Neonazi Alexander W.: Drei Finger weniger

Chemnitzer Neonazi soll Straftat vorgetäuscht haben

  • Hendrik Lasch
  • Lesedauer: 3 Min.

Es sei eine »Tat wie aus einem Horrorfilm«: So beschrieben die rechtsextremen Freien Sachsen auf ihrem Telegram-Kanal einen Vorfall, der sich vergangene Woche in Chemnitz ereignet und bei dem der Neonazi Alexander W. drei Finger verloren hatte. Diese seien ihm bei einem Spaziergang im Stadtpark mit einer Machete abgehackt worden – von vier maskierten Männern, meinte das Boulevardblatt »Bild« zu wissen. Es merkte auch an, der »Verbleib der Gliedmaßen« sei unklar. Für die Freien Sachsen galt als ausgemacht, dass das Opfer aus politischen Gründen überfallen worden war, womöglich weil er eine Jacke eines Szenelabels getragen hatte. Schuld sei eine »Macheten-Antifa«, hieß es in dem Bericht. Auch das in der rechten Szene beliebte Magazin »Compact« überschrieb einen Beitrag mit »Linke hacken Patrioten drei Finger ab«.

Inzwischen stellt sich der Fall deutlich anders dar. Das Landeskriminalamt (LKA) Sachsen teilte mit, man ermittle inzwischen gegen den Geschädigten selbst wegen des Vortäuschens einer Straftat. Einem weiteren Beteiligten werde schwere Körperverletzung vorgeworfen. Beide hätten sich zu den Tatvorwürfen bislang nicht geäußert. Ihre Wohnungen seien durchsucht worden. Dabei habe man auch »Stehlgut« aus einem Wohnungseinbruch sichergestellt.

Vom Tisch ist aus Sicht der Ermittler dagegen der »zunächst wahrscheinliche Verdacht für eine politisch motivierte Straftat«. Er hatte anfangs dazu geführt, dass die Sonderkommission Linx eingeschaltet wurde. Sie befasst sich mit Straftaten, die der linksextremen Szene zugeordnet werden. Dazu gehörten zum Beispiel Überfälle auf Neonazis in Eisenach, Leipzig und Wurzen, die einer Gruppe um die Leipziger Studentin Lina E. zugeordnet wurden. E. und drei Mitangeklagte wurden kürzlich in Dresden zu langjährigen Haftstrafen verurteilt. In Medienberichten wurde die Gruppe wegen wiederholt verwendeter Tatwerkzeuge als »Hammerbande« bezeichnet. Die Freien Sachsen orakelten jetzt, es könne zu einer neuen Serie von linksextremen Gewalttaten kommen: »Aus der Hammerbande könnte die Machetenbande geworden sein.«

Zweifel an dieser These hatte bereits eine Sprachnachricht des Geschädigten geweckt, die im Internet kursiert und in der er von ein »paar Vermummten« spricht, die ihm »mit einer Machete auf die Hand gekloppt« und die dabei abgetrennten Finger mitgenommen hätten. Dort ist keine Rede von etwaigen Äußerungen zu seiner Gesinnung oder von Tätern aus dem Antifa-Milieu.

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Völlig unklar ist weiterhin, wie genau und aus welchen Motiven die Verletzungen des 29-Jährigen entstanden. In einem Bericht des Portals T-Online äußert eine ermittelnde Staatsanwältin die These, diese könnten »einvernehmlich« verursacht worden sein, um sie anschließend politischen Gegnern in die Schuhe zu schieben. Das wäre ein bislang einzigartiges Beispiel für persönliche Opferbereitschaft. In Kommentaren im Internet sorgt der Vorfall für spöttische und höhnische Kommentare. Mit Blick auf seine rechtsextreme Gesinnung wird beispielsweise gefragt, ob W. denn noch ordentlich grüßen könne.

W. ist einer von vier Neonazis, die zuletzt aus Dortmund nach Chemnitz zogen. Der bekannteste von ihnen ist Michael Brück, der einst stellvertretender Landeschef der Nazikleinpartei Die Rechte in Nordrhein-Westfalen war, zum harten Kern der mittlerweile verbotenen Vereinigung Nationaler Widerstand Dortmund zählte und am versuchten Aufbau eines »Neonazikiezes« in einem dortigen Stadtteil beteiligt war. 2020 zog er nach Chemnitz, »vermutlich aufgrund politischer Erfolglosigkeit in NRW«, mutmaßt das Kulturbüro Sachsen. Er soll in der Kanzlei von Martin Kohlmann, dem Vorsitzenden der Freien Sachsen, beschäftigt sein. Von dort aus unterstützte er wohl auch W. Dieser hatte die letzte Zeit vor seiner Übersiedlung im Gefängnis verbracht.

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