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Guatemala: »Arévalo ist der Kandidat der Hoffnung«
Die Menschenrechtsaktivistin Claudia Virginia Samayoa über die Stichwahl in Guatemala
Der zweite Wahlgang in Guatemala am 20. August wurde lange durch fragwürdige, politisch motivierte juristische Ermittlungen infrage gestellt. Nun findet er statt – ein Erfolg?
Ja durchaus, aber hinter den Kulissen wird weiter daran gearbeitet, wie sich das Wahlergebnis beeinflussen, drehen, manipulieren lässt – nur ist man jetzt vorsichtiger, und das hat mit der deutlichen Haltung der Organisation Amerikanischer Staaten (OAS) zu tun, dessen Präsident Luis Almagro zu einem viertägigen Besuch in Guatemala weilte und deutliche Worte fand. Das hat dazu beigetragen, dass die amtierende Regierung und der hinter ihr stehende Pakt der Korrupten vorsichtiger ist.
Sandra Torres heißt die eine Kandidatin, Bernardo Arévalo der andere, die für die Präsidentschaft in Guatemala kandidieren. Steht eine oder einer dem Pakt der Korrupten nahe?
Sandra Torres hat gerade den Veteranen der Armee eine Prämie nach ihrem Regierungsantritt versprochen, zugleich ist gerade ein Video von ihr publik geworden, aus dem klar wird, dass zur Strategie ihrer Partei, der Nationalen Einheit der Hoffnung (UNE), gehört, Wahlergebnisse von einzelnen Wahltischen anzufechten und überprüfen zu lassen. Der Eindruck entsteht, dass es darum geht, das Endergebnis zu verzögern. Dazu muss man wissen, dass Sandra Torres in den Umfragen hinten liegt und dass die ehemalige Sozialdemokratin nach rechts gerückt ist.
Claudia Virginia Samayoa ist Koordinatorin der Einheit zur Verteidigung von Menschenrechtsverteidiger*innen in Guatemala (Udefegua). Die Philosophin ist eine international renommierte Aktivistin für die Menschenrechte in Guatemala.
Es heißt auch, dass das elektronische Auszählungssystem, das eine schnelle Auszählung der Stimmen garantiert, torpediert wird?
Ja, die Initiative kommt vom Ministerio Público, der Generalstaatsanwaltschaft, das in der Hand der Korrupten ist. Es geht darum, schnelle Ergebnisse zu verhindern – das könnte Strategie sein.
Der Kandidat der Mitte-links-Bewegung Semilla, Bernardo Arévalo, hat im Wahlkampf immer wieder die omnipräsente Korruption gegeißelt und den Haushalt als das Öl für die Korruptionsmaschinerie bezeichnet. Ist er glaubwürdig?
Oh ja, er ist der Kandidat der Hoffnung für mich, er tritt klar und deutlich gegen die Korruption an und kann daher dem Pakt der Korrupten gefährlich werden. Er hat eine klare Agenda, eine saubere Biografie und engagiert sich für einen Wandel. Das ist die einzige und ich wage zu behaupten die letzte Option, die wir haben, um endlich einen wirklichen demokratischen Rechtsstaat aufzubauen. Der Einzug in die Stichwahl von Bernardo Arévalo war die große Überraschung für den Pakt der Korrupten, die meinten, alles unter Kontrolle zu haben, weil sie wirklich alle Institutionen des Staates kontrollieren. Sie haben nicht damit gerechnet, dass die Menschen gegen diese Strukturen wählen, dass sie gelernt haben aus den Wahlen von zwei korrupten Präsidenten hintereinander: Jimmy Morales und Alejandro Giammattei. Die beiden haben das Land zu einem Selbstbedienungsladen gemacht.
Selbst wenn Arévalo gewählt würde: Es gibt Pläne, seine Partei, die 21 Abgeordnete hat, zu verbieten, zu annullieren, richtig?
Ja, das sind die Szenarien nach dem Wahltag. Am 21. August wird es losgehen mit dem Knüppel-zwischen-die Beine-werfen. Der Pakt der Korrupten wird alles versuchen, um dem neuen Präsidenten das Regieren zu verunmöglichen. Ein Verbot von Semilla hätte zur Folge, dass die Partei ihren Status im Parlament verliert – sie könnte nicht an den Kommissionen, an der Wahl der oder des Parlamentspräsidenten/in usf. teilnehmen. Das wäre eine Schwächung der Position des Präsidenten im Parlament. Aber vieles deutet darauf hin, dass das Ziel der Annullierung der Partei Movimiento Semilla unabhängig von der Wahl Arévalos erfolgen wird.
Wie sind denn die Verhältnisse im Parlament – hätte Arévalo Chancen, seine Agenda durchzubringen?
Das Parteispektrum, welches Arévalo unterstützen würde, zählt rund 58 Abgeordnete beiderlei Geschlechts. Sie haben nicht annähernd die Mehrheit der 160 Parlamentarier*innen, aber durchaus Gewicht, sodass sie verhandeln, Kompromisse suchen und die Korruption bekämpfen könnten. Das wäre eine neue Situation, und ein erfolgreiches Korruptionsbekämpfungskonzept kann auch dafür sorgen, dass die Verhältnisse im Parlament sich verschieben – dass das Parteienspektrum des Paktes der Korrupten an Abgeordneten verliert. Das ist meine Hoffnung.
Die vergangenen Monate und Wochen erwecken den Eindruck, dass die Zivilgesellschaft aufgewacht ist – sich die Wähler*innen nicht mehr in dem Maße wie früher die Stimmen abkaufen lassen oder danach trotzdem wählen, was sie für richtig halten. Stimmt das?
Es hat sich mit dem 25. Juli vieles geändert. Die hohe Zahl von 17 Prozent der Wähler*innen, die ungültig wählten, dazu die sieben Prozent, die einen leeren Stimmzettel abgaben, sind ein Indiz dafür, dass die Leute protestieren und diesem Protest an der Urne Ausdruck verleihen. Das ist ein Grund, weshalb der Pakt der Korrupten Angst hat, der andere ist Bernardo Arévalo.
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