Ein Wirrwarr von Weichenstellungen

Verbändebilanz zur Verkehrspolitik der Bundesregierung fällt sehr gemischt aus

  • Jörg Staude
  • Lesedauer: 3 Min.

Die Klimapolitik der Ampelkoalition besteht »aus drei verschiedenen Puzzles mit 1000 Teilen«. So brachte Brigitte Knopf, Vizevorsitzende des Klimaexpertenrats der Bundesregierung, ihren Eindruck schon vergangene Woche auf den Punkt. Was die Verkehrspolitik der Regierung angehe, könne er Knopfs Eindruck nur bestätigen, griff Dirk Flege am Mittwoch das Puzzle-Bild auf. Der Geschäftsführer der Allianz pro Schiene sagte, er erkenne zwar Aufbruchssignale in der Verkehrspolitik, diese irrlichterten aber in einem »Wirrwarr« von Weichenstellungen und Blockaden herum. Weder Gesamtstrategie noch Koordination sei erkennbar.

»Die Ampel flackert, blinkt und zeigt verkehrspolitisch immer wieder in verschiedene Richtungen«, fasste Flege seinen Eindruck bei der Präsentation eines verkehrspolitischen Checks der Regierungspolitik zusammen. Diesen legte das Schienenbündnis gemeinsam mit dem Allgemeinen Deutschen Fahrrad-Club (ADFC) und dem Auto-Club Europa (ACE) vor.

Beispielhaft für das Durcheinander steht aus Sicht der Verbände das Deutschlandticket. Was als Paukenschlag und mögliche Nahverkehrsrevolution begonnen habe, stecke jetzt in der ungeklärten Folgefinanzierung fest, kritisierte Flege. Vorläufiger Höhepunkt des Bund-Länder-Streits ist für ihn die pauschale Absage von Verkehrsminister Volker Wissing (FDP), die Bundesmittel für das Ticket aufzustocken – bei gleichzeitigem Verweis an die Länder, diese sollten alle Kostensteigerungen durch mehr Effizienz auffangen und das Angebot noch ausweiten. »Wir sind dabei, das tolle Instrument Deutschlandticket zu verstolpern«, warnte der Geschäftsführer von Allianz pro Schiene.

Seit einem Dreivierteljahr warten die Verbände nach Fleges Angaben auf die Umsetzung der Empfehlungen der von der Ampel selbst eingesetzten »Beschleunigungskommission Schiene«. Fachleute aus dem gesamten Schienensektor haben 70 konkrete Maßnahmen ausgearbeitet, die geprüft und zeitnah realisiert werden sollen, so jedenfalls die Zusage von Ende 2022.

Flege, selbst Mitglied der Kommission, mahnte die weitere Elektrifizierung des Schienennetzes an. In diesem und dem nächsten Jahr würden nicht einmal zwei Dutzend Kilometer elektrifiziert. »Es müsste achtmal so schnell gehen wie bisher, um bis 2030 tatsächlich 75 Prozent des Schienennetzes zu elektrifizieren«, sagte Flege. Zurzeit sind es 62 Prozent. Gerade für die Stärkung des Schienengüterverkehrs sei die weitere Elektrifizierung unersetzlich. »In der Güterbahn hilft ein Wasserstoff- oder ein Akkutriebzug, wie es ihn im Nahverkehr gibt, nicht wirklich. Die Oberleitungen gehören nicht auf die Straße, sie gehören auf die Schiene«, forderte er.

Als eher mangelhaft bewerten die Verbände die Radverkehrspolitik. Der Nationale Radverkehrsplan bleibe Absichtserklärung, solange es dafür keine klare Finanzierung gebe, betonte Angela Kohls vom ADFC. Keine 50 Kilometer Radwege aus dem Plan seien bisher fertiggestellt, beklagte sie. Noch immer sei völlig offen, wie viele Kilometer Radwege überhaupt gebaut werden sollten und welche Fördersumme es dafür gebe. Deutschland müsse endlich von einem Land des »Fahrradnotstands« zu einem attraktiven Fahrradland werden, forderte Kohls. Dafür werde jährlich eine Milliarde Euro Förderung benötigt.

Vor allem beim Abbau umwelt- und klimaschädlicher Subventionen hat sich laut dem Ampel-Check kaum etwas in die richtige Richtung bewegt. Entsprechend appellieren die Verbände an die Bundesregierung, Dienstwagen- und Dieselprivileg sowie die Kerosinsteuerbefreiung abzuschaffen. Die Verbände begrüßen, dass in diesem Jahr erstmals mehr Geld in die Schiene als in die Straße investiert werde. Alles in allem bewerten die drei Organisationen die Verkehrspolitik der Ampel noch als »ausreichend«.

Das gilt allerdings nicht für die klimapolitischen Ergebnisse, wie Flege ausdrücklich betonte. Die Verbände fordern hier unter anderem ein Tempolimit von 130, orientiert an der heutigen Richtgeschwindigkeit auf Autobahnen. In ihrem Resümee beklagen sie die fehlende Gesamtstrategie für Straße, Schiene und Radwege.

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