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Debatte um Wolfsabschuss in Brandenburg: Keine Mär vom bösen Wolf
Erst ein einziger Problemwolf wurde in Brandenburg mit Genehmigung des Umweltamts abgeschossen
504 Schafe und Ziegen wurden im ersten Halbjahr 2023 in Brandenburg getötet oder verletzt oder sind verschollen, außerdem 71 Rinder – es waren zumeist Kälber – sowie 14 Stück Damwild, vier Esel, drei Mufflons und ein Ponyfohlen. So weist es die offizielle Rissstatistik des Landesumweltamtes aus. Erfasst werden Schäden, bei denen Gutachter Wölfe als Verursacher erkannten oder zumindest nicht ausschließen konnten. Was Schafe und Ziegen betrifft, sind die Zahlen seit dem Jahr 2018 immer nur gestiegen. Damals waren 262 dieser Nutztiere Opfer von Wolfsübergriffen geworden, im vergangenen Jahr waren es 973. In Rinderherden und in Wildgehegen konnten Wölfe dagegen zuletzt weniger Schäden anrichten als 2020 und 2021. »Die anhaltenden Nutztierrisse erklären sich hauptsächlich durch noch immer nicht flächendeckend umgesetzte Herdenschutzmaßnahmen, insbesondere auch in den Gebieten, in denen es schon lange Wölfe gibt«, erklärt das Umweltamt. In 68 Prozent der Fälle seien die Tiere auf der Weide nicht wie empfohlen speziell gesichert gewesen.
Im laufenden Jahr erhielten die geschädigten Nutztierhalter einen finanziellen Ausgleich in Höhe von rund 70 000 Euro. Im gesamten vergangenen Jahr waren es über 140 000 Euro und im Jahr 2021 sogar mehr als 180 000 Euro. Bis 2016 hatte der Schadensersatz selten an der Marke von 20 000 Euro gekratzt. Im 19. Jahrhundert war der Wolf in Brandenburg ausgerottet. Dann ist er aus Polen in die Lausitz zurückgekehrt und hat sich von dort ausgebreitet. Die roten und grünen Punkte, die auf einer Landkarte anzeigen, wo sich der Wolf im ersten Halbjahr 2023 an Schafe, Ziegen und Kälber herangemacht hat, finden sich über ganz Brandenburg verteilt. Kein Landkreis blieb verschont und das Raubtier drang auf der Suche nach Beute sogar ins Stadtgebiet von Cottbus und Brandenburg/Havel ein.
Bundesumweltministerin Steffi Lemke (Grüne) hat sich inzwischen dafür ausgesprochen, den Abschuss von Wölfen zu erleichtern. Der Wolf steht zwar unter Artenschutz. Es können aber Ausnahmegenehmigungen für Exemplare erteilt werden, die besonders dreist vorgehen. Brandenburgs Freie Bauern, ehemals als Bauernbund bekannt, begrüßen, dass Bewegung in die Diskussion kommt. Vorstandsmitglied Frank Michelchen sagt: »Steffi Lemke braucht jetzt allerdings nicht überrascht oder betroffen zu tun. Sie hat dem Gemetzel auf unseren Weiden jahrelang tatenlos zugesehen und kann Glaubwürdigkeit nur dann zurückgewinnen, wenn sie die bestehenden Möglichkeiten zur Eindämmung der Wolfspopulation auch wirklich voll ausschöpft.«
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Wölfe, die sich Weidetieren nähern, müssten konsequent abgeschossen werden, verlangt der 58-jährige Biobauer aus Leibsch, der selbst schon zwei Kälber an Wölfe verloren hat. »Und es muss endlich Schluss sein mit der Demütigung der Betroffenen, sie hätten ihre Herde nicht ausreichend geschützt, und Schluss mit dem albernen Märchen, Zäune oder Hunde könnten ein Großraubtier abhalten, das jeden Tag drei Kilo Fleisch notwendig zum Leben braucht.«
Lemke solle dieselben Spielräume schaffen, die es in Schweden und Finnland gebe, fordert Michelchen. Mit einer Gesetzesänderung könnten Wölfe in der Nähe von Siedlungen oder Viehweiden grundsätzlich abgeschossen werden. Auch könnte eine Obergrenze für den Wolfsbestand festgelegt werden. »Wenn wir weniger Wölfe haben und diese lernen, sich von Siedlungen und Viehweiden fernzuhalten, würde der Druck enorm abnehmen.«
Brandenburgs Umweltminister Axel Vogel (Grüne) sagt am Mittwochabend im Landtag: »Wir müssen Schaden stiftende Wölfe so schnell wie möglich entnehmen.« Eine genetische Untersuchung, die im Moment Voraussetzung für einen Abschuss ist, hält Vogel für überflüssig. Er ist aber auch der Ansicht, dass weiter in Schutzmaßnahmen investiert werden müsse. Im Moment leben in Brandenburg mindestens 47 Wolfsrudel und zusätzlich 14 Wolfspaare.
