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Rudi Völler übernimmt das DFB-Team und die Suche nach der Zukunft

Gegen Frankreich müssen leblose Geister geweckt, danach Perspektiven gefunden werden

  • Frank Hellmann, Dortmund
  • Lesedauer: 4 Min.
Rudi Völler (l.) geht nach dem Ende der Ära Hansi Flick beim DFB wieder voran.
Rudi Völler (l.) geht nach dem Ende der Ära Hansi Flick beim DFB wieder voran.

Es war schon früher so, dass Rudi Völler seinem Näschen vertraute. Wenn der Mittelstürmer mit wehenden Locken in die Gasse startete, um den Ball nach einem Vollsprint zu versenken, folgte der gebürtige Hanauer meist seinem Instinkt. Und der hat ihn offenbar auch bei der Reaktivierung als Trainer nicht verlassen: Dass sich der für das Länderspiel gegen Frankreich an diesem Dienstag noch einmal als Teamchef einspringende Völler am Montag für eine Busfahrt nach Dortmund entschied, war goldrichtig. Denn der angedachte ICE für die Weiterreise hat – kein Witz – den Halt in Wolfsburg wieder einmal ausgelassen.

Wer sich noch einmal vergegenwärtigt, wie der ewige Thomas Müller bei seiner Einwechslung gegen Japan in der Autostadt gefeiert wurde – in der Beliebtheit fast ein Völler 2.0 –, der kann erahnen, dass ein Menschenfänger auf der Trainerbank helfen könnte, einen Stimmungsumschwung herbeizuführen, damit endlich wieder positive Energie von den Rängen auf den Rasen schwappt. Und vielleicht ist der Nationalmannschaft dann ja auch das Spielglück wieder hold. »Die Jungs können es ja auch, sie kommen alle aus Topklubs«, sagt Völler. Seine erste Aufgabe muss sein, gegen Vizeweltmeister Frankreich leblose Geister zu wecken.

Insofern besteht nach der eigentlich zu spät erfolgten Trennung von Hansi Flick die Chance, endlich wieder als Mannschaft aufzutreten, in der einer für den anderen arbeitet. Da war unter Flick zuletzt nur Alibihaftes zu sehen. Da auch dessen Assistenten Danny Röhl und Marcus Sorg beim DFB Geschichte sind, helfen der künftige Nachwuchschef und U20-Nationaltrainer Hannes Wolf sowie dessen Assistent Sandro Wagner dem Volkstribun Völler beim Coaching für eine Sommernacht. Niemand sollte erwarten, dass sich die Menschen in den Armen liegen wie bei seinem Einstand am 16. August 2000, als im Niedersachsenstadion von Hannover nach einem Kantersieg gegen Spanien alle unentwegt »Ruuuudi« riefen. Spaniens Mittelfeldstar Raul sollte damals sagen: »Er hat den Deutschen wieder Leben eingehaucht.« Vier Jahre hielt die Liaison.

Nun ist es ganz egal, wie viele Herzen »Tante Käthe« an einem von Fußballromantik triefenden Standort wie Dortmund auch zufliegen: Dass der 63-Jährige länger bleibt, gilt als ausgeschlossen. Das sieht seine Lebensplanung nicht vor; das planen auch die DFB-Gremien nicht. Da der Verband »zeitnah« eine Lösung präsentieren will und die nicht unumstrittene USA-Reise für den Oktober bereits durchgeplant hat, braucht es zügig den zwölften Bundestrainer in der mehr als 100-jährigen Verbandsgeschichte.

Es gibt eine Vielzahl guter Gründe, dass Übergangslösungen mit Rettercharakter nicht weiterhelfen. Es braucht einen, der perspektivisch denkt. Die von DFL-Chef Hans-Joachim Watzke über seine Dortmunder Verbundenheit verfolgte Idee, erst BVB-Berater Matthias Sammer bis zur Heim-EM machen zu lassen und dann Jürgen Klopp überzeugen zu können, hat zwei Haken: Sammer ist seit fast zwei Jahrzehnten nicht mehr im Trainergeschäft und Klopp noch bis 2026 an den FC Liverpool gebunden. Der DFB darf auch nicht über Horst Hrubesch nachdenken: Solche Lösungen sind von vorgestern.

Also führt eine logische Spur zum derzeit noch vom FC Bayern bezahlten Julian Nagelsmann. Frisch, frech, intelligent, schlagfertig – und fachkundig sowieso. Nach toller Arbeit in Hoffenheim und Leipzig verhob er sich aber an der Herkulesaufgabe in München. Er reagierte am Ende dünnhäutig, gereizt, wenig souverän. Sein Alter sollte gleichwohl kein Hemmnis sein. Wenn der 36-Jährige die richtigen Lehren aus all seinen Erfahrungen zieht, wenn er beim Gehalt einige Abstriche macht und vor allem die Münchner dem finanziell gebeutelten DFB bei der Ablöse entgegenkommen, dann muss mit Nagelsmann ernsthaft geredet werden, zumal der als erster Kandidat gehandelte Roger Schmidt bei Benfica Lissabon nicht so leicht aussteigen kann.

Bei einer Absage Nagelsmanns sollte der Blick nicht nur auf den deutschen Markt verengt werden. Der Niederländer Louis van Gaal, mit 72 Jahren eigentlich im Ruhestand, oder der derzeit vereinslose Österreicher Oliver Glasner haben bewiesen, dass sie mit deutschen Teams Titel gewinnen können. Belgien unter Domenico Tedesco, Österreich mit dem nach eigenem Bekunden jetzt »nicht zur Verfügung« stehenden Ralf Rangnick und auch die Türkei mit Stefan Kuntz haben Kurs auf die EM in Deutschland genommen. Hierzulande war der Rauswurf eines Bundestrainers ein Novum. Der erste Ausländer auf diesem Posten wäre es auch. Aber irgendwann ist es halt das erste Mal. Das wird auch ein Rudi Völler bestätigen.

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