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Mit Unsinn tiefer in die Klimakrise
Robin Jaspert über einen Vorstoß des Ökonomen Hans-Werner Sinn
Der emeritierte Wirtschaftsprofessor Hans-Werner Sinn behauptete kürzlich, dass sowohl das angestrebte Aus des Verbrennungsmotors als auch das Verbot ölbetriebener Heizungen in Deutschland den Klimawandel beschleunigen. Das ist grob falsch: Der behauptete technische Zusammenhang existiert nicht, wie die Umweltexpertin Claudia Kemfert richtigstellt. Sinn stützt sich in seinen Thesen auf eine Quellenlage, die beobachtet: Wenn die Klimakrise über Marktmechanismen bekämpft werden soll, müssen global die Preise für fossile Energieträger steigen und für erneuerbare Energiequellen sinken. Das ist aber nichts Neues. Auf Basis dieser wirtschaftswissenschaftlichen Feststellung lassen sich allerdings verschiedene politische Schlüsse ziehen.
Erste Möglichkeit: Man bekämpft jeden Versuch, den Verbrauch fossiler Energieträger in Deutschland zu reduzieren und Menschen dazu anzuregen oder zu verpflichten, auf nachhaltigere Alternativen umzusteigen. Dafür blendet man wider besseres Wissen aus, dass Deutschland historisch gesehen für sage und schreibe 5,37 Prozent der globalen CO2-Emissionen verantwortlich ist und ignoriert, dass die EU auch heute relativ zu Einwohner*innen wesentlich höhere Treibhausgasemissionen als China hat. Man pfeift so auf jeden Anspruch an Klimagerechtigkeit. Im gleichen Atemzug verteidigt man die deutsche Autoindustrie, deren Bosse lieber für die Aufrechterhaltung des Dienstwagenprivilegs lobbyieren und ihre Produktion immer stärker auf SUVs ausrichten, statt sich ernsthaft mit der Konversion der Produktion hin zu nachhaltigen Transportmöglichkeiten jenseits des motorisierten Individualverkehrs auseinanderzusetzen.
Zweite Möglichkeit: Man erkennt an, dass die Klimakrise keine abstrakte Sache irgendwann in der Zukunft ist, sondern bereits heute die am stärksten betroffenen Regionen und Menschen ihrer Lebensgrundlagen beraubt, sie durch stetig zunehmende Umweltkatastrophen tötet und in die Flucht zwingt. Um die schlimmsten Auswirkungen zu dämpfen, muss jetzt gehandelt werden. Der Kurs der Bundesregierung zeigt jedoch aktuell auf 4,4 Grad Erwärmung und ist damit meilenweit von der Zielsetzung internationaler Vereinbarungen entfernt. Auch wenn jeder UN-Klimagipfel frustrierender wird, erkennt man an, dass die international vereinbarten Klimaziele und die sich daraus ableitenden nationalen Verpflichtungen aktuell die einzige globale Ebene zur Koordination der Bekämpfung der Klimakrise sind.
Robin Jaspert studiert Wirtschaftssoziologie an der Goethe-Universität in Frankfurt am Main.
Hans-Werner Sinn steht exemplarisch für die erste Möglichkeit und plädiert für einen marktbasierten, globalen Emissionshandel. Dieser ist allerdings politisch unrealistisch und – so dieser dem Beispiel des europäischem Systems folgt – auch ökonomisch zahnlos. Der Aufbau eines nachhaltigen Energiesystems auf der Grundlage der aktuell vorhandenen technischen Gegebenheiten ist, so Sinn weiter, unmöglich. Das ist zwar Stand 2023 durchaus richtig, entbindet aber weder von der Notwendigkeit, alle verfügbaren Ressourcen für den Aufbau eines nachhaltigen Energiesystems zu mobilisieren, noch von der Pflicht, gleichzeitig auf jeder möglichen Ebene den Verbrauch fossiler Energieträger zu senken.
Eine Energiewende kann nur politisch von unten und mit Rückgriff auf die eingegangenen Verpflichtungen erkämpft werden. Das kann nur funktionieren, wenn politisch richtige Maßnahmen wie das Aus für den Verbrennungsmotor und das Verbot von Ölheizungen mit weitreichenden Umverteilungsmaßnahmen kombiniert werden. Hier liegt der eigentliche Schwachpunkt der aktuellen Gesetzgebungsverfahren. Denn ohne weitreichende Umverteilung wird die Bekämpfung der Klimakrise gegen die unteren Klassen ausgetragen, die logischerweise keine Lust haben, noch die E-SUVs ihrer Bosse zu subventionieren.
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