Der Landtagsabgeordnete Wolfgang Roick (SPD) sagt, die brandenburgische Wolfsverordnung werde sicher in den nächsten Monaten überarbeitet. Aber Roick stellt auch klar: »Eine Ausrottung des Wolfes wird es mit uns nicht geben.« Umweltminister Vogel meint, der Wolf gehöre »in unsere Landschaft«.
Die AfD-Fraktion hat im Landtag beantragt, den Abschuss von sogenannten Problemwölfen zu erleichtern. Das sind Tiere, die ihre natürliche Scheu überwunden haben und sich Menschen gefährlich dicht nähern, oder die gelernt haben, eigentlich sichere Zäune zu überwinden. Anfang März war ein solcher Wolf zwischen Dahme und Luckau erlegt worden. Anhand genetischer Proben wurde nachgewiesen, dass er mindestens 76 Nutztiere getötet und 23 verletzt hatte. Elf weitere Tiere waren nach seinen Angriffen verschollen. Es war laut AfD-Fraktion der bislang einzige genehmigte und dann auch erfolgte Abschuss eines Wolfs in Brandenburg, obwohl die Wolfspopulation in Brandenburg die höchste in Deutschland ist.
Der Antrag der AfD wird am Mittwochabend abgelehnt. »Es stimmt wohl, dass bisher erst ein Wolf per Genehmigung zum Abschuss gekommen ist«, erklärt der Landtagsabgeordnete Thomas Domres (Linke). Es seien allerdings mehr Genehmigungen erteilt worden: zwei zum Abschuss verhaltensauffälliger Wölfe und drei für Wölfe, die wiederholt Weidetiere gerissen haben. »Die anderen haben sich nur nicht erwischen lassen«, erläutert Domres. Es werden aber illegal Wölfe getötet – etwa ein Dutzend Fälle aus Brandenburg sind bekannt. Außerdem verendeten im Bundesland seit 1990 etwa 60 Wölfe bei Verkehrsunfällen.
Dem Abgeordneten Domres zufolge besteht großes Einvernehmen darüber, dass das Verfahren zum Umgang mit Problemwölfen noch zu kompliziert ist. »Bundesumweltministerin hat Vereinfachungen angekündigt. Der Landesumweltminister hat das befürwortet. Also: Das steht auf der Tagesordnung. Ein Antrag der AfD ist dazu nun wirklich nicht nötig.« Der Umweltausschuss des Landtags sei gerade in Schweden gewesen und habe dort viele interessante Informationen zum Umgang mit dem Wolf erhalten, berichtet Domres. »Ein guter Rat lautete: Wir sollen das Thema nicht in den Wahlkampf ziehen. Das sei für eine zielorientierte sachliche Problemlösung nur schädlich. Schade, die AfD beherzigt diesen guten Rat nicht.« Am 9. Juni 2024 finden in Brandenburg Kommunalwahlen statt und am 22. September folgt die Landtagswahl.
Wölfe ohne jede Gefahr anschauen kann man in Brandenburg in einem Gehege im Wildpark Schorfheide bei Groß Schönebeck. Dort wurde Ende 2018 auch ein Wolfsinformationszentrum mit Ausstellung eröffnet.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft
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