Thüringer CDU-Fraktion kooperiert wiederholt mit AfD

Kein anderer CDU-Landesverband hat der AfD so viel politische Einflussnahme ermöglicht wie der Thüringer

  • Sebastian Haak
  • Lesedauer: 4 Min.

Bei jeder sich bietenden Gelegenheit beteuert Mario Voigt, wie stark er und die Thüringer Christdemokraten sich von der AfD angeblich abgrenzen. Zuletzt versicherte der Landes- und Fraktionschef der CDU am Wochenende, es habe vor der Abstimmung am vergangenen Donnerstag, bei der seine Fraktion mit Hilfe von AfD und FDP eine Senkung der Grunderwerbsteuer im Freistaat durchs Parlament brachte, keinerlei Absprachen mit der extrem rechten Partei gegeben.

Zugleich erklärt Voigt seine Partei zur einzigen politischen Kraft in Thüringen, die überhaupt noch die Chance habe, Menschen zu erreichen, die entweder demnächst AfD wählen könnten oder das schon getan haben. »Die CDU ist die Kraft, die auch im ländlichen Raum das Lebensgefühl der Menschen versteht und damit auch Wähler rechts der Mitte binden kann«, hatte Voigt zum Beispiel nach der Landratswahl in Sonneberg gesagt, bei der der Bewerber der AfD aus der Stichwahl als Sieger hervorgegangen war.

Vertreter der Regierungsparteien werfen Voigt hingegen seit Monaten vor, letztlich mit der AfD zu kooperieren. Tatsächlich hat die Thüringer CDU die AfD mit ihrem ständigen Schielen nach rechts so sehr normalisiert wie kein anderer Landesverband der Union. Dafür gibt es drei zentrale Gründe.

Erstens gibt es innerhalb der Thüringer CDU nicht wenige, die offen eine Zusammenarbeit mit der AfD fordern – vor allem natürlich in den Kommunen und darauf aufbauend auch auf Landesebene. Schon unmittelbar nach der Landtagswahl 2019 hatten einzelne CDU-Abgeordnete derartige Sympathien erkennen lassen. Die waren auch in den letzten Wochen wieder offensichtlich geworden, nachdem der CDU-Bundesvorsitzende Friedrich Merz im ZDF-Sommerinterview zunächst eine Zusammenarbeit seiner Partei mit AfD-Vertretern auf kommunaler Ebene für richtig erklärt hatte.

Dass Merz sich bald darauf von seinen eigenen Aussagen zu distanzieren versucht hatte, war vor allen in den südthüringischen CDU-Kreisverbänden nicht gut angekommen. »Seit den letzten Kommunalwahlen arbeiten Kreis-, Stadt- und Gemeinderäte doch schon lange bewusst oder unbewusst mit der AfD zusammen«, hatte beispielsweise der ehemalige CDU-Landrat des Landkreises Schmalkalden-Meiningen, Ralf Luther, in einem Zeitungsinterview gesagt.

nd.Kompakt – unser täglicher Newsletter

Unser täglicher Newsletter nd.Kompakt bringt Ordnung in den Nachrichtenwahnsinn. Sie erhalten jeden Tag einen Überblick zu den spannendsten Geschichten aus der Redaktion. Hier das kostenlose Abo holen.

Noch deutlicher war der CDU-Landtagsabgeordnete Michael Heym geworden. Die Idee, dass es eine Brandmauer zwischen CDU und AfD gebe, könne »ja nicht funktionieren«, hatte Heym dem rechtslastigen Internetportal Apollo-News gesagt. »Auf kommunaler Ebene haben wir längst Situationen, wo die CDU zusammen mit der AfD abstimmt. Da geht es um ganz pragmatische Dinge: Bauen wir eine Straße, wo fährt der Bus lang?« Die Frage, ob es eine Zusammenarbeit mit der AfD geben müsse, bejahte Heym offensiv. Im Osten könnte die CDU an der Frage des Umgangs mit der AfD zerbrechen, meinte er. Es ist zudem kein Zufall, dass die südthüringischen Kreisverbände der CDU den Ex-Präsidenten des Bundesamtes für Verfassungsschutz, Hans-Georg Maaßen, bei der letzten Bundestagswahl als Kandidaten aufstellten. Maaßen vertritt seit Jahren öffentlich Rechtsaußen-Positionen.

Zweitens sitzt die Thüringer Union – anders als die CDU-Landesverbände in Sachsen oder Sachsen-Anhalt – in einem strategischen Dilemma. Während die CDU in den beiden anderen Ländern mitregiert, ist sie in Thüringen formal nicht Teil der Regierungskoalition, toleriert aber seit fast fünf Jahren de facto das rot-rot-grüne Minderheitsbündnis. Dabei hat die Union zwar viele eigene Ziele umsetzen können. Doch für die Bürger ist das nicht auf den ersten Blick erkennbar.

Anders ist das, wenn die CDU gemeinsam mit der AfD Politik macht. Denn selbstredend gibt es – drittens – programmatisch viele Gemeinsamkeiten zwischen den Konservativen und den Rechten, sei es in der Migrationspolitik, bei der inneren Sicherheit, in der Bildungspolitik oder in der Sozialpolitik.

Und so beharrt die CDU wie im aktuellen Fall darauf, dass trotz der inhaltlichen Übereinstimmungen keinerlei Absprachen gegeben habe. Staatskanzleichef Benjamin-Immanuel Hoff (Linke) hingegen sagte dem »Tagesspiegel« (Samstagsausgabe). »CDU, FDP und AfD haben sich am Donnerstag gezielt abgestimmt.« Alle drei Parteien hätten »gemeinsam die Beschlussempfehlung im Haushaltsausschuss abgegeben«. Die AfD habe »im Vorfeld öffentlich klargestellt, dass sie das Vorhaben unterstützen wird«. Hoff zufolge gibt es »seit geraumer Zeit Absprachen« zwischen CDU und AfD, »die augenfällig sind«.

Thüringens CDU-Generalsekretär Christian Herrgott warf Hoff daraufhin vor, Lügen zu verbreiten. Die Regierung von Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke) betreibe »eine gezielte Strategie der Verleumdung«.

Wir-schenken-uns-nichts
Unsere Weihnachtsaktion bringt nicht nur Lesefreude, sondern auch Wärme und Festlichkeit ins Haus. Zum dreimonatigen Probeabo gibt es ein Paar linke Socken von Socken mit Haltung und eine Flasche prickelnden Sekko Soziale – perfekt für eine entspannte Winterzeit. Ein Geschenk, das informiert, wärmt und das Aussteiger-Programm von EXIT-Deutschland unterstützt. Jetzt ein Wir-schenken-uns-nichts-Geschenk bestellen.

Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.

Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.

Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.

Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.