Propalästinensische Demo am Samstag: für das Recht auf Protest

Propalästinensische Großdemonstration will am Samstag Berliner Demoverbote anprangern

  • Nora Noll
  • Lesedauer: 3 Min.

Am Samstag geht es ums Ganze – zumindest für Udi Raz und seine Mitstreiter*innen. »Diesen Samstag wird Deutschland entscheiden, ob es ein demokratisches oder ein antidemokratisches Land ist«, sagt das Vorstandsmitglied des Vereins Jüdische Stimme für gerechten Frieden in Nahost am Dienstag auf einer Pressekonferenz. Dort stellt Raz zusammen mit Vertreter*innen der Palästina-Kampagne und »Palästina spricht« die geplante propalästinensische Großdemonstration vor.

Angemeldet unter dem Motto »Demokratische Grundrechte verteidigen: Meinungsfreiheit auch für Palästinenser*innen« rufen die Gruppen für Samstag, 14 Uhr am Neptunbrunnen, zum Protest gegen Demonstrationsverbote und pauschale Verurteilungen von Palästinenser*innen auf. »Free Palestine will not be cancelled« steht auf den Plakaten, die deutschlandweit nach Berlin mobilisieren. Nach der Demonstration am vergangenen Samstag mit über 11 000 Teilnehmenden könnte die kommende Veranstaltung noch größer werden – sofern sie nicht noch verboten wird.

Es soll am Samstag nicht nur um Meinungs- und Versammungsfreiheit gehen, erklärt Anna Bergmann von der Palästina-Kampagne, sondern auch darum, die Bombardierung des Gazastreifens anzuprangern und von der deutschen Regierung eine Ablehnung israelischer Kriegsverbrechen einzufordern.

Wie die Organisator*innen sicherstellen, dass es am Samstag nicht zu Ausschreitungen wie zuletzt auf der Sonnenallee kommt? Nizzar Haddad von »Palästina spricht« sieht da keine Gefahr. »Die Ausschreitungen standen direkt in Zusammenhang mit den Verboten.« Bergmann ergänzt: »Das Problem liegt bereits in der Frage: Dass es mehr Empörung gibt über Flaschenwürfe als über die Aushebelung demokratischer Grundrechte.«

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Und wie wollen sie mit antisemitischen Äußerungen und Aktionen im Rahmen der Demonstration umgehen? Hier verweisen die Organisator*innen zunächst auf die umstrittene Definition von Antisemitismus. Dass die Berliner Staatsanwaltschaft den Slogan »From the River to the Sea – Palestine will be free« als kriminell einstuft, lehnen sie ab. Der Spruch fordere keinesfalls eine Auslöschung jüdischen Lebens, vielmehr gehe es hier um den Wunsch nach einem freien, demokratischen Gebiet für alle Menschen. Wenn sich einzelne Demonstrationsteilnehmer*innen tatsächlich antisemitisch verhielten, würden Ordner*innen einschreiten. »Aber wir wehren uns dagegen, dass eine ganze Community unter Generalverdacht gestellt wird«, sagt Bergmann.

Wie umstritten Antisemitismusdefinitionen und rote Linien sind, zeigt sich an einer aktuellen Debatte um Udi Raz. Der jüdische Israeli arbeitete als Museumsführer im Jüdischen Museum, bis er vergangene Woche gekündigt wurde. Der Grund: Er hatte bei einer Führung die Situation im Westjordanland als Apartheid beschrieben. Die »B.Z.« bezeichnete ihn im Anschluss als »Israelhasser«. »Meine Familie lebt vor Ort, ich liebe sie, die Region liegt mir sehr am Herzen«, entgegnet Raz am Dienstag. Wenn Antisemitismusvorwürfe verhinderten, Tatsachen auszusprechen, schade das in seinen Augen dem Kampf gegen wirklichen Antisemitismus.

Derviş Hızarcı von der Kreuzberger Initiative gegen Antisemitismus blickt mit gemischten Gefühlen auf die geplante Demonstration. Neue Entwicklungen im Nahost-Konflikt könnten »wie ein Brandbeschleuniger« wirken. Er vermisst politische und Gedenkkundgebungen, die kein Zwei-Lager-Denken reproduzieren. »Was ist mit den vielen Menschen, die sprachlos sind, die eine Ohnmacht empfinden, die aber auch Teil einer aktiven Handlung sein wollen?« Wer für gemeinsame Werte einstehen wolle, finde derzeit keine geeignete Veranstaltung.

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