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Berliner Freibäder: Bratwurstwolke am Insulaner
Entspannung im Regen: Ein Besuch im Freibad am Insulaner
Das sattgraue Gewölk des Himmels lichtet sich zu pastellblau mit puderweißen Schleiern. Als diese plötzlich aufziehen, beleuchtet die Sonne einen Streifen des vor uns liegenden Fünfzig-Meter-Beckens mit seiner Handvoll Schwimmerinnen und Schwimmern. Ein älterer Herr krault durch den leuchtenden Abschnitt. Die Aluminiumverkleidung des Beckens reflektiert das Licht und zaubert einen strahlend türkisfarbenen Keil in das graublaue Nass.
»Du kannst nicht ohne Wasser leben«, sagt Dirk, ein passionierter Schwimmer, der neben mir an der Balustrade lehnt. Vor uns entfaltet sich das Sommerbad am Insulaner, das vor Kurzem Schauplatz einer sehr gelungenen »aspekte«-Sendung über Freibäder in der Literatur war. Beim Schriftzug beginnend strahlt das älteste Freibad Berlins Geschichte aus, gleich hinter dem Eingang steht ein ausrangiertes Rutschkrokodil, Nutzbauten stammen nebst Piktogrammen aus den Fünfzigern, die Liegewiesen schmiegen sich an den Trümmerberg Insulaner, auf dem die Wilhelm-Foerster-Sternwarte hockt. In nicht so regenreichen Sommern kann man hier vom Steglitzer Kreisel über den Gasometer Schönebergs bis zum Fernsehturm am Alexanderplatz gucken.
Apropos Regen, an diesem Wochentag Anfang August besuchen kaum ein Dutzend Kinder das Sommerbad, davon lernen ein paar Schwimmen, andere springen in Neopren-Anzügen vom Dreier. Die dicke Regenwand ist abgezogen, sie hat nicht einmal die beiden Bademeisterinnen aus der Ruhe gebracht, die neben dem Aufsichtshäuschen mit der Temperaturtafel sitzen geblieben sind. Dirk hat eine Stunde seine Bahnen gedreht, ich halb so lange, jetzt schauen wir vom Oberrang der terrassenförmigen Tribünen über das Fünfzig-Meter-Becken und die Sprunganlage zum verwaisten Kinderbecken mit Riesenrutsche und Badepilzen.
»Am schönsten ist es, wenn es regnet und du völlig allein bist oder mit zwei, drei Leuten. Wenn du lange schwimmst, weißt du ja, wann du gehen musst. Das bringt sonst nichts. Bei 30 Grad fährst du an den See raus. Hier kannst du schwimmen, wenn’s regnet. Dann hast du unendliche Ruhe. Das ist so entspannend!«
Ich drehe mein Gesicht in die Sonne, die endgültig alle Schleier verjagt hat, und blinzle die obere Ebene des Bades entlang. Vom Eingang her führen ein paar Treppen hinauf zu den Flachbauten mit Umkleiden, herrlich heißen Duschen und dem Verkaufspavillon – ein Highlight der Freibadgastronomie! Gerade tritt eine Mutter mit ihren Kindern an das linke Fenster der vielleicht zehn Meter langen Front. Der Verkäufer schlappt kurz darauf durch den gesamten Laden, vorbei an aufgeblasenen Badetieren, Schwimmflügeln, Capri-Sonne, Bonbongefäßen, Knoblauch- und Chilischotenzöpfen zum anderen Ende, die Kinder wollen Crêpes mit Nutella.
»Im Sommer gehe ich viermal die Woche schwimmen, im Winter dreimal, das reicht dann. Hier schwimm ich drei Kilometer, im See fünf. Dann schaltest du einfach ab und schwimmst.« Wir trinken Kaffee aus Pappbechern, die Sonne scheint, ein Mädchen steht mit zugehaltener Nase auf dem Drei-Meter-Sprungturm. Macht einen Schritt nach vorn. Der Schwimmlehrer und die anderen Kinder applaudieren, als sie wieder auftaucht. Ein Bademeister schlendert am Kinderbecken entlang und sammelt Blätter aus dem Überlauf.
Auf dem Weg zur S-Bahn laufen wir den Insulaner hoch, ich erspähe durch die Bäume eine Schrebergarten-Kolonie. »Wenn es richtig heiß ist im Sommer, gibt es samstags ’ne Bratwurstwolke«, lacht Dirk, »dann grillen alle und der Smog zieht rüber bis zum Bad. Dann haste da auch ’ne Wolke!«
Anne Hahn ist Autorin von Romanen und Sachbüchern und schwimmt für »nd« durch die Gewässer der Welt.
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