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Hoher Bedarf bei Familiennachzug von Geflüchteten
Mehr als 3000 Antragsteller aus Syrien und Irak erhalten seit 2013 eine beschleunigte Aufenthaltsgenehmigung
Weltweit fliehen mehr Menschen denn je vor den Krisen der Welt aus ihren Heimatländern. Ein stabiles soziales Umfeld hilft Geflüchteten dabei, in einer neuen Umgebung anzukommen. Oft sind sie jedoch getrennt von Familienangehörigen – das Gesetz zum Familiennachzug soll dann Abhilfe schaffen. Das Land Berlin hat die Aufnahmeprogramme für Geflüchtete aus Syrien, Irak und dem Libanon sowie den Nachzug von Familienangehörigen jeweils verlängert und für afghanische Flüchtlinge erweitert.
In Berlin wurden seit dem Inkrafttreten des Aufnahmeprogramms 2013 rund 3300 Zustimmungen für beschleunigte Visa für Familienangehörige aus Syrien und Irak erteilt. Das antwortet die Senatsverwaltung für Arbeit und Integration auf eine Schriftliche Anfrage von Elif Eralp, migrationspolitische Sprecherin der Linksfraktion im Abgeordnetenhaus. Wie viele Personen nach Erhalt eines Visums tatsächlich eingereist sind, wird statistisch nicht erfasst. Eralp geht aber gegenüber »nd« davon aus, dass die Einreisen erfolgt seien, und bewertet es zumindest als positiv, dass die Zahlen 2022 im Vergleich zum Vorjahr auf mehr als das Doppelte gestiegen sind. Das deute auf einen wachsenden Bedarf bei den Antragstellenden hin.
Der Senat hat das Aufnahmeprogramm für Geflüchtete aus Afghanistan erweitert, um die Umstände seit der Machtübernahme durch die Taliban im August 2021 zu berücksichtigen. Ziel ist, im Zeitraum von fünf Jahren insgesamt 100 Geflüchtete aufzunehmen. Doch wie aus der Senatsantwort hervorgeht, wurden bislang noch keine afghanischen Geflüchteten aufgenommen.
Das Aufnahmeprogramm für Libanon sieht vor, zwischen 2021 und 2025 bis zu 700 schutzbedürftige Personen aufzunehmen, davon 300 noch im laufenden Jahr.
Insbesondere dieses Programm war lange umkämpft. In den Koalitionsverhandlungen 2021 hatten Linke und Grünen versucht, es auf 1000 Personen auszuweiten. Die Koalition einigte sich jedoch nur auf 500 Personen, die Ausweitung blieb aus. Es kam zum Konflikt zwischen Katja Kipping, damalige Linke-Sozialsenatorin, und Iris Spranger, SPD-Innensenatorin, schließlich konnte eine Ausweitung auf 700 festgehalten werden, von denen 300 Personen während 2023 einreisen sollten. Nur wurde diese Aufstockung bisher nicht umgesetzt: Der Senatsantwort zufolge wurden 2021 und 2022 gerade mal rund 100 Geflüchtete aus dem Libanon aufgenommen, 2023 bislang nur eine einzige Person.
Das Aufnahmeprogramm des Landes wird grundsätzlich in enger Abstimmung mit dem Bundesinnenministerium erarbeitet. Insbesondere beim Punkt Familiennachzug durch Ehepartner*in gab es zwischen Senat und Bundesinnenministerium (BMI) Unstimmigkeiten. Das BMI forderte unter anderem, dass Ehegatten nur dann berücksichtigt werden können, wenn die Ehe schon vor der Flucht aus Syrien, dem Irak oder Afghanistan bestanden hat. Dagegen wandte der Senat ein, dass Ehe und Familie gemäß Artikel 6 des Grundgesetzes besonderen Schutzstatus genießen. Eine nach der Flucht aus dem Herkunftsland geschlossene Ehe könne deshalb nicht generell vom Ehegattennachzug ausgeschlossen werden. Daraufhin einigten sich Senat und BMI darauf, dass es keinen generellen Ausschluss für einen Nachzug von Ehegatten geben darf, die erst nach der Flucht aus ihrem Heimatland geheiratet haben. Stattdessen müssen die Umstände des Einzelfalls abgewogen werden.
Eralp kritisiert gegenüber »nd« die Haltung des Bundesinnenministeriums hinsichtlich des Ehegattennachzugs: »Die Weigerung des BMI, die Aufnahme von Ehepartner*innen im Rahmen der Landesaufnahmeanordnung für irakische, syrische oder afghanische Geflüchtete mit Verwandten in Berlin grundsätzlich zu ermöglichen, auch wenn die Ehe erst nach der Flucht aus dem Herkunftsland geschlossen wurde, und das trotz gegenteiliger Rechtsprechung, ist nicht hinnehmbar.«
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