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Charlottenburg: Am Westkreuz will Berlin glänzen
Senat will einen Plan für Wohnen und Arbeiten zwischen Autobahndreieck und Eisenbahnknoten
Berlin will sich schick machen am Westrand der Innenstadt. Für rund anderthalb Quadratkilometer Fläche im Bereich um die S-Bahnhöfe Westkreuz und Grunewald wird ein tragfähiges städtebauliches Konzept für den Bau eines gemischten Quartiers aus Wohnen und Arbeiten gesucht. Autofrei, klimaresilient, dem Prinzip der Schwammstadt folgend soll das »Stadteingang West« getaufte Areal entwickelt werden.
Eine Fertigstellung ist laut Ausschreibung für den Wettbewerb zum entsprechenden Masterplan »nicht vor 2045 zu erwarten«. Bis dahin will Berlin das Ziel der Klimaneutralität erreicht haben. »Vor dem Hintergrund des langen Planungs- und Realisierungszeitraums muss jeder Planungsvorschlag dieses Ziel nicht nur ermöglichen, sondern als umsetzbar darstellen«, heißt es.
Angesichts der langen Zeitperspektive ist am Montagabend ein gewisser Unmut bei Interessierten und Planenden zu vernehmen, dass der »Schulterblick« genannte Bürgerbeteiligungstermin in einem Verwaltungsgebäude an der Brunnenstraße in Gesundbrunnen mitten in der Ferienzeit stattfindet. Dementsprechend überschaubar ist der Besucherandrang von rund zwei Dutzend Personen. Vier von ursprünglich acht eingeladenen Planungsteams sind in der zweiten Phase des Wettbewerbsverfahrens noch übrig.
Das Gelände ist schwierig. Begrenzt und durchkreuzt von A100, Avus, dem Autobahndreieck Funkturm, der Ringbahn, den Bahnstrecken Richtung Zoo, Wannsee und Spandau sowie von deren Schnittpunkt, dem Bahnhof Westkreuz. Am Ende bleibt mit 45 Hektar nur knapp ein Drittel der 1,5 Quadratkilometer Fläche übrig.
Auf 3,3 Kilometern Länge sollen eine Schule, mindestens 3000 Wohnungen, ein moderner innerstädtischer Umschlagplatz von der Schiene auf die Straße, Produktions- und Büroflächen sowie ein neues Zentrum für die Messelogistik entstehen.
Ganz im Süden des Geländes ist derzeit ein Pferdehof angesiedelt. Die Fläche ist in Privateigentum. Nordöstlich schließt sich das Areal des ehemaligen Güterbahnhofs Grunewald an. Auf dieser größten Teilfläche wollte der Unternehmer Kurt Krieger nach dem Kauf 2010 ursprünglich zwei Möbelhäuser errichten. Nachdem das Projekt nicht vorangegangen war, verkaufte er 2015 entnervt an ein Luxemburger Unternehmen. Seit 2022 ist die landeseigene Wohnungsbaugesellschaft Howoge Eigentümerin eines Großteils der Fläche, auf der noch einige genutzte Gebäude stehen. Weiter nordöstlich anschließende Grundstücke gehören der Bahn, dem Bund und dem Bundeseisenbahnvermögen.
Um das letzte Teilgebiet östlich des Bahnhofs Westkreuz tobt seit Jahren ein Rechtsstreit zwischen dem Bezirk Charlottenburg-Wilmersdorf, der das Vorkaufsrecht ausüben will, um dort auf verwilderten oder als Kleingärten genutzten ehemaligen Bahnflächen den neuen Westkreuzpark zu errichten. Das Areal wurde jedoch vom Immobilienunternehmer Uwe Glien gekauft, der dort 1000 Wohnungen bauen will. 2022 unterlag der Bezirk vor dem Landgericht, nun ist das Kammergericht am Zug.
Auslöser des Berliner Planungseifers ist der Neubau des Autobahndreiecks Funkturm, in dessen Zuge die Avus auf einem längeren Abschnitt neu geführt wird. Das ermöglicht überhaupt erst eine vernünftige Erschließung des einstigen Güterbahnhofs Grunewald und damit eine Bebauung. Baubeginn soll frühestens nächstes Jahr sein, eine Fertigstellung wird für 2032 erwartet.
Die Planungsteams haben blumige Beschreibungen für das durch Verkehrswege zerstückelte Gebiet gefunden. Hajo Paap vom Architekturbüro Gerkan, Marg und Partner vergleicht es mit der Inselwelt der Ägäis, in der die Menschen vor Jahrtausenden nutzbare und nicht nutzbare Inseln vorgefunden haben. Ein anderes Büro hat das Bild einer Lagune entwickelt.
Aufgrund der Zwangspunkte ähneln sich die Entwürfe sehr stark, was von Besucherinnen und Besuchern auch kritisiert wird. Rund um das Westkreuz sollen je nach Büro teilweise bis zu über 100 Meter messende Hochhäuser an A100 und Ringbahn eine Art Stadttor bilden. Wohnblöcke sind auf Teilen der Charlottenburger Kleingartenflächen vorgesehen. Grundsätzlich ist es sinnvoll, an so einem Verkehrsknoten dichte Bebauung vorzusehen.
Das dänische Team von Henning Larsen Architects plant allerdings Ersatzflächen an anderer Stelle. Einzig dieses Büro schlägt auch eine Gebäudenutzung für Flächen im Autobahndreieck vor, ein Rechenzentrum, dessen Abwärme zur Beheizung genutzt werden könnte, oder eine Biogasanlage etwa. Etwas ratlos schlagen die anderen drei »Stadtwildnis«, große Land Art oder einen künstlerisch anmutenden Aussichtspunkt vor.
Auf dem Güterbahnhofsgelände soll es je nach Entwurfsvorschlag mehr oder weniger dichte Wohnbebauung nebst nicht störendem Gewerbe werden. Die Straßenanbindung soll – getrennt nach Gewerbe und Wohnen – über zwei Brücken Richtung Avus erfolgen. Fahrrad- und Fußverkehr sollen im gesamten Planungsbereich ein dichtes Netz an breiten Wegen bekommen, die mit zahlreichen Über- oder Unterführungen die einzelnen Teilflächen und die Umgebung anbinden.
Für das zwischen Bahn und Avus eingezwängte, schmale Reiterhofareal sind ebenfalls Gewerbe- und Wohnbauten vorgesehen. Hinter vorgehaltener Hand wird eine wirtschaftlich tragfähige Bebauung in dem stark verlärmten Bereich allerdings für weniger realistisch gehalten.
Anfang nächsten Jahres will die Bauverwaltung einen Wettbewerbsgewinner küren, anschließend soll der Masterplan im Haus entwickelt werden. Bis zu einem möglichen Baurecht werden noch weitere Jahre ins Land gehen.
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