Kanada brennt wie noch nie

Die Provinz British Columbia an der Westküste erlebt Waldbrände von ungekanntem Ausmaß

  • Julian Hitschler
  • Lesedauer: 4 Min.
Zeichen der Verwüstung: Rauchsäule über dem Horizont am Strand von Kelowna, British Columbia
Zeichen der Verwüstung: Rauchsäule über dem Horizont am Strand von Kelowna, British Columbia

Von Kanada bis Griechenland, von Louisiana bis Teneriffa kämpfen große Teile der Erde zur Zeit mit katastrophalen Waldbränden. Die kanadische Waldbrandsaison übertrifft alle Rekorde, Hunderttausende Menschen mussten aus ihren Häusern und Wohnungen evakuiert werden. Über 15 Millionen Hektar standen diesen Sommer in Flammen, zehnmal mehr als im vergangenen Jahr, wie der Fernsehsender Al Jazeera berichtet. Zum Vergleich: Dies entspricht etwa der halben Fläche von Italien.

Nur langsam gelingt es Rettungskräften im ganzen Land, die zahlreichen Brände unter Kontrolle zu bekommen. Anders als im Juni, als Feuer die französischsprachige Provinz Quebec im Osten des Landes verwüsteten und New York in Smog hüllten, ist nun vor allem British Columbia an der Westküste betroffen. Etwa zwei Drittel der derzeit insgesamt über 1000 Feuer brennen hier.

Doch auch der hohe Norden des Landes steht in Flammen: Große Teile von Yukon und der Nordwestterritorien haben ebenfalls mit Hunderten außer Kontrolle geratenen Bränden zu kämpfen. Yellowknife, die Hauptstadt der Nordwestterritorien mit 20 000 Einwohnerinnen und Einwohnern, musste vollständig geräumt werden. Die Region gehört zu den ärmsten Kanadas, der indigene Bevölkerungsanteil liegt bei etwa 50 Prozent. Erst im Juli hatte eine Studie der Behörde für indigene Angelegenheiten festgestellt, dass diese Bevölkerungsgruppe besonders unter den Auswirkungen von Waldbränden leidet. Landesweit wurden bisher fast 200 000 Menschen aus bedrohten Gebieten evakuiert. Wegen Luftverschmutzung stiegt die Zahl der Notaufnahmen wegen Atemleiden in den Krankenhäusern des Landes deutlich an.

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Bisher waren bei den Bränden sechs Todesopfer zu beklagen. Kanada hat beim Brandschutz mehr Erfahrung und etablierte Protokolle, anders als etwa auf der Insel Maui im US-Bundesstaat Hawaii, wo Anfang des Monats aufgrund mangelhafter Vorbereitung über 100 Menschen bei Feuern ums Leben kamen.

Doch auch Kanada steht vor neuen Herausforderungen, was das Katastrophenmanagement angeht: Premierminister Justin Trudeau übte scharfe Kritik am US-Techkonzern Meta, dem Eigentümer von Facebook. Das soziale Netzwerk hat die Veröffentlichung von Nachrichten in Kanada eingestellt, entsprechende Inhalte werden blockiert. Auch Informationen über die Waldbrände waren von der Sperre betroffen. Grund dafür ist eine Reform des kanadischen Leistungsschutzrechts, mit der soziale Netzwerke zur Zahlung von Lizenzgebühren an Nachrichtenmedien verpflichtet wurden. Doch das Unternehmen verweigert eine solche Zusammenarbeit bislang.

»Facebook stellt Unternehmensgewinne über die Sicherheit der Menschen«, so Trudeau am Montag vor der Presse. Das Unternehmen ging auf die Vorwürfe des kanadischen Regierungschefs nicht ein und verwies lediglich darauf, die Bevölkerung könne sich über offizielle Kanäle informieren, die weiterhin auf der Plattform vertreten seien.

Darüber hinaus macht das Ausmaß und die Intensität der Brände die Bekämpfung zunehmend schwierig. »Zeitweilig war unsere Belegschaft auf allen Seiten vom Feuer umgeben«, so Jason Brolund, Feuerwehrchef der Stadt Kelowna am Okanagan Lake in British Columbia, gegenüber der BBC. »Sie würden nicht sagen, dass sie ›eingekesselt‹ waren, aber das war zweifelsohne gefährlich. Das Feuerverhalten, das wir beobachten konnten, war dramatisch, Luftströme haben Bäume mitsamt Wurzelwerk ausgerissen und wie Zahnstocher verstreut.« In der Stadt kehrten am Wochenende etwa 1800 Menschen nach zehn Tagen vorsorglicher Evakuierung in ihre Häuser zurück.

Dass der Klimawandel Waldbrände wahrscheinlicher macht und ihre Intensität erhöht, ist inzwischen wissenschaftlicher Konsens; Trockenheit und Hitze haben in den letzten Jahren auch in Kanada deutlich zugenommen.

Auch in der kanadischen Politik wird dies inzwischen offen thematisiert: »Ohne Zweifel besteht ein Zusammenhang zwischen der Schwere der Brände sowie ihrem Ausmaß, nicht nur hier in British Columbia, und dem menschengemachten Klimawandel«, so David Eby, der Premierminister der Provinz. »Wir erleben hier das vierte Dürrejahr in Folge, was die Brandsaison deutlich verschlimmert.«

Regierungschef Trudeau wies darauf hin, dass es für viele Menschen zunehmend schwierig werde, Versicherungsschutz für ihre Häuser zu bekommen. Konkrete Hilfe der Regierung in dieser Frage versprach er nicht. Im Juni hatten verschiedene Versicherungsunternehmen nach Bränden im US-Bundesstaat Kalifornien angekündigt, dass sie sich aus dem Markt zurückziehen wollen. Kanada ist ein bedeutender Ölproduzent und hat unter den Industrienationen mit 16 Tonnen pro Kopf mit den höchsten jährlichen Ausstoß an Kohlendioxid, obwohl 60 Prozent des Stroms aus Wasserkraft stammen.

Doch nicht nur in Kanada nehmen Waldbrände in diesem Sommer ein neues, bedrohliches Ausmaß an. Auch der US-Bundesstaat Louisiana kämpft mit Feuern in ungekannter Intensität: Mehr als 400 Mal brannte es hier allein im August bisher. In Griechenland kämpfen Rettungskräfte ebenfalls gegen zahlreiche Brände, unter anderem im Nationalpark Parnitha wenige Kilometer von Athen und im Schutzgebiet Dadia im Nordosten des Landes. Auf Teneriffa gelang es der Feuerwehr nach neun Tagen am Freitag endlich, einen Großbrand unter Kontrolle zu bringen.

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