Mit Lobby-PR gegen Wärmepumpen

Britischer Verband der Gasheizungshersteller lanciert negative Berichte in wichtigen Medien

  • Peter Stäuber, London
  • Lesedauer: 4 Min.
Britische Backsteinhaussiedlung – wie wird hier in Zukunft geheizt?
Britische Backsteinhaussiedlung – wie wird hier in Zukunft geheizt?

Eigentlich ist die britische Regierung ein Fan von Wärmepumpen. Sie nähmen »eine zentrale Rolle« ein auf dem Weg zum Ziel der Klimaneutralität, sagt Grant Shapps, der bis Donnerstag Umweltminister war. Bis 2028 sollen jährlich 600 000 Wärmepumpen installiert werden. Zudem verspricht die Regierung, dass Großbritannien bis Ende des Jahrzehnts ein führender Markt für die Technologie sein wird. Aber die Rhetorik und die Realität klaffen weit auseinander.

Vergangenes Jahr, so zeigen die neuesten Zahlen, wurden in Großbritannien gerade einmal 55 000 Wärmepumpen verkauft. Zum Vergleich: In Frankreich mit etwa der gleichen Bevölkerungszahl waren es 620 000. Auch in 20 anderen europäischen Ländern wird der Umstieg auf die klimafreundlicheren Heizungen schneller vorangetrieben als auf der Insel – Großbritannien ist unter den Schlusslichtern.

Experten führen eine Reihe von Gründen an, weshalb das Land so weit hinterherhinkt. So gibt es beispielsweise nicht genügend Fachkräfte, die Wärmepumpen installieren können: Im Januar schätzte der Industrieverband Heating and Hotwater Industry Council, dass 150 000 zusätzliche Arbeiter gebraucht würden, um die erforderliche Zahl an Gasboilern zu ersetzen. Auch lasse die Regierung eine kohärente Strategie vermissen, wie die Wärmepumpenwende umgesetzt werden könne. Und dann ist da noch das verbissene Lobbying der Gasheizungsbranche, die die Umstellung auf die umweltverträglichere Technologie verzögern will. »Es gibt ein Machtgefälle zwischen der Wärmepumpen- und der Gasindustrie in Großbritannien«, schrieb die Stiftung MCS Foundation, die sich für erneuerbare Energien einsetzt, im Juni in einer Studie.

Das Investigativportal DeSmog gewährte kürzlich einen Einblick in die Methoden dieser Lobbyisten. So wurde enthüllt, dass die Energy and Utilities Association (EUA), die unter anderem Gasboilerhersteller vertritt, eine Werbeagentur beauftragt hat, Wärmepumpen mittels einer PR-Kampagne in ein schiefes Licht zu rücken. Die Agentur enttäuschte nicht: Sie schaffte es, in führenden Publikationen negative Berichte und Interviews über Wärmepumpen zu platzieren, etwa im auflagenstarken Boulevardblatt »The Sun« und im Tory-Hausblatt »Daily Telegraph«. Oft kommt in diesen Texten Mike Foster zu Wort, ehemaliger Labour-Abgeordneter und zurzeit Vorsitzender der EUA.

DeSmog ist zum Schluss gekommen, dass die Werbeagentur in den zwei Jahren bis April 2023 für zwei Drittel der negativen Berichterstattung in prominenten Publikationen verantwortlich ist. In Tageszeitungen, Fachpresse und Rundfunk werden Wärmepumpen etwa als »finanziell irrational«, »teuer und laut« oder »sowjetisch« gebrandmarkt. Als Alternative zu Erdgas beim Heizen werden Strom und Wasserstoff angepriesen, was unter Experten sehr umstritten ist. Insbesondere bestehen Zweifel, ob sie für das Beheizen von Wohnungen geeignet sind. Dass die Gasbranche sich für Wasserstoffheizungen einsetzt, hat einen schlüssigen Grund: Sie drohen ihr Geschäftsmodell weniger zu stören, weil sie bestehende Infrastruktur nutzen können.

Solch intensives Lobbying hat Folgen: Martin Freer, Energieexperte von der Universität Birmingham, sagte, dass der stockende Fortschritt bei Wärmepumpen teilweise daran liege, dass die Konsumenten etwas ratlos dastünden. »Die Eigenheimbesitzer erhalten widersprüchliche Botschaften von der Regierung und der Industrie, welche kohlenstoffarme Heizlösung die beste ist.« In manchen anderen Ländern gebe es solche Verwirrung nicht.

Die EUA setzt sich auch dafür ein, einen Regierungsplan für die schnellere Auswechslung von Gasboilern zu verzögern. Das Energieministerium will Hersteller ab 2024 dazu bringen, für jede produzierte fossile Heizung, die sie produzieren, eine bestimmte Anzahl Wärmepumpen herzustellen. Der Lobbyverband behauptet jedoch, dieser Zeitplan sei zu knapp, und fordert, dass die neue Regelung frühestens ab 2026 eingeführt wird. Die Non-Profit-Organisation Energy and Climate Intelligence Unit (ECIU) hat ausgerechnet, wie teuer eine solche Verzögerung werden könnte: Bis 2035 würde Großbritannien zusätzliche neun Milliarden Pfund (etwa 10,5 Milliarden Euro) an ausländische Gaskonzerne zahlen müssen. Die Regierung habe die Wahl, weiterhin Öl und Gas zu subventionieren und die Haushalte den Preisschwankungen auszusetzen – »oder Investitionen in erneuerbare Energien zu stecken«, sagte ECIU-Expertin Jess Ralston.

Die Umstellung auf kohlenstoffarme Heizungen wäre in Großbritannien aus klimapolitischer Sicht überaus sinnvoll: Dort heizen über 80 Prozent der Haushalte mit Gas. Die rund 26 Millionen Anlagen verursachen mehr als doppelt so viele Treibhausgasemissionen wie alle Gaskraftwerke zusammen.

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