Nach Berliner Silvesternacht: Respekt für Feuerwehrleute

Mit Sorge blicken Berliner Rettungskräfte auf den kommenden Jahreswechsel

  • Christian Lelek
  • Lesedauer: 3 Min.

Das politische Berlin ist ganz auf »innere Sicherheit« eingestellt. Auf Gipfeln und Konferenzen wird über das Thema gestritten. Auch der diesjährige Bundesfachkongress des Deutschen Feuerwehrverbandes setzt Gewalt gegen Einsatzkräfte als Schwerpunkt.

Etwa 120 Personen sind am Donnerstag im Festsaal der Stadtmission am Hauptbahnhof zusammengekommen. Die meisten von ihnen sind weiße Männer, gekleidet in weiße oder dunkelblaue Kurzarmhemden mit aufgenähten Wappen und Schulterstücken.

Es wird vor allem vor dem Hintergrund der vergangenen Silvesternacht debattiert. Einhellig wird betont, dass das Problem nicht auf Berlin und Silvester zu beschränken sei. Nur: »Die Qualität und die Brutalität sind neu«, sagt Karl-Heinz Banse, Präsident des Verbands, in seiner Eingangsrede.

Der Debatte um Ursachen und Maßnahmen gehen Schilderungen von Christian Woletz voraus, der in der Wache Urban in Kreuzberg eingesetzt war. Im Verlauf der Silvesternacht sei sein Fahrzeug zur Sicherung eines anderen gerufen worden, das in einen Hinterhalt gelockt worden sei. Als das Fahrzeug angehalten habe, sei es von 25 Vermummten angegriffen worden: mit Feuerwerk, Steinen und Schreckschusspistolen.

Die Angreifenden hätten niemanden verletzt, aber Werkzeug entwendet. Als sein Fahrzeug zur Hilfe gekommen sei, sei es ebenfalls attackiert worden. Woletz zeigt auf einem Video, wie Gegenstände von Angreifenden auf das Auto geworfen werden. »Wir saßen drin, um uns herum explodierte es ständig, wir mussten um Barrikaden manövrieren«, berichtet er. Mehrere dicke Sicherheitsscheiben des Autos seien zerstört worden. »Wenn ich zur Ruhe komme, denke ich manchmal: Was wäre passiert, wenn wir dort nicht weggekommen wären«, sagt Woletz.

Laut Berliner Feuerwehr wurden in der Silvesternacht bei 39 Angriffen 15 Kräfte verletzt. Bis zum 31. August wurden 106 Angriffe gemeldet, im Vorjahr waren es 140. Das Ausmaß liegt deutlich unter den Zahlen vor der Pandemie mit 211 Angriffen im Jahr 2019.

Dass die Silvesternacht Spuren in den Köpfen der »Kameraden« hinterlassen habe, sagt auch Stefan Ehricht, Sprecher der Betriebsgruppe Berliner Feuerwehr der Gewerkschaft Verdi, zu »nd«. »Die Silvesternacht ist und bleibt. Und je näher die nächste rückt, desto größer wird die Sorge, dass sich nichts geändert hat«, sagt er. Viele Ankündigungen blieben bisher nur Lippenbekenntnisse. Insbesondere sei mehr Personal für Eigenschutz und Aufklärungsarbeit in den Situationen nötig, aber auch für Brandschutzerziehung zum Beispiel an Schulen. Oftmals könne die Feuerwehr die eigenen und an sie gestellten Ansprüche nicht erfüllen.

Für die Politik spricht auf dem Kongress der Staatssekretär der Innenverwaltung Christian Hochgrebe (SPD). Einen Dreiklang aus Prävention, Intervention und Repression gelte es anzuschlagen. Dazu bräuchte es effizientere Strafverfolgung. Zu wenige Verurteilungen habe es gegeben, daher sollten künftig Kameras an Uniformen und Fahrzeugen helfen. Und es bräuchte mehr Kontakt zwischen Feuerwehrleuten und Bevölkerung.

Der Psychologe Ahmad Mansour macht wie die Sprecher vor ihm deutlich, dass hier kein migrantisches Phänomen vorliege. Dennoch bildeten bei einem Teil der jungen Täter aus migrantisch geprägten Familien aus Afghanistan oder dem Irak »patriarchale Strukturen« den Hintergrund. Damit daraus resultierende Ohnmachtsgefühle nicht durch Aggressionen auf leichter angreifbare Autoritäten kompensiert würden, plädiert er für mehr Begegnung und für mehr Migrant*innen in der Feuerwehr.

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