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Spanien nach der Wahl: Sánchez braucht Mehrheit
Spaniens Sozialdemokraten müssen für eine Mehrheit mit katalanischem Exil-Präsidenten verhandeln
Der geschäftsführende spanische Ministerpräsident Pedro Sánchez nimmt die Lage nach den Parlamentswahlen in Spanien im Juli offensichtlich nicht sehr ernst. Statt an einer Mehrheit für seine Sozialdemokraten (PSOE) und die Unterstützer des Linksbündnisses »Sumar« (Summieren) zu basteln, gönnt sich Sánchez erst einmal Ferien. Die verbringt er ausgerechnet in Marokko, womit er das autokratische Königreich weiter politisch stärkt. Das bringt ihm neue Kritik ein, zumal neben der illegalen Besetzung der Westsahara durch Marokko davon ausgegangen wird, dass Marokko auch Sánchez über die Spionagesoftware Pegasus ausgespäht hat.
Dass nächste Woche das wichtige Parlamentspräsidium bestimmt wird, treibt Sánchez auch nicht an. Er will erst danach Gespräche führen. Dabei fällt mit der Wahl des Präsidiums eine wichtige Vorentscheidung, ob es zu Neuwahlen im Herbst kommt. Die Lage für das Bündnis PSOE-Sumar hat sich zudem weiter verschlechtert. Die rechte Volkspartei (PP) hat als Wahlsieger der PSOE in Madrid einen weiteren Sitz über die Auszählung der Auslandsstimmen abgenommen. Die Chance, dass bei Unterstützung etlicher Regionalparteien bereits eine Enthaltung der Partei des katalanischen Exilpräsidenten Carles Puigdemont für eine Regierungsbildung reichen würde, ist nun zerstoben. Der Wahlrat hat am Montag den Antrag der PSOE zur Nachzählung der ungültigen Stimmen definitiv abgelehnt, um diesen Sitz vielleicht zurückgewinnen zu können. Das heißt, Sánchez braucht für eine Mehrheit die sieben Stimmen von Puigdemonts liberal-katalanischer Partei »Gemeinsam für Katalonien« (JxCat), die für die Selbstbestimmung und die Unabhängigkeit Kataloniens eintritt.
Obwohl die PSOE nun das Ja von JxCat braucht, wird in deren Parteizentrale in Barcelona mit Erstaunen aufgenommen, dass die Sozialdemokraten bisher keinen Kontakt gesucht haben. Sánchez hat sogar »Sumar« zurückgepfiffen, da das Linksbündnis nach den Wahlen zu Puigdemont Kontakt aufgebaut hatte. Sánchez wolle das Seil offenbar bis zur Zerreißgrenze spannen, glaubt man bei JxCat.
Anders als die PSOE fühlt derweil die PP im belgischen Waterloo bei Puigdemont über »private« Kanäle aus dem Umfeld von PP-Chef Alberto Núñez Feijóo vor, ob Verhandlungen über eine Unterstützung möglich wären, obwohl das die PP-Sprecherin Cuca Gamarra vergangene Woche dementierte. Doch Quellen aus dem Puigdemont-Umfeld bestätigen gegenüber »nd«, die PP wolle »Wege ausloten«, nachdem man die Forderungen von Puigdemont und JxCat gehört habe.
Puigdemonts Forderungen sind klar. Amnestie für die Vorgänge seit dem einseitigen Unabhängigkeitsreferendum 2017, denn Tausende Verfahren stehen noch aus und noch werden er und andere Exilanten verfolgt. Es geht auch um die Anerkennung des Selbstbestimmungsrechts und ein Referendum über die Unabhängigkeit nach dem Vorbild Schottlands. Für JxCat gibt es »zwischen PP und PSOE in Bezug auf Katalonien leider kaum Unterschiede«, hatte der Exilpolitiker Toni Comín, der dem linken Flügel von JxCat angehört, im »nd«-Interview erklärt. Daraus rührt die JxCat-Bereitschaft, auch mit der PP zu sprechen. Stets habe sich Puigdemont offen für Gespräche mit allen gezeigt, bekräftigt man in der Partei.
Dass die PP der JxCat so weit entgegenkommt, um Feijóo zum Regierungschef küren zu können, ist mehr als zweifelhaft. Große Teile der PP stemmen sich vehement gegen eine Amnestie und ein Referendum. Sollte Feijóo darauf eingehen, bricht ihm auch die Unterstützung der rechtsradikalen Vox weg. Mit der PP zu sprechen ist eine Strategie von JxCat, um die PSOE in Bewegung zu bringen. Dazu bekommt JxCat mit diesem Vorgehen viel Aufmerksamkeit gegenüber dem innerkatalanischen Rivalen und vor möglichen Neuwahlen. Die Republikanische Linke Kataloniens (ERC) hatte Sánchez in der laufenden Legislatur praktisch ohne Gegenleistung unterstützt und wurde dafür mit einem Absturz bei den Wahlen abgestraft. Die ERC fiel von 13 auf sieben Mandate.
Sánchez pokert wie gewohnt hoch und versucht Puigdemont für potenzielle Neuwahlen verantwortlich zu machen, bei denen PP und Vox eine absolute Mehrheit für eine rechte-ultrarechte Regierung erhalten könnten. JxCat sieht die Verantwortung nur bei der PSOE, weil sie sich demokratischen Vorgängen verweigere. Weder eine Amnestie noch ein Referendum seien ein Problem. Der ehemalige Verfassungsgerichtspräsident Juan Antonio Xiol Ríos erklärt: »Die Amnestie steht perfekt im Einklang mit der Verfassung.« Es sei keine »juristische«, sondern eine »politische« Frage.
Eine politische Frage ist auch das Selbstbestimmungsrecht. Spanien hat den UN-Sozialpakt 1977 ratifiziert und der definiert das Selbstbestimmungsrecht schon in Artikel 1 als Menschenrecht. Im spanischen Gesetzesblatt steht, dass »Verpflichtungen aus den geltenden internationalen Abkommen, bei denen Spanien Vertragspartei ist, eingehalten werden müssen«. Die Auslegung des Selbstbestimmungsrechts ist freilich nicht nur in Spanien umstritten. Dort wird es autonomen Regionen bis dato verwehrt. Kanada ist eine der wenigen Ausnahmen, dort wurde es Québec gewährt. Die Unabhängigkeit wurde zweimal abgelehnt – 1980 und 1995. Seitdem ist sie nur noch ein Randthema.
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