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Brandenburger Rettungsschwimmer in Not
Weil es im Süden Brandenburgs an Schwimmhallen mangelt, werden die Anfahrten länger
»Rettungsschwimmer gesucht! Mehr Verantwortung an brandenburgischen Gewässern und Schwimmbädern übernehmen«, so lautete am Mittwoch das Thema einer Anhörung im Gesundheitsausschuss des Landtags, die auf einen Antrag der Freien Wähler zurückging.
Stefan von Heine, Präsident der Deutschen Lebensrettungs-Gesellschaft in Brandenburg, nutzte die Gelegenheit, hier sprechen zu dürfen, um die Gleichstellung der Wasserretter mit der Feuerwehr und anderen Katastrophenschutzorganisationen zu fordern. »Unsere Helfer sind klar benachteiligt«, sagte er. Die Rettungsschwimmer müssten alles selbst organisieren – alles, bis hin zur persönlichen Schutzausrüstung, selbst bezahlen. Eine Aufwandsentschädigung, eine Regelung für die Lohnfortzahlung oder eine Helferprämie gebe es für sie nicht. »Die Wasserretter sind Helfer zweiter Klasse.« Das sei umso unverständlicher, als im Wasser viel mehr Menschen ums Leben kommen als beispielsweise bei Bränden. Laut von Heine ertranken im vergangenen Jahr knapp 400 Menschen in Deutschland, allein in Brandenburg waren es 22. »So wird es in diesem Jahr wieder sein, wenn die Zahl nicht sogar noch höher liegt.«
Christian Hahn, Vorsitzender des etwa 200 Mitglieder zählenden Schwimmsportvereins Senftenberg schilderte die konkreten Auswirkungen der misslichen Lage in seiner Heimat. Die Schließung der Schwimmhallen in der Zeit der Corona-Pandemie nannte er »nicht nachvollziehbar«, denn Hygienekonzepte und Desinfektionsvorgaben hätten das gut ersetzen können. Nun sei man damit konfrontiert, dass die Schwimmfähigkeit der Kinder und Jugendlichen ständig abnehme und die Rettungsschwimmer-Ausbildung immer schwieriger werde. »Das wird sich in die nächsten fünf oder zehn Jahre hineinziehen.« Natürlich könne man über den Senftenberger See Drohnen zur Beobachtung fliegen lassen. »Aber eine Drohne wird den Ertrinkenden nicht aus dem Wasser ziehen.«
Mangelndes Interesse an der Schwimmhallennutzung gebe es nicht, weil »alle schwimmen wollen«, unterstrich Hahn. Doch vor allem im Südosten des Landes seien derzeit aus unterschiedlichen Gründen eine Reihe von Schwimmhallen dauerhaft nicht nutzbar. Grund dafür sei eine wenig vorausschauende Politik der kommunalen Träger, die keine oder kaum Rücklagen für Sanierungsmaßnahmen gebildet hätten. Das reduziere nicht nur die Kapazitäten. Es führe auch dazu, dass weite Anfahrten zu den noch nutzbaren Schwimmstätten in Kauf genommen werden müssen. Man könne die Rettungsschwimmer-Ausbildung nicht in einem See stattfinden lassen.
Das Land Brandenburg, so Hahns Erwartung, sollte hier unterstützen, um die Schließ- und Ausfallzeiten der dringend benötigten Hallen so kurz wie möglich zu halten. Alles andere wäre sehr gefährlich: »Wer nicht schwimmen kann, geht in tiefem Wasser unter. Beim Fußball steht man eben einfach wieder auf.« Unzufrieden zeigte sich Hahn mit dem Schwimmunterricht in der Schule. Einmal eine Woche lang in die Halle zu gehen, »so funktioniert das nicht«. Schwimmunterricht setze ein Training von fünf bis sechs Monaten voraus. »Sonst verlernen die Kinder das wieder«, sagte Hahn. Für eine Novellierung des Prämien- und Ehrenzeichengesetzes sprach sich Gordon Teubert vom Landesverband des Deutschen Roten Kreuzes aus. Von den für Feuerwehr und Katastrophenschutz zuerkannten Vergünstigungen würden Rettungsschwimmer und die Führer von Rettungshunden nicht profitieren. Das sei in Brandenburg als seenreichstem Bundesland nicht zu verstehen. Die Kosten der Nutzung von Hallenkapazitäten für die Rettungsschwimmer-Ausbildung seien um 40 Prozent gestiegen. Weitere Anfahrtswege und höhere Spritpreise täten ein Übriges. Die Situation habe sich wesentlich verschlechtert. Bezogen auf Rettungsschwimmer gab es »vor zehn Jahren noch einen ganz anderen Pool«. Hinzu komme eine gesellschaftliche Stimmung des Egoismus, die dem Ehrenamt nicht wohlgesonnen sei. Jugendliche seien nicht mehr bereit, Verantwortung zu übernehmen und »jede Woche am Beckenrand zu stehen«.
Der Landtagsabgeordnete Ronny Kretschmer (Linke) zeigte kein Verständnis dafür, dass die Abgeordneten der Regierungsfraktionen SPD, CDU und Grüne sich das Thema für den im kommenden Jahr zu wählenden nächsten Landtag aufsparen wollten. Es sei ja nicht weiter kompliziert, das Prämien- und Ehrungsgesetz im Sinne der Wasserrettung zu ändern. »Oder hat die Koalition ihre Arbeit ein Jahr vor den Landtagswahlen schon eingestellt?«
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