstbewusstsein und Mut. Es zeigt, dass wir in die richtige Richtung gehen und gut trainieren. Man kann viel mitnehmen aus der Vorbereitung in diesem Jahr, da der Termin von Olympia genau wie diese WM liegt«, sagte Hinze. Und dem zweifelsohne wie vor Tokio aufkommenden Druck sieht sich eine sportlich wie auch mental weiter gereifte Emma Hinze auch gewachsen: »Ich habe daraus gelernt«, sagt die Sprinterin.

Von Medaillen ein gutes Stück entfernt sind dagegen weiter die Männer. Die Zeiten, als René Wolff aus Erfurt, der Schweriner Stefan Nimke, Maximilian Levy aus Cottbus oder der Chemnitzer Stefan Bötticher das Weltniveau im Sprint mitbestimmten und regelmäßig aufs Podium fuhren, sind lange vorbei. Immerhin: Im Teamsprint belegte das Trio mit Luca Spiegel (RV Dudenhofen) und den beiden Cottbusern Nik Schröter und Maximilian Dörnbach (beide RSC Cottbus) einen starken fünften Platz und machte einen wichtigen Schritt Richtung Paris. In 42,92 Sekunden überzeugte die kurzfristig umgestellte deutsche Mannschaft auch mit der Zeit. »Mit unserer Zeit und Platzierung bin ich zufrieden. Wir sind auf dem richtigen Weg«, sagte Nik Schröter. Weltmeister wurden in einem packenden Finale die Männer aus den Niederlanden, die ähnlich wie die deutschen Frauen seit Langem das Niveau bestimmen.

Eine weitere deutsche Medaille auf der Bahn gewann Franziska Brauße aus Eningen als Zweite in der 3000-Meter-Einerverfolgung. Der umgestellte deutsche Frauen-Vierer, der in Tokio Olympiasieger wurde, fuhr in der Besetzung Brauße, Lisa Klein, Lena Charlotte Reißer und Mieke Kröger diesmal nur auf Platz sieben. Der deutsche Männer-Vierer belegte den gleichen Rang.

Umweltaktivisten stoppen WM-Fahrer

Das prestigeträchtige Straßenrennen der Weltmeisterschaften in Glasgow ist am Sonntag durch eine Protestaktion von Umweltaktivisten fast eine Stunde lang unterbrochen worden. Nach knapp 80 Kilometern ging für die Fluchtgruppe sowie das Hauptfeld auf einer engen Bergstraße nichts mehr, sodass der Ausgang des Rennens (nach Redaktionsschluss) erheblich verzögert wurde. Die Aktivisten der Organisation This is Rigged übernahmen die Verantwortung für die Aktion, bei der sich mehrere Personen auf dem Asphalt festgeklebt hatten. Das von den Veranstaltern produzierte Fernsehbild zeigte sie jedoch nicht. Fünf Personen wurden festgenommen. Der im Radsport als Großsponsor aktive Chemiekonzern Ineos sei Ziel des Protests gewesen, hieß es in einer Erklärung der Gruppe. Ineos produziert in Schottland Diesel und Benzin. SID/nd

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