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Pyro-Vorfall beim Karlsruher SC: Fan-Sozialarbeitern droht Haft
Entscheidung über Beugehaft für Fanprojektler des Karlsruher SC aufgeschoben
Der Montag war ein Brückentag, wie man ihn sich vorstellt. Bei 27 Grad im Schatten ließ sich der freie Tag für die meisten Menschen im Badischen bestens verbringen. Doch während viele Karlsruher den Tag an Badeseen oder im Schwarzwald genossen, waren die drei Mitarbeiter des Karlsruher Fanprojektes am Montag beim Amtsgericht vorgeladen. Erst gegen Mittag wussten sie dann, dass ihre schlimmsten Befürchtungen erst mal nicht wahr werden würden, sie also nicht in absehbarer Zeit bis zu sechs Monaten ins Gefängnis müssen. Die Entscheidung ist nach der Zeugenanhörung am Montag, bei der die drei erneut keine Aussagen machten, allerdings nur verschoben. Innerhalb einer Woche kann die Staatsanwaltschaft entscheiden, ob sie nun auch formal Beugehaft beantragt. Genau das wird erwogen, weil die drei Sozialpädagogen sich nach wie vor weigern, Aussagen zu einem Pyrotechnik-Vorfall im vergangenen November zu machen. Es wäre das erste Mal in der Geschichte der Bundesrepublik, dass Sozialarbeiter ins Gefängnis müssen, weil sie in Ausübung ihres Berufes mit staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen konfrontiert wurden.
Auch das ist ein Grund, warum der Karlsruher Fall längst bundesweit Wellen schlägt und die Debatte um das Zeugnisverweigerungsrecht für die soziale Arbeit bald auch wieder die Parlamente beschäftigen dürfte. Fan-Sozialarbeiter sind bislang noch nicht mit dem Zeugnisverweigerungsrecht ausgestattet, das beispielsweise Juristen, Journalisten und Pfarrern zusteht. Hätten sie es, hätte die Justiz sie nicht ins Visier nehmen können. Die Staatsanwaltschaft argumentiert daher, sie sei »verpflichtet, Straftaten aufzuklären und sich hierzu aller in Betracht kommenden Beweismittel zu bedienen«. Genau das ist die politische Dimension des Verfahrens, das längst weit über Karlsruhe hinausreicht.
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Anlass der Ermittlungen waren im vergangenen November die Ereignisse beim Heimspiel des Karlsruher SC gegen St. Pauli. Damals war anlässlich des 20-jährigen Jubiläums einer Ultragruppe so massiv Pyrotechnik gezündet worden, dass das Spiel erst mit einer Verzögerung von 15 Minuten angepfiffen wurde. Elf Personen klagten danach über Atembeschwerden oder Übelkeit, darunter ein Kind.
Die Ultras hatten im neuen Stadion schlicht nicht einberechnet, dass sich der Rauch unter dem vorstehenden Dach stauen würde, zeigten sich danach allerdings einsichtig. Vertreter zahlreicher Fangruppen nahmen unter Vermittlung von Verein und Fanprojekt an einem »Wiedergutmachungsgespräch« teil und entschädigten die Opfer, von denen später auch niemand Anzeige erstattete. Für alle Beteiligten, heißt es im Verein und in der Fanszene, war die Angelegenheit längst geklärt. Nicht allerdings für die Karlsruher Staatsanwaltschaft, die mittlerweile wegen des Freisetzens von Giftstoffen ermittelt und den Fall mittlerweile allen Ernstes der organisierten Kriminalität zurechnet. Es folgten Razzien in der Fanszene, die dabei konfiszierten Handys dokumentierten nun, dass die Ultras auch Kontakt mit den Fanprojekt-Mitarbeitern hatten, wodurch die ins Visier der Justiz gerieten. Dabei bestreitet nicht einmal die Staatsanwaltschaft, dass es laut »Nationalem Konzept Sicherheit und Sport« genau zur Jobbeschreibung der Fan-Sozialarbeiter gehört, Kontakt zur Zielgruppe zu haben. Doch obwohl bereits ein Ordnungsgeld gegen sie verhängt (und gezahlt) wurde, sagten sie nicht aus. Basis ihrer Arbeit sei ein Vertrauensverhältnis zur Szene, das erst ermögliche, auch auf sie einzuwirken. Und tatsächlich ist genau das die Basis von Beziehungsarbeit in der Sozialarbeit. Auch Streetworker in der Drogenarbeit könnten ihren Job an den Nagel hängen, wenn sie parallel als Quelle für Polizei und Justiz dienen würden.
»Wir haben studiert, arbeiten im öffentlichen Auftrag und werden hier kriminalisiert. Wenn Polizei und Juristen zu Recht erwarten, dass wir ihre Rolle verstehen, muss das umgekehrt genauso gelten«, sagt ein Fanprojekt-Mitarbeiter aus Norddeutschland, der am Montag sehr genau nach Karlsruhe geschaut hat. Die Bundesarbeitsgemeinschaft der Fanprojekte fordert ebenso eine Gesetzesänderung wie das Bündnis für Zeugnisverweigerungsrecht in der sozialen Arbeit. Wenn es Schule mache, dass Sozialpädagogen mit einem Bein im Gefängnis stehen, wenn sie im Fußballkontext ihre Arbeit verrichten, komme das einem faktischen Berufsverbot gleich, argumentieren die Verbände. Seit 50 Jahren fordern Fachleute, das Zeugnisverweigerungsrecht auf die soziale Arbeit auszudehnen. Fachpolitiker der Ampel-Koalition befürworteten zuletzt auch öffentlich das Ansinnen, ließen aber auch durchblicken, dass es wohl noch ein paar Jahre dauern könnte, bis die entsprechenden Gesetze auf den Weg gebracht sind. Gut möglich allerdings, dass die Karlsruher Ermittlungen den Druck auf die Politik nun erhöhen. Zuletzt gab es in vielen Fankurven Solidaritätsbekundungen für die Karlsruher Fanprojektler. Politiker von der Grünen, der Linken und der SPD haben signalisiert, dass sie dringenden Handlungsbedarf sehen.
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