Grünes Signal an der Schwarzen Pockau

In Sachsen könnten auf einigen wenigen einst stillgelegten Bahnstrecken wieder Personenzüge rollen

  • Hendrik Lasch
  • Lesedauer: 4 Min.
In Sachsen wurde seit 1994 der Personenverkehr auf fast 800 Gleiskilometern eingestellt. Ein paar Strecken sollen wiederbelebt werden
In Sachsen wurde seit 1994 der Personenverkehr auf fast 800 Gleiskilometern eingestellt. Ein paar Strecken sollen wiederbelebt werden

Bahnfreunden in der Oberlausitz bot sich in diesem Sommer die seltene Gelegenheit einer Zeitreise auf Schienen. Weil auf der Strecke von Dresden nach Zittau eine Brücke instand gesetzt wurde, fuhren die dort verkehrenden Züge der privaten Länderbahn GmbH eine Umleitung. Dafür wurde vorübergehend die Strecke zwischen Löbau und Ebersbach wieder in Betrieb genommen, auf der seit Dezember 2002 kein Personenverkehr mehr stattgefunden hatte. Überquert wurde auch ein imposantes Viadukt in Ebersbach. So hätte es nach Ansicht vieler Reisender auch nach Ende der Umleitung weitergehen können.

Wird es aber nicht. Zwar wurde die Wiederbelebung der Strecke zwischen Löbau und Ebersbach in den vergangenen zwei Jahren einer eingehenden Prüfung unterzogen, so wie ein halbes Dutzend weitere Verbindungen im Freistaat. Doch das Verkehrsministerium lehnt sie ab: Prognostizierte 290 Nutzer am Tag bei erforderlichen Vorabinvestitionen von 26 Millionen Euro seien zu wenig. Vorerst gehen in Sachsen nur zwei Verbindungen wieder ans Netz – kurioserweise die beiden zuletzt eingestellten. Für die Reaktivierung der Ende 2016 letztmals befahrenen, 37 Kilometer langen Trasse zwischen Döbeln und Meißen-Triebischthal laufen die Planungen bereits. Ein entsprechender Vertrag soll auch für die 2013 außer Betrieb gegangene und zwölf Kilometer lange Strecke zwischen Marienberg und Pockau-Lengefeld im Erzgebirge abgeschlossen werden.

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Die beiden Strecken entsprechen sechs Prozent des insgesamt 800 Kilometer langen Schienennetzes, auf dem in Sachsen seit 1990 der Personenverkehr eingestellt wurde. Vor allem nach der Bahnreform von 1994 wurden über 40 Verbindungen vom Netz genommen, weil sie als unrentabel galten. Die Verkehrspolitik im Bund setzte damals darauf, die Bahn auf Rentabilität zu trimmen, um sie an die Börse zu bringen. Hochgeschwindigkeitstrassen für den ICE gab man dabei den Vorzug vor einem engmaschigen Netz in der Fläche. Sachsens SPD-Verkehrsminister Martin Dulig betont mittlerweile aber, die Strecken seien »nicht von der Regierung stillgelegt worden«. Vielmehr hätten die regionalen Zweckverbände »den Betrieb einstellen lassen, weil die Nachfrage der potenziellen Bahnnutzer nicht mehr gegeben war«.

Allerdings hat sich der Blick auf die Bahn geändert. Zugfahren gilt als klimafreundliche Alternative zur Nutzung privater Pkw. Dank Deutschlandticket kann es auch billiger sein. »Die Leute wollen Bahn fahren«, sagt SPD-Verkehrspolitiker Henning Homann. Die Koalition aus CDU, Grünen und SPD im Freistaat hat sich vorgenommen, bis 2030 den Anteil der mit dem öffentlichen Nahverkehr zurückgelegten Strecken zu verdoppeln. Deshalb prüfte das Land 2021 zunächst für 21 Strecken grundlegend, ob eine Wiederaufnahme des Verkehrs sinnvoll wäre. Mit insgesamt 400 Kilometern entsprachen sie der Hälfte des zuvor stillgelegten Netzes.

Ins Detail ging man dann aber nur noch bei sechs Strecken. Geprüft wurden etwa nötige Investitionen in die bauliche Ertüchtigung der Strecken. Im Fall der Trasse im Erzgebirge sind diese gering. Sie ist in gepflegtem Zustand, weil über die Gleise im Tal des Flüsschens Schwarze Pockau regelmäßig Panzer aus der Bundeswehrkaserne Marienberg befördert werden. Eine andere untersuchte Trasse, die Herrnhuter Bahn in der Oberlausitz, ist dagegen nach vielen Jahren ohne Betrieb in schlechtem Zustand; in die knapp 16 Streckenkilometer müssten 50 Millionen Euro gesteckt werden. Auch Zahlen zu Fahrgastpotenzialen und den Zuschüssen für den laufenden Betrieb wurden untersucht.

Neben den Trassen im Erzgebirge und zwischen Döbeln und Meißen gibt es nur für die Strecke von Beucha über Brandis nach Trebsen bei Leipzig eine ernsthafte Chance. Sie müsste zwar für 30 Millionen Euro ertüchtigt werden, nachdem sie ein Vierteljahrhundert ungenutzt war. Ihr werden aber 380 Fahrgäste pro Tag prognostiziert. Das seien »vergleichsweise gute Werte«, sagt Dulig. Die Anbindung ans Leipziger Zentrum würde aber den Bau eines zusätzlichen Gleises im Stadtgebiet voraussetzen. Mit Blick aufs Geld habe sich die Koalition daher geeinigt, vorerst nur die Aktivierung der anderen beiden Strecken weiter zu verfolgen, sagte Dulig.

Dem widersprechen die Grünen. Ihr Verkehrsexperte Gerhard Liebscher fordert auch für Löbau-Ebersbach und die Herrnhuter Bahn weitere Prüfungen; seine Fraktion gehe von weit höheren Fahrgastzahlen und »Millionen eingesparter Pkw-Kilometer pro Jahr« aus. Generell zeigt die Analyse nach Ansicht des CDU-Abgeordneten Jörg Markert aber, dass es »gerade in bevölkerungsschwachen Gebieten schwierig ist und wohl auch bleibt, Eisenbahnstrecken wieder an das Kernnetz der Deutschen Bahn anzuschließen«. Marco Böhme, Verkehrsexperte der Linken, widerspricht. Die Entscheidung, die Strecken zu reaktivieren, sei »richtig und längst überfällig«. Darüber hinaus brauche es aber eine »Zuganbindung, wo immer das geht«, und die Wiederbelebung von weitaus mehr Strecken. Und alle Orte ohne eigenen Haltepunkt müssten per Bus an das Schienennetz angebunden werden.

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