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AfD-Richter muss in den Ruhestand
Dienstgericht des Bundes in Karlsruhe lehnt Revision von Jens Maier gegen Arbeitsverbot in Sachsen ab
Zehn Tage: So kurz war Jens Maier nach seinem verpassten Wiedereinzug in den Bundestag wieder bei Gericht tätig. Seine kurzzeitige Arbeitsstätte war im März 2022 das Amtsgericht Dippoldiswalde, wohin ihn Sachsens Justizministerium geschickt hatte. Es blieb ein Intermezzo, weil eben dieses Ministerium ihn danach umgehend in den vorzeitigen Ruhestand versetzte. Dabei wird es bleiben. Maiers Versuch, über einen Umweg nach Karlsruhe nach Dippoldiswalde zurückzukehren, hatte keinen Erfolg. Das beim Bundesgerichtshof angesiedelte Dienstgericht des Bundes bestätigte, dass der 61-Jährige nicht mehr als Richter arbeiten darf.
Maier war seit 1997 am Landgericht Dresden tätig gewesen, 2017 aber für die AfD in den Bundestag eingezogen. Bei der Bundestagswahl 2021 verlor er sein Mandat. Er beantragte daraufhin die Rückkehr in das Richteramt, worauf er einen gesetzlichen Anspruch hat. Das Ministerium suchte das zu unterbinden und untersagte ihm die Führung der Dienstgeschäfte. Anlass für diesen drastischen Schritt ist die politische Betätigung Maiers, der zu den prominenten Vertretern des völkisch-nationalen Flügels in der AfD gehörte und vom Landesamt für Verfassungsschutz seit 2020 als Rechtsextremist eingestuft wurde. Er agitierte etwa gegen einen angeblichen deutschen »Schuldkult«, äußerte Verständnis für den Rechtsterroristen Anders Breivik, der nur »aus Verzweiflung« gehandelt habe, und zollte der NPD Respekt: Sie sei die »einzige Partei, die immer zu Deutschland gestanden« habe. Bei der Aufstellung der Landesliste erklärte er: »Wer in diesen Zeiten nicht als Rechtsextremist diffamiert wird, der macht irgendetwas verkehrt.«
Die Vorstellung, dass ein solcher Mann in einem sächsischen Gericht Urteile sprechen könnte, sorgte für Unbehagen. Sachsens Justizministerin Katja Meier (Grüne) erklärte, man werde »alle rechtlich zulässigen Möglichkeiten ausschöpfen, um die sächsische Justiz vor Verfassungsfeinden in den eigenen Reihen zu schützen«. Allerdings sorgte die Frage, wie dabei vorzugehen sei, für erhebliches Kopfzerbrechen. Zwar gab es formal mehrere Wege. Einen eröffnet Paragraf 31 des Richtergesetzes, der es ermöglicht, einen Richter in den Ruhestand zu versetzen, um eine »schwere Beeinträchtigung der Rechtspflege« zu verhindern. Auch eine Richteranklage des Landtags wäre möglich gewesen. Alle diese Schritte waren aber mit großen Unsicherheiten behaftet; das Risiko einer Niederlage, die von der AfD politisch hätte ausgenutzt werden können, war hoch. Die Ministerin betonte immer wieder, man schreibe »Rechtsgeschichte«.
Mit dem Richterspruch aus Karlsruhe ist nun klar: Der Freistaat hat hoch gepokert und gewonnen. Das Bundesgericht bestätigte die vorangegangene Entscheidung des sächsischen Richter-Dienstgerichtes. Dieses hatte im März 2022 erklärt, Maier erscheine wegen seiner Äußerungen als »nicht mehr glaubwürdig«, und das »Vertrauen in seine Unvoreingenommenheit« bestehe nicht mehr. Zitiert wurde eine Äußerung Maiers: »Wenn Angeklagte AfD-Richter fürchten, haben wir alles richtig gemacht.« Das wecke Sorgen, er werde in seiner Rechtsprechung »Interessen der AfD« wahrnehmen.
Maier hatte gegen dieses Urteil in Karlsruhe Revision eingelegt. In der mündlichen Verhandlung wehrte er sich gegen die Vorwürfe und betonte, er könne »differenzieren zwischen dem Richteramt und meiner politischen Meinung«. Das Gericht aber erklärte, eine Versetzung in den Ruhestand sei möglich, wenn ein Richter »nicht mehr die Gewähr dafür bietet, dass er jederzeit für die freiheitliche demokratische Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes eintreten wird«. Indiz dafür könne eine herausgehobene Betätigung in einer politischen Gruppierung sein, welche »die Grundlagen des demokratischen Verfassungsstaats ablehnt«, zum anderen Äußerungen, die den Eindruck erwecken, der Richter werde »aus politischen Gründen sein künftiges dienstliches Verhalten an seiner persönlichen Einschätzung« und nicht allein an Kriterien wie Rechtstreue, Gerechtigkeit und Objektivität ausrichten. Die Leipziger Richter hätten »rechtsfehlerfrei« geurteilt.
In der Landespolitik stieß der Richterspruch auf Erleichterung. Der grüne Landtagsabgeordnete Valentin Tippmann erklärte, der »Rechtsextremist Maier wird nie wieder als Richter Recht sprechen«. Seine SPD-Kollegin Hanka Kliese sagte, die Werkzeuge gegen Verfassungsfeinde in der Justiz hätten »den Praxistest bestanden«. Andere Justizministerien könnten sich nun am sächsischen »Erstgang« orientieren. Für Maier hat das Karlsruher Urteil indes womöglich weitere gravierende Konsequenzen. In einem Disziplinarverfahren, das das Ministerium ebenfalls angestrengt hat, könnten ihm als Konsequenz daraus Teile seiner Richterpension aberkannt werden.
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