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Senegals Oppositionsführer Sonko greift zum Hungerstreik
Senegals Oppositionspolitiker wehrt sich gegen die juristische Verfolgung
Senegals Oppositionsführer Ousmane Sonko wehrt sich gegen seine jüngste Verhaftung. Nach einem Bericht des französischen Senders RFI ist er nach einem einwöchigen Hungerstreik ins Krankenhaus eingeliefert worden. Sonko war vor gut einer Woche im Vorfeld eines Strafverfahrens gegen ihn wegen Aufrufs zum Aufstand, Verschwörung gegen den Staat und anderer Vorwürfe verhaftet worden. Kurz darauf hatte der Politiker einen Hungerstreik aus Protest gegen »Hass, Lügen, Unterdrückung und Verfolgung« begonnen. Bereits im Juni wurde Sonko wegen sexuellen Missbrauchs zu zwei Jahren Haft verurteilt. Sonko nannte die Vorwürfe politisch motiviert.
Mit dem neuen Verfahren droht dem beliebten linken und antiwestlichen Oppositionsführer Sonko das endgültige Aus für seine politische Karriere. Die Liste der im Raum stehenden Vorwürfe ist lang. Sie reicht vom Aufruf zum Aufstand über Bildung einer kriminellen Vereinigung auch im Zusammenhang mit terroristischen Vorhaben bis hin zu Gefährdung der Staatssicherheit, Verschwörung gegen den Staat, Landfriedensbruch, Diebstahl und Verbreitung falscher Nachrichten.
Es drohen 20 Jahre Haft
Derweil wartet Sonko auf seine Gerichtsverhandlung, erklärt Abdou Diagne, Koordinator der Sonko-Partei Pastef in Deutschland, gegenüber »nd«. »Das kann sich noch lange hinziehen, bis nach den Präsidentschaftswahlen im Februar 2024. Es geht einzig und allein darum, Sonko jetzt – etwa sechs Monate vor den Präsidentschaftswahlen, wo er gute Chancen hätte, neuer Präsident zu werden – aus der Öffentlichkeit zu nehmen.« Sollte es tatsächlich zum Prozess kommen und Sonko verurteilt werden, drohen ihm 20 Jahre Haft.
Für den 49-Jährigen, der auch Bürgermeister der südsenegalesischen Großstadt Ziguinchor ist, sind Festnahme, Hausarreste, Einschüchterungen von Behörden sowie Verurteilungen nichts Neues mehr. Sonko ließ sich bis jetzt davon nicht einschüchtern, genauso wenig seine Anhänger. »Wir lassen uns nicht entmutigen, auch nicht Sonko«, sagte Diagne dem »nd«.
Teller und Rand ist der nd.Podcast zu internationaler Politik. Andreas Krämer und Rob Wessel servieren jeden Monat aktuelle politische Ereignisse aus der ganzen Welt und tischen dabei auf, was sich abseits der medialen Aufmerksamkeit abspielt. Links, kritisch, antikolonialistisch.
Sonkos letzte Verurteilung wegen »Verführung von Minderjährigen« datiert aus dem Juni. Landesweite Demonstrationen und tödliche Proteste flankierten das Urteil, das Sonko zwei Jahre Haft einbrachte. Dieser Haftbefehl wurde aber nicht vollstreckt. Nun scheint die senegalesische Justiz in dem offensichtlich »politisch motivierten Prozess«, wie kürzlich die Politologin und Afrika-Forscherin Anja Osei von der FU Berlin gegenüber »nd« sagte, ernst zu machen.
Am 31. Juli verkündete das Innenministerium Senegals überdies die Auflösung von Pastef, der größten, von Sonko geführten Oppositionspartei. Begründet wurde der Schritt mit der Rolle der Partei bei den gewaltsamen Protesten in der Hauptstadt Dakar im Juni. Die Parteiführung habe ihre Anhängerinnen und Anhänger dazu angestiftet, an aufständischen Bewegungen und Unruhen teilzunehmen, was zu Verlusten von Menschenleben, zahlreichen Verletzten und Plünderungen von öffentlichem und privatem Eigentum geführt habe, erklärte Innenminister Diome.
»Es steht dem Innenminister nicht zu, eine Partei aufzulösen«, sagt Diagne. Vielmehr bedarf es für ein Parteiverbot eines richterlichen Beschlusses. Es ist das erste Mal seit Senegals Unabhängigkeit von Frankreich 1960, dass eine politische Partei verboten wird. Die frühere bei Staatspräsident Macky Sall in Ungnade gefallene Premierministerin Aminata Touré wertet dies als »unvorhergesehenen Rückschlag« in der demokratischen Geschichte des Senegals.
Wie sich Sonkos Inhaftierung und Anklage sowie das Verbot seiner Partei auf Sonkos Kandidatur bei den Wahlen auswirkt, ist noch unklar. Er könnte bis nach den Wahlen in Untersuchungshaft bleiben und danach erst wieder freikommen. Damit hätte Präsident Sall sein Ziel erreicht. Sonko könnte nicht sein Nachfolger werden. Und Sall würde sich womöglich jede Menge Ärger und juristische Nachspiele ersparen. Sonko will Sall nachweisen, dass seine Amtszeit von Korruption, Misswirtschaft und Bestechlichkeit geprägt war.
Proteste gegen Sonkos Verhaftung
Im Zuge von Sonkos Verhaftung und Anklage kam es erwartungsgemäß erneut zu heftigen Protesten in Dakar sowie in Ziguinchor, wo nach Behördenangaben zwei Menschen starben. In der Millionenstadt Dakar wurde etwa die Autobahn, die in die Hauptstadt führt, blockiert und Reifen und Lastwagen angezündet. Vereinzelt kam es zudem zu Zusammenstößen von kleineren Protestgruppen mit der Polizei, die mit Tränengas gegen die Demonstrantinnen und Demonstranten vorgingen.
Die Regierung reagierte auf die Proteste teils mit der Sperrung des Zugangs zu sozialen Medien und der zeitweiligen Abschaltung des mobilen Internets; am vorigen Mittwoch wurde dann auch der Zugang zur Plattform Tiktok gesperrt. Diese Maßnahmen würden die Verbreitung von »hasserfüllten und subversiven Botschaften« sowie Anstiftungen zur Gewalt von im Ausland lebenden Senegalesen verhindern, behauptete das Innenministerium.
Diagne und andere Sonko-Anhänger wollen unterdessen weitermachen. Und sich mit dem Verbot der Pastef nicht abfinden. Nach einer Stabilisierung der Lage in Senegal sieht das nicht aus.
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