Arbeitsunfälle bei Tesla in Grünheide: Arm ab und arm dran

In der Gigafabrik in Grünheide ereignen sich auffallend viele Arbeitsunfälle

  • Jule Meier
  • Lesedauer: 4 Min.

Wie viel unattraktiver kann Elon Musk das Arbeiten in seiner Tesla-Gigafabrik in Grünheide noch gestalten? Keine Tarifbindung trotz Automobilindustrie, Verschwiegenheitserklärung im Arbeitsvertrag, Ellbogenmentalität gemischt mit autoritärer Führung, heiße Sommer und kalte Winter in den Fabrikhallen: Tesla scheint ein richtig mieser Arbeitgeber zu sein. Nun glänzt die Gigafabrik in Grünheide mit hohen Zahlen meldepflichtiger Arbeitsunfälle und Gruselgeschichten von Verunglückten.

Zwischen Juni und September 2022 wurden bei Tesla 190 meldepflichtige Unfälle angegeben, sagte Marian Mischke, Abteilungsleiter beim Brandenburger Landesamt für Arbeitsschutz, am Mittwoch im Brandenburger Landtag. Meldepflichtig bedeutet, dass der Verunglückte entweder getötet wurde oder mehr als drei Tage arbeitsunfähig war. Der »Stern« hatte die Zahl zuerst veröffentlicht und entnimmt einer Aktennotiz aus dem Landesamt für Arbeitsschutz, »dass auf dem Werksgelände über einen längeren Zeitraum fast täglich Unfälle passierten«.

Einem Arbeiter soll aus mehreren Metern Höhe eine 50 Kilogramm schwere Kiste auf den Kopf gefallen sein, weiteren Arbeiter*innen seien Gliedmaßen amputiert worden und Verbrennungen durch Salzsäure zugestoßen. Es seien 247 Rettungswagen oder Hubschrauber nach Grünheide angefordert worden. Das macht einen Rettungsruf alle zwei Tage innerhalb der ersten eineinhalb Jahre Tesla in Brandenburg – mithin dreimal so viele wie im Audi-Werk Ingolstadt. Dass Arbeiter*innen Aluminiumstaub in den Lagerhallen einatmen, berichten nicht nur der »Stern«, sondern auch ehemalige Angestellte auf der Arbeitgeberbewertungs-Plattform »Kununu«.

Mischke berichtet im Brandenburger Landtag, dass die Tesla-Fabrik zur Zeit zweiwöchentlich mit Ankündigung und alle sechs bis acht Wochen anlassbezogen ohne Ankündigung kontrolliert würde. Er spricht von »Bagatellunfällen, die nicht wesentlich für eine Nachuntersuchung durch die Arbeitsschutzbehörde« sind. Sozial- und Gesundheitsministerin Ursula Nonnemacher (Grüne) weist Vorwürfe über eine mangelnde Aufsicht zurück. »Wir behandeln das Unternehmen Tesla wie jedes andere in Brandenburg und gehen jedem Hinweis, auch anonymen, auf Verstöße gegen Arbeitsschutzbestimmungen nach«, erklärte sie.

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»Wenn man hier anfängt, dann gibt man sein Leben und die Gesundheit an der Pforte ab«, schreibt ein ehemaliger Mitarbeiter bei »Kununu«. »Immer unterbesetzt, weil Zeitarbeiter kommen und gehen«, berichtet ein weiterer. Die Ausführungen über schlechte Arbeitsbedingungen bei Tesla sind facettenreich. Weil verschiedene Bau- und Montagefirmen in der Produktion beauftragt sind, kann der Arbeitsschutz nur erschwert kontrolliert werden. Dass der US-Elektrobauer nun im dritten Quartal weniger Autos ausgeliefert hat als erwartet, könnte auch für Fachkräftemangel sprechen.

Laut aktueller Zahlen der Bundesagentur für Arbeit zählen 200 Berufe für 2023 mit einem Anzeichen eines Engpasses, ganz vorn dabei sind das Handwerk und die Metall- und Elektroindustrie. 53 Prozent aller Unternehmen fänden keine passenden Arbeitskräfte. Man fragt sich, wie Elon Musk in Zeiten des Fachkräftemangels und Schlagzeilen über amputierte Gliedmaßen noch genügend Arbeiter*innen finden kann, um auf dem europäischen Markt wettbewerbsfähig zu bleiben.

»Wir sind schon seit Längerem besorgt über die Arbeitssicherheit bei Tesla in Grünheide. Zahlreiche Beschäftigte berichten uns von Unfällen und Gesundheitsbelastungen. In einigen Bereichen führt dies zu Krankenständen von bis zu 40 Prozent«, erklärt Markus Sievers, Pressesprecher der IG Metall im Bezirk Berlin, Brandenburg und Sachsen. »Statt die Ursachen anzugehen, reagiert das Management mit Druck auf die Kranken. Und die noch Gesunden werden angehalten, mit weniger Personal die gleichen Stückzahlen zu produzieren. Auch das erhöht das Risiko von Arbeitsunfällen.« Das Management räume dem Thema Arbeitssicherheit und Gesundheitsschutz offenbar keine Priorität ein.

Seit Anfang 2022 hat die Gigafactory in Grünheide einen Betriebsrat. Damals gab es bei Tesla nur 2000 Arbeiter*innen, größtenteils aus dem mittleren Management. Die IG Metall nannte es eine Überraschung, »dass die Managementnahe Liste nur eine hauchdünne Mehrheit von einem Sitz im neuen Tesla-Betriebsrat erreicht hat – und mit den anderen Listen kooperieren muss«. Fraglich bleibt, wie der 2022 gewählte Betriebsrat die inzwischen 10 000 Arbeiter*innen in Tesla angemessen vertreten kann. Letztendlich sind nur sie es, die aufklären können über die Bedingungen, unter denen sie arbeiten.

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